Wege der geschichtlichen Erinnerung
Sind wir ein geschichtsloses Land, da sich alle unsere historischen Interessen auf die Nazi-Zeit fokussieren? Diese These nimmt die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann zum Ausgangspunkt ihres Buches "Geschichte im Gedächtnis" und analysiert die Debatten der vergangenen Jahre in Hinblick auf das Spannungsverhältnis der verschiedenen Funktionsweisen des kulturellen Gedächtnisses.
Den Wegen der bundesdeutschen geschichtlichen Erinnerung spürt die Literaturwissenschaftlerin von der individuellen Erfahrung bis zur öffentlichen Inszenierung von Erinnerung in gewohnt subtiler Art und Weise nach. Diesmal untersucht Assmann die Funktionsweise von Generationenbildung: In Vorstellungen von Generationen gliedern wir unsere überindividuellen Erinnerungen. Dabei weist Assmann anschaulich nach, dass etwa die Achtundsechziger-Generation nur im Wechselspiel mit der Generation der 45er, der "skeptischen" Generation, verstanden werden kann.
Assmann untersucht zwei Gegenwartsromane von Dagmar Leupold und Stephan Wackwitz und rekonstruiert den Übergang von den "Väter"-Romanen der 68er zum Familienroman, in dem sich historische Erfahrung in Netzwerken niederschlägt und die konkrete Einzelerfahrung in Kollektive "aufgelöst" wird. Anschließend untersucht sie die Architektur als Träger von Erinnerung, schließlich die Medien und die Museen.
Zuguter Letzt plädiert die Konstanzer Professorin für eine moderate "Wiedererfindung der Nation", in der Naherinnerung und Fernerinnerung ein produktives Ganzes bilden. Dabei ist das Kernproblem wie man "aus der Tradition des linken Postnationalismus herausfindet, ohne in die Falle eines rechten Nationalismus" zu tappen. Das gelingt immer nur durch Differenzierung der Positionen, nie durch ihre Verschlagwortung.
Aleida Assmann legt ein kristallklares wie pragmatisches Kategoriensystem über die diffizile Problematik und bringt so immerhin einiges an Deutlichkeit in eine geistige Landschaft, in der die Empfindlichkeiten und Verletzlichkeiten nach wie vor hoch sind.
Rezensiert von Marius Meller
Aleida Assmann: Geschichte im Gedächtnis. Von der individuellen Erfahrung zur öffentlichen Inszenierung
Verlag C. H. Beck, München 2007,
210 Seiten, 19,90 Euro
Assmann untersucht zwei Gegenwartsromane von Dagmar Leupold und Stephan Wackwitz und rekonstruiert den Übergang von den "Väter"-Romanen der 68er zum Familienroman, in dem sich historische Erfahrung in Netzwerken niederschlägt und die konkrete Einzelerfahrung in Kollektive "aufgelöst" wird. Anschließend untersucht sie die Architektur als Träger von Erinnerung, schließlich die Medien und die Museen.
Zuguter Letzt plädiert die Konstanzer Professorin für eine moderate "Wiedererfindung der Nation", in der Naherinnerung und Fernerinnerung ein produktives Ganzes bilden. Dabei ist das Kernproblem wie man "aus der Tradition des linken Postnationalismus herausfindet, ohne in die Falle eines rechten Nationalismus" zu tappen. Das gelingt immer nur durch Differenzierung der Positionen, nie durch ihre Verschlagwortung.
Aleida Assmann legt ein kristallklares wie pragmatisches Kategoriensystem über die diffizile Problematik und bringt so immerhin einiges an Deutlichkeit in eine geistige Landschaft, in der die Empfindlichkeiten und Verletzlichkeiten nach wie vor hoch sind.
Rezensiert von Marius Meller
Aleida Assmann: Geschichte im Gedächtnis. Von der individuellen Erfahrung zur öffentlichen Inszenierung
Verlag C. H. Beck, München 2007,
210 Seiten, 19,90 Euro