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Die Kantaten auf Joseph II. und Leopold II.
Großwerke eines Teenagers, nahezu unbekannt, aber echter Beethoven: Die beiden "Kaiserkantaten" aus der Bonner Zeit zeigen Ludwig van Beethoven als eigensinnigen Komponisten und politischen Kopf.
Fast ein Jahrhundert sollte vergehen, ehe zumindest die erste der beiden "Kaiser-Kantaten" von Beethoven – die "Kantate auf den Tod Josephs II." – uraufgeführt wurde. Das geschah am 23. November 1884 in Wien, nachdem der Kritiker Eduard Hanslick die Kopistenabschrift des Werks und die seines Gegenstücks, der "Kantate auf die Erhebung Leopolds II. zur Kaiserwürde", im Nachlass des Beethoven-Freundes Johann Nepomuk Hummel aufgefunden hatte. Zum ersten Mal veröffentlicht wurden sie 1888 im Supplement-Band der Alten Beethoven-Gesamtausgabe.
Das Urteil über den Rang der beiden Werke aus Beethovens frühem Schaffen war nach deren Wiederentdeckung lange nicht einhellig. Was auch daran lag, dass es kaum weitere Aufführungen gab; zu sehr waren die Kantaten wohl an die Anlässe ihrer Entstehung gebunden.
Habsburgisches Bonn
Historischer Hintergrund der auch heute noch wenig bekannten Frühwerke sind die Gedenk- und Krönungsfeierlichkeiten des Jahres 1790. Die habsburgischen Herrscher Joseph und Leopold waren Söhne von Kaiserin Maria Theresia, und da ihr Bruder, Maximilian Franz, als Fürstbischof in Beethovens Heimatstadt Bonn regierte, fanden diese Ereignisse hier besonderen Nachhall.
Umso bemerkenswerter, dass die musikalische Umrahmung der Bonner Gedenkfeier für Kaiser Joseph II. dem als Komponisten noch wenig arrivierten Beethoven anvertraut wurde! Das dürfte der gerade einmal 19-Jährige als besondere Ehre und Herausforderung empfunden haben, sah er sich doch gleichsam an Vorgängen der "großen Politik" beteiligt. Entsprechend ambitioniert ging er zu Werke, dimensionierte insbesondere die Trauerkantate so, dass sie den Rahmen des von der Bonner "Lese- und Erholungsgesellschaft" geplanten Zeremoniells gesprengt hätte. Eine Aufführung kam denn auch nicht zustande.
Tod eines Reformers
Ungeachtet praktischer Hindernisse hatte Beethoven – auf Grundlage eines ziemlich unbedarften Textes von Severin Anton Averdonk – zu einer Musiksprache gefunden, die viele Stilmerkmale seines späteren Schaffens, insbesondere solche mit heroischen oder tragischen Zügen, vorprägte. Wie es zu diesem Innovationsschub, zu dieser frühen Reife kam, wird letztlich ein Rätsel bleiben. Der schöpferische Aufschwung könnte jedoch durch die persönliche Betroffenheit des jungen Komponisten über den Tod Josephs II. befördert worden sein, schließlich verkörperte der Kaiser, ein Aufklärer und Reformer in vielen Belangen, für ihn und für sein Umfeld eine Art Idol.
Die Joseph II. als tolerante und weise Vaterfigur huldigende Trauerkantate setzt sich im Grunde in der Krönungskantate für seinen Nachfolger Leopold II. fort. Sie gibt der Hoffnung Ausdruck, dass Josephs Reformwerk auch unter dem neuen Herrscher gedeihen möge. Gleichwohl weist sie einen beträchtlichen Anteil konventioneller Freuden-Rhetorik und Jubel-Gestik auf.
Unverkennbarer Beethoven
Dass Beethoven sich in dem Anschlusswerk weniger passioniert zeigte als in der ersten Kantate, mag zutreffen. Jedoch hat er auch hier sein einmal erreichtes Niveau leidenschaftlicher und formbewusster musikalischer Gestaltung nicht mehr unterboten. Ein Befund von Johannes Brahms, bezogen auf die Trauerkantate, die Hanslick ihm vorgelegt hatte, kann für beide Werke gelten: "Es ist alles und durchaus Beethoven, man könnte, wenn auch kein Name auf dem Titelblatt stände, auf keinen anderen raten."