Wege zur Zufriedenheit
Wolf Schneider hat mit seinem Buch "Glück!" einen Ratgeber vorgelegt, der keiner sein will. Der Journalist gibt keine Tipps, sondern einen leicht zu lesenden Überblick über die Philosophie- und Kulturgeschichte des Glücks und der Glücksvorstellungen.
Nichts, kein anderer Buchtypus ist, in Verkaufs- und Bestsellerzahlen gemessen, in der Gegenwart so erfolgreich wie Ratgeber zu den Themen Glück, Wohlergehen, Zufriedenheit, Ausgeglichenheit. Ratgeber, die Rezepte versprechen für nichts Geringeres als das Grundbefinden des Einzelnen in seinem Leben.
Werner Tiki Küstenmachers Buch- und Publikationsserie "Simplify your life" etwa dürfte inzwischen in der Hälfte aller deutschen Haushalte vorhanden sein. Eva-Maria Zurhorsts Ratgeber "Liebe dich selbst - und es ist egal, wen du heiratest" hält sich seit fast zwei Jahren in den Buchcharts.
In solchen Büchern werden Weisheiten von höchster Banalität und Naivität verbreitet - gerade das macht ihre Nachfrage zu einem gesellschaftlichen Phänomen. Sie lässt auf ein geradezu ausgehungertes Bedürfnis nach normativem Lebenswissen schließen, nach Beantwortung von Fragen wie: Sind Langschläfer seelisch besser dran als Frühaufsteher? Soll man Sommersocken und Wintersocken in getrennten Beuteln oder in einem Beutel aufbewahren? Zieht man vom Erfolg solcher Glücksratgeber Rückschlüsse auf die Gesellschaft, leidet diese offensichtlich an Komplexen infantiler Abhängigkeit und Unselbständigkeit. Oder am Mangel einer eindeutigen, einmaligen normativen Instanz.
Wolf Schneider, geboren 1925, Autor von gut zwei Dutzend Sachbüchern, erfolgreicher Journalist, Auslandskorrespondent und seit 16 Jahren Leiter der Hamburger Journalistenschule, wagt sich an einen Glücksratgeber, der keiner sein soll, oder, wie sein Sachbuch "Glück" im Untertitel heißt "Eine etwas andere Gebrauchsanweisung". Schneider stellt keine Regeln auf, gibt keine Tipps. Er schreibt vielmehr einen leicht lesbaren, leicht zugänglichen Traktat über die Philosophie- und Kulturgeschichte des Glücks und der Glücksvorstellungen. Die Fülle der Autoren, die er nennt, und der Zitate, die er einstreut, geht dabei ins Enzyklopädische. Unübersehbar polemisiert er gegen Ratgeber-Kollegen wie Zurhorst und Küstenmacher.
Generell liegt Schneiders Anliegen weniger darin, dem Leser den Weg zum Glück zu weisen, als ihn vor Irrwegen zu falschen Glücksideen zu bewahren. Einer solcher Irrwege: Maximierung, wovon auch immer. Der Trieb zum zuviel, von Geld, Schönheit, Harmonie, Freizeit, Arbeit, Liebe, kann laut Schneider nicht glücklich machen. Denn Maximierungsideen beinhalten Zwangsideen. Das Glück liegt eher im Kontrast des Verschiedenen: Arbeit und Faulheit, Alltag und Ausnahme, Mäßigung und einmal wöchentlich Völlerei. Und eines kann auf keinen Fall Glück garantieren: Ständig daran zu denken und sich immerfort damit zu befassen, glücklich sein zu wollen.
Rezensiert von Ursula März
Wolf Schneider: Glück! Eine etwas andere Gebrauchsanweisung
Rowohlt Verlag Hamburg 2006
303 Seiten, 19,90 Euro
Werner Tiki Küstenmachers Buch- und Publikationsserie "Simplify your life" etwa dürfte inzwischen in der Hälfte aller deutschen Haushalte vorhanden sein. Eva-Maria Zurhorsts Ratgeber "Liebe dich selbst - und es ist egal, wen du heiratest" hält sich seit fast zwei Jahren in den Buchcharts.
In solchen Büchern werden Weisheiten von höchster Banalität und Naivität verbreitet - gerade das macht ihre Nachfrage zu einem gesellschaftlichen Phänomen. Sie lässt auf ein geradezu ausgehungertes Bedürfnis nach normativem Lebenswissen schließen, nach Beantwortung von Fragen wie: Sind Langschläfer seelisch besser dran als Frühaufsteher? Soll man Sommersocken und Wintersocken in getrennten Beuteln oder in einem Beutel aufbewahren? Zieht man vom Erfolg solcher Glücksratgeber Rückschlüsse auf die Gesellschaft, leidet diese offensichtlich an Komplexen infantiler Abhängigkeit und Unselbständigkeit. Oder am Mangel einer eindeutigen, einmaligen normativen Instanz.
Wolf Schneider, geboren 1925, Autor von gut zwei Dutzend Sachbüchern, erfolgreicher Journalist, Auslandskorrespondent und seit 16 Jahren Leiter der Hamburger Journalistenschule, wagt sich an einen Glücksratgeber, der keiner sein soll, oder, wie sein Sachbuch "Glück" im Untertitel heißt "Eine etwas andere Gebrauchsanweisung". Schneider stellt keine Regeln auf, gibt keine Tipps. Er schreibt vielmehr einen leicht lesbaren, leicht zugänglichen Traktat über die Philosophie- und Kulturgeschichte des Glücks und der Glücksvorstellungen. Die Fülle der Autoren, die er nennt, und der Zitate, die er einstreut, geht dabei ins Enzyklopädische. Unübersehbar polemisiert er gegen Ratgeber-Kollegen wie Zurhorst und Küstenmacher.
Generell liegt Schneiders Anliegen weniger darin, dem Leser den Weg zum Glück zu weisen, als ihn vor Irrwegen zu falschen Glücksideen zu bewahren. Einer solcher Irrwege: Maximierung, wovon auch immer. Der Trieb zum zuviel, von Geld, Schönheit, Harmonie, Freizeit, Arbeit, Liebe, kann laut Schneider nicht glücklich machen. Denn Maximierungsideen beinhalten Zwangsideen. Das Glück liegt eher im Kontrast des Verschiedenen: Arbeit und Faulheit, Alltag und Ausnahme, Mäßigung und einmal wöchentlich Völlerei. Und eines kann auf keinen Fall Glück garantieren: Ständig daran zu denken und sich immerfort damit zu befassen, glücklich sein zu wollen.
Rezensiert von Ursula März
Wolf Schneider: Glück! Eine etwas andere Gebrauchsanweisung
Rowohlt Verlag Hamburg 2006
303 Seiten, 19,90 Euro