"Ambivalentes Verhältnis zu Ungarn"
Imre Kertesz habe sich erst spät als Autor begriffen, meint dessen Weggefährte György Dalos. Kertesz habe sich immer wieder sehr kritisch geäußert über Ungarn - sei aber am Ende "kampfesmüde" gegenüber der Regierung in Budapest gewesen, so der Intellektuelle.
Kertesz sei "fast unauffällig" in die ungarische Literatur gekommen, der Ruhm habe erst in den 80er Jahren begonnen, sagt György Dalos. Er habe Kertzesz in den 70er Jahren kennengelernt. "Ich wusste nicht, warum dieser Mann mit enormen Humor nicht schreibt. Aber er hat gesagt, natürlich schreibt er, aber er publiziert nicht", sagte Dalos im Deutschlandradio Kultur.
"Schreckliche Erlebnisse mit unerträglicher Ironie beschrieben"
Kertesz Reflexion über Auschwitz sei etwas ganz Neues gewesen in der ungarischen Literatur. "Nämlich, dass er selbst diese schrecklichen Erlebnisse mit einer fast unerträglichen Dosis von Ironie und Spott geschildert hat."
Kertez sei kein Politiker gewesen und habe auch nur wenig Ahnung von Politik gehabt, glaubt Dalos. Doch in manchen Interviews habe Kertesz "ziemlich offen und ziemlich krass" über die ungarische Wirklichkeit und über das Verhältnis der Ungarn zu ihrer Vergangenheit gesprochen.
Ein ambivalentes Verhältnis zu Ungarn
Dalos glaubt, dass Kertesz am Ende kampfmüde gewesen sei und sich deswegen höflich gegenüber der ungarischen Regierung verhielt. Wie alle großen ungarischen Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts habe auch Kertesz eine ambivalente Haltung gehabt. "Ich glaube, sie alle liebten Ungarn und gleichzeitig hassten sie es. Und diese Ambivalenz war auch Kertesz eigen", so Dalos.