Wegschauen oder helfen? Zivilcourage
Am 12. September 2009 starb Dominik Brunner, brutal zusammengeschlagen auf einem Münchener S-Bahnhof. Der 50-jährige Geschäftsmann hatte zuvor vier Schüler in Schutz genommen. Sein Tod sorgte bundesweit für Aufregung – bis heute. In dieser Woche wurden die beiden Täter zu hohen Haftstrafen verurteilt.
Vielen Menschen gilt Dominik Brunner als Held, andere fragen sich, ob es sich überhaupt lohnt, Zivilcourage zu zeigen und sich unter Umständen selbst in Gefahr zu bringen. Wegschauen oder Eingreifen?
"Man muss nicht den Helden spielen"," sagt der Trainer für Zivilcourage Jens Mollenhauer, ""aber Mindestanforderungen kann man erfüllen: Hilfe holen. Von niemandem wird verlangt, den Helden zu spielen, sich gar dazwischen zu werfen. Aber man sollte sich fragen: Was kann ich leisten, um die Gewalt zu mindern? Der Helfer muss nicht die Aufgaben der Polizei übernehmen und den Tätern stellen, aber er kann zur Täteraufklärung beitragen. Ich möchte die Leute dazu bringen, dass sie auf jeden Fall reagieren."
Deshalb bietet der Polizist aus Hamburg in seiner Freizeit Kurse zur Selbstbehauptung und Gewaltprävention an, in Behörden, Schulen, aber auch für Privatpersonen.
"Man muss die Situation einschätzen: Wie stark ist die Gefahr? Geht es um materielle Dinge oder geht es um Leib und Leben? Bei materiellen Dingen reicht es, wenn ich Hilfe hole. Oder ist die Situation so bedrohlich, dass das Opfer direkt bedroht ist? Dann muss ich abschätzen können: Was kann ich leisten? Kann ich von Weitem schreien? Kann ich aktiv eingreifen?"
Wichtig dabei: "Man sollte versuchen, das Opfer aus der Situation zu ziehen, zu sagen `Setzen Sie sich neben mich`, andere Menschen dazuzuholen – so bekommen Sie Stärke."
Wichtig auch: "Bringen Sie sich nicht selbst in Gefahr!"
Für Prof. Dr. Hans-Gerd Jaschke zeigt der Fall Brunner, "welche Doppeldeutigkeit das Thema hat. Einerseits wird es begrüßt, wenn wir Zivilcourage beweisen, wir finden es toll. Andererseits hat der Fall gezeigt, dass wir auch Mut haben müssen. Und Herr Brunner hat in sehr radikaler Mut gezeigt, das war nicht alltäglich."
Den Politikwissenschaftler von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin beschäftigt die gesellschaftliche Seite der Zivilcourage. Diese sei nicht nur bei offensichtlicher Gewalt gefragt. Es sei auch Zivilcourage, von der herrschenden Meinung abzuweichen, am Arbeitsplatz, im Verein, in der Familie.
""Zum Beispiel, wenn jemand einen fremdenfeindlichen Witz am Stammtisch erzählt, und alle klatschen. Dann dagegenzuhalten und zu sagen, `ich finde ihn nicht witzig`, das erfordert Mut, diesen Normen entgegenzutreten, weil wir dann in der Minderheit sind."
Zivilcourage beginne da, wo wir als Einzelner in Situationen unsere Stimme erheben, wenn Grundwerte verletzt werden, die wir – eigentlich – alle teilen: Das Grundgesetzt, die Menschenrechte, die Menschenwürde. Dass wir es uneigennützig tun.
Der Sozialforscher, der gerade eine Studie über die Bedingungen und die Bedrohung des gesellschaftlichen Zusammenhalts herausgebracht hat, beschäftigt sich auch mit dem Rechtsextremismus in Deutschland. Auch hier sei Zivilcourage gefragt. Zum Beispiel, wenn Rechtsextreme versuchen, bestimmte Orte oder Vereine für sich zu besetzen.
"Als Einzelperson ist man relativ ohnmächtig. Da geht es darum, in Verbindung mit anderen zu treten, Aufklärungsarbeit zu machen, Meinungsmacher einzuspannen in der Gemeinde, Lehrer, den Pfarrer."
Aber auch als Einzelner zu zeigen, dass man nicht einverstanden ist – den Mut zur Zivilcourage zu haben. Zivilcourage sei einer der Pfeiler der Demokratie.
"Wegschauen oder helfen? Zivilcourage"
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler Hans-Gerd Jaschke und dem Zivilcourage-Trainer Jens Mollenhauer. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.
Informationen im Internet:
Homepage von Jens Mollenhauer
Profil von Prof. Dr. Hans-Gerd Jaschke auf der Homepage der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin
"Man muss nicht den Helden spielen"," sagt der Trainer für Zivilcourage Jens Mollenhauer, ""aber Mindestanforderungen kann man erfüllen: Hilfe holen. Von niemandem wird verlangt, den Helden zu spielen, sich gar dazwischen zu werfen. Aber man sollte sich fragen: Was kann ich leisten, um die Gewalt zu mindern? Der Helfer muss nicht die Aufgaben der Polizei übernehmen und den Tätern stellen, aber er kann zur Täteraufklärung beitragen. Ich möchte die Leute dazu bringen, dass sie auf jeden Fall reagieren."
Deshalb bietet der Polizist aus Hamburg in seiner Freizeit Kurse zur Selbstbehauptung und Gewaltprävention an, in Behörden, Schulen, aber auch für Privatpersonen.
"Man muss die Situation einschätzen: Wie stark ist die Gefahr? Geht es um materielle Dinge oder geht es um Leib und Leben? Bei materiellen Dingen reicht es, wenn ich Hilfe hole. Oder ist die Situation so bedrohlich, dass das Opfer direkt bedroht ist? Dann muss ich abschätzen können: Was kann ich leisten? Kann ich von Weitem schreien? Kann ich aktiv eingreifen?"
Wichtig dabei: "Man sollte versuchen, das Opfer aus der Situation zu ziehen, zu sagen `Setzen Sie sich neben mich`, andere Menschen dazuzuholen – so bekommen Sie Stärke."
Wichtig auch: "Bringen Sie sich nicht selbst in Gefahr!"
Für Prof. Dr. Hans-Gerd Jaschke zeigt der Fall Brunner, "welche Doppeldeutigkeit das Thema hat. Einerseits wird es begrüßt, wenn wir Zivilcourage beweisen, wir finden es toll. Andererseits hat der Fall gezeigt, dass wir auch Mut haben müssen. Und Herr Brunner hat in sehr radikaler Mut gezeigt, das war nicht alltäglich."
Den Politikwissenschaftler von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin beschäftigt die gesellschaftliche Seite der Zivilcourage. Diese sei nicht nur bei offensichtlicher Gewalt gefragt. Es sei auch Zivilcourage, von der herrschenden Meinung abzuweichen, am Arbeitsplatz, im Verein, in der Familie.
""Zum Beispiel, wenn jemand einen fremdenfeindlichen Witz am Stammtisch erzählt, und alle klatschen. Dann dagegenzuhalten und zu sagen, `ich finde ihn nicht witzig`, das erfordert Mut, diesen Normen entgegenzutreten, weil wir dann in der Minderheit sind."
Zivilcourage beginne da, wo wir als Einzelner in Situationen unsere Stimme erheben, wenn Grundwerte verletzt werden, die wir – eigentlich – alle teilen: Das Grundgesetzt, die Menschenrechte, die Menschenwürde. Dass wir es uneigennützig tun.
Der Sozialforscher, der gerade eine Studie über die Bedingungen und die Bedrohung des gesellschaftlichen Zusammenhalts herausgebracht hat, beschäftigt sich auch mit dem Rechtsextremismus in Deutschland. Auch hier sei Zivilcourage gefragt. Zum Beispiel, wenn Rechtsextreme versuchen, bestimmte Orte oder Vereine für sich zu besetzen.
"Als Einzelperson ist man relativ ohnmächtig. Da geht es darum, in Verbindung mit anderen zu treten, Aufklärungsarbeit zu machen, Meinungsmacher einzuspannen in der Gemeinde, Lehrer, den Pfarrer."
Aber auch als Einzelner zu zeigen, dass man nicht einverstanden ist – den Mut zur Zivilcourage zu haben. Zivilcourage sei einer der Pfeiler der Demokratie.
"Wegschauen oder helfen? Zivilcourage"
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler Hans-Gerd Jaschke und dem Zivilcourage-Trainer Jens Mollenhauer. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.
Informationen im Internet:
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Profil von Prof. Dr. Hans-Gerd Jaschke auf der Homepage der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin