Martin Dammann, "Soldier Studies. Cross Dressing in der Wehrmacht"
Hatje Cantz Verlag, 2018
28 Euro
Bilder, die Hitler nicht gefallen hätten
Es sind erstaunliche Amateuraufnahmen, die der Fotokünstler Martin Dammann in Fotoalben aus der NS-Zeit fand: Sie zeigen Soldaten der Wehrmacht in Frauenkleidern. Das ist pikant, denn Szenen wie diese laufen der nationalsozialistischen Ideologie zuwider.
Auf den Bildern sind Männer mit Perücken und in selbstgebastelten BHs zu sehen, manchmal haben sie Handtücher zu Mini-Röcken entfremdet. Was diese Bilder so besonders macht: Sie zeigen Soldaten der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Auch in diesem Krieg gab es den Versuch, die Soldaten durch Unterhaltungsangebote abzulenken. Neben den staatlich organisierten Fronttheatern, die mittlerweile gut erforscht sind, inszenierten sich Wehrmachtssoldaten aber auch selbst als Frauendarsteller, wie die Fotos widerspiegeln, die der Maler und Fotokünstler Martin Dammann zusammengestellt hat.
Dammann war in Archiven auf zahlreiche Amateurfotos von Wehrmachtssoldaten gestoßen, die sich als Frauen verkleideten. Es sind Szenen, die der nationalsozialistischen Ideologie eigentlich zuwider liefen. Sie sind jetzt im neu erschienenen Fotoband "Soldier Studies. Cross Dressing in der Wehrmacht" dokumentiert, mit Textbeiträgen von Dammann und Harald Welzer.
Fotos aus Privatalben
"Ich war nicht nur ein bisschen überrascht, ich war sehr überrascht", sagte Dammann über seine Entdeckungen im Deutschlandfunk Kultur. Vor allem habe ihn erstaunt, dass diese Praktiken fotografiert wurden und diese Bilder in zahlreichen privaten Fotoalben aus der NS-Zeit aufbewahrt worden seien. Er habe das Glück gehabt, durch eine Auftragsarbeit für das Londoner "Archive for Modern Conflict" viele solcher Alben ansehen zu können.
Die Bilder machten die Nöte und Sehnsüchte vieler Soldaten in dieser existentiellen Bedrohung des Krieges sichtbar. "Ich würde sagen, das ist ein ganzer Blumenstrauß an Nöten und Sehnsüchten", sagte Dammann. Dabei gehe es um erotische, aber auch eskapistische Anflüge und den Wunsch nach Entkommenwollen in eine Art von Normalität.
Der Tradition von Damendarstellern in den Theatern an der Front und in den Gefangenenlagern des Ersten Weltkrieges widmete sich schon 2014 eine Ausstellung "Mein Kamerad - die Diva" im Schwulen Museum. Sie wird ab 8. November im Meininger Theatermuseum zu sehen sein.