"Weiblicher Dalai Lama wäre möglich"

Von Mechthild Klein |
Ist der Buddhismus das Mekka für die gleichberechtigte Frau? Die Antwort ist zwiespältig: Buddha billigte den Frauen zwar die Erleuchtung zu, doch trotz der Existenz von buddhistischen Frauenklöstern hat sich die Emanzipation in asiatischen Ländern in ganz unterschiedlichem Ausmaß durchgesetzt.
Michael Sabaß, Zen-Meister aus Bremen: "Also sie sind mit Sicherheit nicht gleichberechtigt in der Praxis. Ganz sicher nicht. Im Westen wohl. Überall dort, wo der Buddhismus in den Westen gekommen ist, wird kein Unterschied gemacht zwischen Mann und Frau, also da ist Gleichberechtigung - es gibt auch Zen-Meisterinnen."

Japan ist eine stark patriarchal geprägte Gesellschaft.

Michael Sabaß: "Ich weiß es auch von japanischen Zen-Meistern, also Äbten, die die Auffassung auch vertreten, dass man als Frau nicht wirklich Buddha werden kann, sondern nur als Mann. Das ist irgendwo so eingefleischt, nicht? Eingewurzelt. Es gibt in Japan von den Rinzai gibt es, ich weiß die Zahl jetzt nicht genau, von den zwölf oder 14 Klöstern, sind nur zwei Frauenklöster, zwei Nonnenklöster. Da sieht man schon, dass faktisch keine Gleichberechtigung da ist."

Über die Jahrhunderte verändern sich Religionen, und in ihren Lehren lässt sich auch das jeweilige gesellschaftliche Klima gegenüber Frauen ablesen.

Sylvia Wetzel: "Es gibt die kanonische Aussage des Buddha. Er wurde von Ananda, seinem Cousin und Aufwerter, gefragt, können Frauen Befreiung erlangen, genauso wie Männer? Und Buddha sagte, natürlich können sie das. Also, das ist die autoritative Aussage, Frauen können genauso erwachen wie die Männer, sie haben das gleiche Erleuchtungspotential und es zieht sich durch alle Schulen hindurch…"

Sylvia Wetzel, Buddhismus-Lehrerin aus Berlin, Vertreterin eines feministischen Ansatzes, sieht den Weisheitslehrer Siddharta Gautama auf ihrer Seite.

Sylvia Wetzel: " (…) Man könnte hier sagen, das ist eine Definition von Gleichberechtigung. Der Buddhismus ist patriarchal, zumindest in großen Bereichen, aber die patriarchalen Übungen und Lehren, stehen den Männern und Frauen gleichermaßen zur Verfügung."

Die Praxis sieht anders aus. In einigen Ländern Asiens genießen die Mönche einen höheren Status als die Nonnen. In Thailand zum Beispiel werden die Nonnen bislang nicht einmal als Novizinnen anerkannt. Aber ihre Arbeitskraft wird gerne angenommen. Die Ordensfrauen putzen und kochen für die Mönche und nehmen Geldspenden für sie entgegen.

Bei der ersten internationalen buddhistischen Frauenkonferenz im indischen Bodhgaya vor 20 Jahren wurde den Teilnehmerinnen bewusst, welches Potenzial hier verschenkt wird. Und die buddhistischen Frauen aus West und Ost gründeten eine Organisation: "Sakyadhita" - "Töchter des Buddha" lautet die Übersetzung. Die buddhistische Nonne und Universitätsprofessorin Karma Lekshe Tsomo ist Amerikanerin und stammt aus Hawaii . Sie ist die Präsidentin von "Sakyadhita":

Karma Lekshe Tsomo: "Wir wollten mit der Gründung von Sakyadhita eine Allianz buddhistischer Frauen auf der ganzen Welt schaffen. Wir hatten festgestellt, dass buddhistische Frauen in vielen Ländern sehr isoliert waren. Sie hatten nur wenig Kontakt ins Ausland, manchmal reichte der Kontakt noch nicht mal außerhalb ihres Klosters. Also wollten wir die Frauen zusammenbringen. Und wir entdeckten viele Gemeinsamkeiten, aber auch viele Probleme, Stoff für viele weitere Zusammenkünfte."

Karma Lekshe Tsomo ist seit 30 Jahren Nonne in der tibetischen Tradition der Karma Kagyü-Linie. Sie gehört zu den Gründungsmitgliedern von Sakyadhita. Der Verein engagiert sich in vernachlässigten Randgebieten asiatischer Länder mit buddhistischer Bevölkerung. Sie bauen Schulen auf für Mädchen und vermitteln Lehrerinnen dorthin. In Spitty etwa, im indischen Himachal Pradesh, gibt es Hunderte von Nonnen, aber keine Frauenklöster. Es gibt auch keine Möglichkeiten für die Frauen, sich zu bilden. Karma Lekshe Tsomo zeichnet ein dramatisches Bild von der Lage der Glaubensschwestern.

Karma Lekshe Tsomo: "Viele Frauen würden lieber nicht heiraten bei der Vorstellung, jedes Jahr ein Kind zu bekommen und ohne Gesundheitsfürsorge zu sehen, wie sie sterben, eins nach dem anderen. Außerdem ist der Alkoholismus ein großes Problem. Das Leben als Frau in dieser Region ist sehr schwer, und es ist sehr kurz hier. Die Frauen wollen aber aus ihrem kurzen Leben das Beste machen. Mit anderen Worten, sie wollen den Dharma, die Lehre Buddhas, praktizieren. Deshalb wollen schon junge Mädchen Nonne werden - es stellt eine Alternative dar zu Heiraten und Kinder austragen."

Bhikhhu Mettanando: "Frauen sind der Garant für die Fürsorge in der Gesellschaft. Was passiert, wenn die Frauen als hauptsächliche Fürsorge-Geber in der Gemeinschaft ihre Autorität und ihre Rechte verlieren? Die Gemeinschaft wird schwächer. Deshalb ist der Buddhismus auch aus Indien verschwunden. Es kam nicht aufgrund der Verfolgung durch die Muslime, wie viele Leute dachten."

Der Thailändische Mönch Mettanando tritt für eine Gleichberechtigung von Mann und Frau auch in der Religion ein. Frauenfeindliche Tendenzen gibt es in jeder Religion, im Buddhismus jedoch sieht er die Grundlagen dafür bereits in der Zeit nach Buddhas Tod angesiedelt.

Bhikkhu Mettanando: "Als Buddha starb, passierte etwas: Die Nonnengemeinschaft wuchs sehr schnell an. Aber der rechte Flügel der Mönche war von den Brahmanen gesteuert, also Männern aus der Priesterkaste. Und diese waren sehr unglücklich über das Erstarken der Frauen in der Gemeinde, und das wollten sie ändern und bedrängten die Nonnen. Sobald der Buddha starb, übernahmen sie die Kontrolle, geführt von Mahakashyapa, ein Mönch der früher ein Brahmane war. Und wir wissen aus den Sutren, dass er zum Führer der Gemeinschaft aufstieg und dass er ganz strikt gegen Frauen eingestellt war."

Zurück in die Gegenwart. Nicht nur im Westen hat sich mit der Neuzeit die Rolle der Frau gewandelt. Die veränderte Rolle der Frau hängt von sozialen und kulturellen Bedingungen ab, sagt die buddhistische Lehrerin Sylvia Wetzel.

Sylvia Wetzel: "… und es ist sehr interessant und sehr offensichtlich, dass aus Korea und Taiwan, den beiden Ländern, wo am stärksten eine Verwestlichung kulturell zu beobachten ist, sehr starke Lehrerinnen kommen. Aus Korea noch stärkere, weil die eine alte schamanische Tradition haben, wo Frauen Schamaninnen sind bis in die Neuzeit. In China, in Taiwan sind sie etwas schüchterner, aber auch dort kommen Lehrerinnen her, weil dort Gleichberechtigung auch politisch ein Wert ist. In dem Sinne isses sicherlich, dass der Impuls für die veränderte Rolle der Frauenrollen aus dem Westen kommt, aber nicht, weil es der Westen ist, sondern weil wir ein anderes Konzept von Frau und Mann, ein anderes Verständnis von Frauen- und Männerrollen haben durch die Neuzeit. "


Dalai Lama: "Nach der Tradition wäre theoretisch auch ein weiblicher Dalai Lama möglich. Aber als Frau müsste es ein sehr schöner Dalai Lama sein, etwas attraktiver…. "

Der Dalai Lama scherzt schon mal über seine künftige Wiedergeburt als Frau. Tatsächlich kommt dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter eine wesentliche Rolle bei der Anerkennung der Frauenordination zu. Schon bei der ersten buddhistischen Weltfrauenkonferenz vor 20 Jahren war er als Gast dabei. Auf seine Unterstützung setzten die westlichen Ordensfrauen auch bei der buddhistischen Nonnenkonferenz im Sommer 2007 in Hamburg. Sie hofften auf eine Neubelebung der tibetischen Nonnentradition. Doch der Dalai Lama verhielt sich diplomatisch.

Dalai Lama:"Wir müssen uns nach den Ordensregeln richten. Das sind Regeln, die auf Buddha selbst zurückgehen. Demnach kann ich als einzelner Mönch in dieser Sache nicht allein bestimmen, das kann nur die buddhistische Gemeinschaft insgesamt entscheiden."

Carola Roloff: "... ich hab’s bis dahin gar nicht gewusst, dass tibetische Nonnen zum Beispiel - und das hab ich schon gehört, dass ist auch in vielen anderen asiatischen Ländern so - richtig in ihrer täglichen Liturgie Gebete machen, dass sie als Mann wiedergeboren werden."

Carola Roloff - tibetische Nonne. Die Hamburgerin wurde vom Dalai Lama beauftragt, Forschungsergebnisse über die Traditionen der Nonnenordination im Buddhismus zusammenzutragen. Wie tief die Gräben zwischen den verschiedenen Lagern sind, hatte sie sich zuvor nicht träumen lassen.

Carola Roloff: "Und wenn jetzt eine Frau in Thailand das heilige, gelbe Ordensgewand einer Nonne oder eines Mönches anziehen würde, würde das sozusagen als Entweihung des gesamten Buddhismus teilweise betrachtet werden auf dem Dorfe, ja. Das muss man sich vorstellen, also solche Gedanken gibt es noch. Und mit solchen Gedankenkonzepten, die über Jahrhunderte gewachsen sind, haben wir das zu tun."

Für die Tibeterinnen sieht die Lage besser aus. Im Exil sind die Nonnen inzwischen genauso gut wie die Mönche ausgebildet, nur können sie keine Abschlüsse machen so wie ihre Glaubensbrüder. Das bedeutet: Obwohl die Frauen jahrzehntelang im Kloster leben, haben sie rechtlich nur den Status einer Novizin.

Ein heikles Thema für den buddhistischen Sangha ist dabei auch die Tatsache, dass immer mehr westliche Nonnen diese Sackgasse umgehen und sich die höchsten Weihen von den taiwanesischen Schwestern geben lassen, wo die Tradition der Nonnenordination bis heute lebendig ist. Und dieser Ruf nach gleichen Weihen, Amt und Würden wird auch in anderen buddhistischen Ländern lauter.

Davon sind aber nicht alle Mönche gleichermaßen begeistert. Die buddhistische Emanzipation stellt das bisherige System und alte Gewohnheiten grundlegend in Frage. Auch Frauen wie die in Burma lebende Nonne Ariya Nyani sind nicht automatisch auf der Seite der Reformerinnen:

Ariya Nyani: "Ich denke man muss da aufpassen, dass es nicht zu einer Bewegung wird, bei der es mehr um die Gleichberechtigung geht. Oder so ne feministische Bewegung wird. "

Zumindest lernen die Buddhistinnen der verschiedenen Schulen schnell voneinander. Gemeinsam suchen sie nach neuen Wegen, wie sie sich in die buddhistische Gemeinschaft einbringen können. Die Frauen werden als Religionslehrerinnen gebraucht, denn auch in den traditionell buddhistischen Ländern ist die Anzahl der Gläubigen rückläufig.

Eine prominente Fürsprecherin haben die Buddhistinnen bereits in der Hamburger Bischöfin Maria Jepsen. Sie wurde im Jahr 1992 weltweit als erste Frau in der evangelisch-lutherischen Kirche in das Bischofsamt gewählt.

Bischöfin Maria Jepsen: "Wir haben ähnliche Fragen ja auch im christlichen Bereich gehabt und haben es auch erlebt, dass Frauen in geistlichen Ämtern nicht von allen akzeptiert wurden, inzwischen ist es anders (…) Und es ist sicher auch im Buddhismus, dass das eine andere Akzeptanz bekommen wird. Wir haben es einfach zu lernen weltweit, dass das, was Frauen verantwortlich mitgestalten, nicht gleich unter den Tisch fällt. Es hat immer die negative Konnotation bekommen. Und ich denke, es wird höchste Zeit, dass auch im Buddhismus die Menschen nicht die Männer für die besseren, die edleren Lebewesen halten, sondern dass Männer und Frauen gute und schlechte Seiten haben. "