Glaube und Spiritualität

Warum Menschen nicht an Gott, aber an Engel glauben

06:55 Minuten
Kinderzeichnung eines Engels mit Sternen am Himmel.
Rund die Hälfte der Bevölkerung glaubt, dass es Engel tatsächlich gibt. © imago / Westend61 / Christine Müller
Sebastian Murken im Gespräch mit Stephan Karkowsky |
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Viele Menschen gehen Heiligabend in die Kirche, obwohl sie keine Christen sind. Sie glauben weder an die Jungfrauengeburt noch an die Dreifaltigkeit - sehr wohl aber an Engel. Wie das zusammenpasst, erklärt der Psychotherapeut Sebastian Murken.
Auch in diesem Jahr werden die Kirchen in Deutschland zu Weihnachten voraussichtlich wieder voll sein – im Gegensatz zum Rest des Jahres. Dabei sind Christen hierzulande erstmals seit Jahrhunderten in der Minderheit: Nicht einmal mehr jeder Zweite gehört der katholischen oder evangelischen Kirche an.

Mehr Ritual als religiöser Inhalt

"Der Kirchenbesuch zu Weihnachten ist eine Tradition, die in Deutschland dazugehört, ähnlich wie der Weihnachtsbaum", sagt der Psychotherapeut Sebastian Murken, der an der Universität Marburg Religionspsychologie lehrt. Damit seien auch Erinnerungen an die Kindheit verbunden. Das Ganze habe aber eher etwas mit einem Ritual als mit religiösen Inhalten zu tun.
Es seien denn auch die in der Bibel kodierten Glaubensinhalte, von denen sich die Menschen abwendeten, so Murken: "Soll man wirklich glauben, dass Maria zum Himmel aufgestiegen ist? An die Dreieinigkeit? All das scheint vielen Menschen nicht mehr plausibel mit einem zunehmend naturwissenschaftlichen und anders geprägten Weltbild."

Engel sind kulturell und religiös anschlussfähig

Dennoch gab rund die Hälfte aller Befragten in einer YouGov-Umfrage 2016 an, sie glaubten an Engel. Dieses Phänomen führt Murken auf den Wunsch nach einem "Bezug zu transzendenten Wesenheiten" zurück. Gleichzeitig wolle man keine strengen Vorschriften, wie man sein Leben gestalten solle.

Hier sind Engel ganz wunderbar, weil sie einerseits eine tiefe Tradition im Christentum haben und insofern kulturell und religiös anschlussfähig sind, aber andererseits theologisch gar nicht eng definiert oder aufgeladen sind, sodass jeder seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche mit dem Engelglauben individuell verbinden kann."

Religionspsychologe Sebastian Murken

Kern von Spiritualität ist dem Religionspsychologen zufolge ein übriggebliebener Aspekt des Glaubens: der Wunsch, dass es "Kräfte außerhalb des Wahrnehmbaren" gibt, die unserer "immanenten weltlichen Ebene" gegenüberstehen. Doch diese "wohlwollenden Energien" seien im Gegensatz zum christlichen Glauben nicht kodiert, und es brauche dafür kein "Was soll ich tun?", um zum Heil zu gelangen.
(bth, KNA)

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