Weihnachtliche Tradition aus Frankreich

Von Holger Hettinger |
Zur französischen Weihnacht gehört Jules Massenets Oper "Cendrillon" wie Spekulatius zur deutschen Adventszeit. Dabei ist Massenet außerhalb Frankreichs kaum präsent.
So ungerecht kann die Nachwelt sein: Jules Massenet war der vielseitigste unter den französischen Komponisten der Spätromantik, ein melodienvernarrter Vielschreiber, der die Wirkung einer virtuosen Orchestrierung im Blick hatte wie sonst eigentlich nur noch Hector Berlioz.

Über 25 abendfüllende Opern hat er geschrieben, das Spektrum reicht von der spritzigen Gesellschaftskomödie bis hin zur gemütvollen Märchenoper. Im Musikleben unserer Tage scheint Massenet allerdings nur noch präsent durch das Geigen-Intermezzo "Meditation" aus der Oper "Thais" - einem süßen Nichts von gut sechs Minuten Länge.

Dabei sind Massenets Opern durchweg dankbare und gehaltvolle Werke - nicht zuletzt dank des geistreichen Witzes und seiner Lust an der Zuspitzung. Veredelt wird dieser temporeiche Esprit durch Massenets Instrumentierungskunst und seine Neigung zu schwelgerischen Melodien.

Dass Massenets Opern außerhalb Frankreichs zwar wahrgenommen, aber nie wirklich gefeiert wurden, liegt vielleicht daran, dass sie gespickt sind mit kleinen Anspielungen, die man als Nicht-Franzose nur sehr schwer versteht - ganz im Sinn der vergnüglichen Ironie der Belle Epoque. Massenets Oper "Cendrillon" von 1899 ist eine Variation des Aschenbrödel-Märchens - und gehört in Frankreich zur Vorweihnachtszeit wie Elsässer Gebäck und das "Reveillon", eine opulente Schlemmerei im Familienkreis.