Weihnachtsgans

Wie lange kommt der Braten noch auf den Tisch?

06:42 Minuten
Landwirtin Iris Tapphorn vor ihren Gänsen
Landwirtin Iris Tapphorn betreibt eine Gänsefarm bei Vechta. © Bastian Brandau / Deutschlandradio
Von Bastian Brandau |
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Die Weihnachtsgans ist in vielen Haushalten Tradition. Doch der Krieg in der Ukraine hat die Futterpreise verdoppelt, von den Energiekosten ganz zu schweigen. Und dann ist da noch die Vogelgrippe, der ganze Bestände zum Opfer fallen.
Die weißen Vögel weichen etwas zurück, fixieren die Ankömmlinge. Andere lassen sich nicht stören. Iris Tapphorn in ihrem grünen langen Mantel und den Stiefeln kennen sie schließlich gut. Sie kommt jeden Tag zu „ihren Mädels“ in den Stall. Der ist hoch und hölzern verkleidet, mit einem großen Tor vorn und hinten:
„Hier leben derzeit auf Stroh mit offener Tränke ungefähr 370 Gänse. Gänse sind Wassergeflügel und lieben es mit Wasser zu spielen."
Abzuholen sind die Weihnachtsgänse bis zum 23.12. auf Iris Tapphorns Hof in Lohne im Landkreis Vechta. Aber in diesem Jahr, auch als Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine, zu einem höheren Preis – denn die Kosten für das Futter haben sich verdoppelt.
19,50 Euro nimmt Tapphorn für ihre Tiere. Vier Kilo kosten also rund 80 Euro, für eine Sechs-Kilo-Gans sind knapp 120 Euro fällig. Die Nachfrage sei nach wie vor da, sagt Iris Tapphorn – doch wie lange noch, das fragen sich viele Gänsehalter vor dem Fest.

Stopflebergans vom Discounter

Ein Großteil der auf deutschen Tischen verspeisten Weihnachtsgänse wird importiert, meist aus aus Polen oder Ungarn. Bei einem großen Discounter kostet das Kilo dann 9,90 Euro, also knapp die Hälfte. Tiere, die oft auch aus Stopfleberproduktion stammten. Bei dem Thema kann sich Landwirtin Tapphorn richtig empören:
"Das finde ich ist eine absolute Doppelmoral. Wir reden über Tierwohl und importieren das größte Tierleid, was es gibt – und stehen dann auch noch direkt in Konkurrenz zu unserem Tierwohl-Produkt.“
Denn dass es ihren Tieren gut geht, darauf legt Tapphorn wert, auch wenn Tierschützer das sicher anders sehen würden. Nachhaltig würden sie hier schon seit vielen Generationen wirtschaften, mit einem geschlossenen System vom Ei bis zur Schlachtung.
Die Direktvermarktung von Gänsefleisch ist dabei nur ein Standbein. Hauptgeschäft sei das Ausbrüten von Eiern, die die Elterntiere hier während der Brutperiode von Frühjahr bis Herbst täglich legen. Die brüten sie für andere Gänsemäster aus, oder verkaufen die Eier, die dann woanders gebrütet werden.

Eierverkauf ins Ausland

Zum Brüten aber braucht es Wärme und damit Gas und Strom. Da Energie teurer geworden ist, hat Iris Tapphorn für die kommende Saison schon jetzt umdisponiert:
„Die Bruteier verkaufe ich wöchentlich ins EU-Ausland. Das wird dort kostengünstiger gebrütet und von dort gehandelt und vielleicht auch wieder nach Deutschland gebracht.“
Zu groß sei ihr die Unsicherheit, inwiefern ihr Betrieb von der angekündigten Gas- und Energiepreisbremse profitiere. 

Die Vogelgrippen-Endemie

Doch die gestiegenen Preise für Geflügel haben noch einen anderen Grund: die Vogelgrippe. Im vergangenen Sommer war auch Iris Tapphorns Hof betroffen. 2.400 Tiere musste sie töten. Zwar gibt es eine Entschädigung, doch die sei nicht kostendeckend.
Tierwohl-Kennzeichnungen, Vogelgrippe, gestiegene Energiepreise: Tapphorn engagiert sich in landwirtschaftlichen Verbänden, spricht auch mit Politikerinnen und Politikern und ist doch frustriert, weil Dinge so lange dauern. Unter diesen Bedingungen denken auch unter den Gänsezüchterinnen und Züchtern viele ans Aufhören:
„Wir leben wirtschaftlich in einer riesigen Gefahr und sind auch einer großen Willkür ausgesetzt. Hätten Sie Lust, einen Betrieb zu führen und in die Zukunft zu bringen, wo sie gar nicht wissen: Habe ich überhaupt noch eine Zukunft?“
Hörspielreihe zum Tierwohl