Hier geht es zur Playlist der Sendung.
"Wie lieblich klingt es in den Ohren"
Bachs Weihnachtsoratorium hat eine so herausgehobene Stellung als Weihnachts-Klassiker schlechthin, dass die anderen Werke des Thomaskantors zu diesem Fest in Vergessenheit zu geraten drohen. Höchste Zeit, Bach als Alternative zu Bach zu entdecken.
Aus allen Winkeln schallt schon zur Adventszeit Johann Sebastian Bachs berühmtes Weihnachtsoratorium – ein großartiges Werk, aber dass die Omnipräsenz dieser Musik seine gut ein Dutzend weiteren Kantaten für die Weihnachtszeit ein Schattendasein fristen lässt, das ist sehr schade. In unserer Sendung werden Sie das "WO" nicht vermissen, denn die ausgewählten Interpretationen präsentieren Ihnen Bach als Alternative zu Bach!
Die großen heutigen Bach-Interpreten wie John Eliot Gardiner, Ton Koopman oder Philippe Herreweghe sind jeweils ganz eigene und manchmal auch sehr verschiedene Wege gegangen, um sich die Musik des Thomaskantors immer wieder neu zu erschließen. Den Grundstein für die Bach-Interpretation unserer Zeit hatten vor allem Nikolaus Harnoncourt und Gustav Leonhardt mit ihrer Einspielung sämtlicher geistlicher Kantaten mit alten Instrumenten und Knabenchören gelegt. Aber ist das zwingend?
Je länger das Fest, desto kürzer die Kantate
Die meisten Interpretationen im Sinne einer modernen, historisch geschulten Aufführungspraxis entstehen heute mit gemischten Ensembles, die Qualität der Interpretation an sich mindert diese Klangfarbe deshalb nicht. Und wie klein oder wie groß sollte ein Bach-Chor sein, um die Intentionen des Komponisten gebührend wiedergeben zu können?
Dabei fasziniert immer wieder neu, wie musikpraktisch, ja pragmatisch Bach selbst seine großen Festtagskantaten anging, ohne seinen künstlerischen Anspruch zu mindern. Je länger sich das Weihnachtsfest hinzieht, umso kürzer werden in aller Regel die Kantaten der Weihnachtszeit. Der Komponist wollte seinen Chor und seine ja meist sehr jungen Sänger im festtäglichen Dauereinsatz schonen.
Der Weihnachts-Workaholic
Sich selbst schonte Bach nie. Mehrere Jahrgänge mit Kantaten durchs gesamte Kirchenjahr zeugen davon, (fast) jede Woche eine neue, also eine umfangreiche Uraufführung – ein unermessliches Arbeitspensum. Und für die Weihnachtszeit bis zum Dreikönigstag waren selbstverständlich besonders festliche und repräsentative Werke gefragt. Da dürfte der Stoßseufzer "Gottlob! nun geht das Jahr zu Ende" (BWV 28) mitunter auch dem Komponisten selbst entfahren sein.