Weihnachten fast ohne Weihnachtsmärkte

Sehnsucht nach den Gerüchen der Kindheit

07:44 Minuten
Nur der Weihnachtsbaum und die Weihnachtskrippe sind vom Weihnachtsmarkt auf dem Domplatz vor dem Mariendom und der Severikirche auf dem Domplatz in Erfurt übrig geblieben. Der traditionsreiche Markt wurde am 23. November eröffnet und am 24. November wegen der aktuellen Corona-Verordnung geschlossen.
Für viele Weihnachtsmarktfans heißt es dieses Jahr eher "Oh, du Traurige" - so wie in Erfurt, wo der Domplatz normalerweise mit bunten Weihnachtsbuden und Karussells Besucher anlockt. © picture alliance / dpa / Martin Schutt
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In vielen deutschen Städten sieht es im zweiten Coronawinter erneut traurig aus: Viele Weihnachtsmärkte finden nicht statt. Eine gute Gelegenheit, um sich auf den eigentlichen Sinn des Festes zu konzentrieren, findet die Philosophin Claudia Paganini.
Die (vor-)weihnachtlich Gestimmten tragen Trauer: Vielerorts wurden Weihnachtsmärkte abgesagt, Seniorenfeiern und Weihnachtoratoriumskonzerte ebenso. Wenn dieser Kuschelfaktor – und sei es im Gedränge eines Christkindlmarktes -, wegfällt, wächst bei vielen Menschen in diesem zweiten Coronawinter wieder der Frust und die Angst vor Isolation.
Warum sind Weihnachstmärkte und buntes Vorweihnachtstreiben in den Städten für viele Menschen so wichtig? Die Philosophin und Journalistin Claudia Paganini, Professorin an der Münchner Hochschule für Philosophie, kann sich gut hineinfühlen:
„Das Schöne am Weihnachtsmarkt ist für mich und ich glaube auch für viele andere, dass ganz viele Sinneseindrücke angesprochen werden, die einen in die Kindheit zurückführen. Der Weihnachtsmarkt ist ja voll von Triggern: Gerüche, Lichter, Farben, Geschmäcke. Irgendwie erinnert er an eine Zeit, als Weihnachten noch ganz mystisch besetzt war.“

Mystisches Fest für Kinder gestalten

Ist es deshalb besonders für Kinder ein herber Verlust, dass die Märkte mit den bunten Buden, Weihnachtsmännern mit Rauschebart und Puppenspiel dieses Jahr rar sind?
Kinder seien relativ anpassungsfähig, meint Paganini, die selbst Mutter dreier Teenager ist. Mit Blick auf die Coronabeschränkungen sei es eben mehr die Aufgabe der Eltern, den Kindern Weihnachten als mystisches Fest zu gestalten.

Rückbesinnung auf das Zwischenmenschliche

Hier und da ist auch zu hören, dass es doch eigentlich nicht schlecht sei, wenn Rummel und Kommerz auf den Weihnachtsmärkten mal eine Pause einlegen. Der Kommerz verschwinde damit ja nicht, hält Paganini dagegen, sondern verschiebe sich dann einfach nur stärker ins Internet.
„Um das Weihnachtsfest wirklich anders anzugehen, weniger kommerziell, müsste man als Gesellschaft insgesamt umdenken. Da genügt es nicht, die Weihnachtsmärkte zuzusperren.“ Umdenken heißt für Paganini: sich mehr auf das Zwischenmenschliche konzentrieren und die Feiertag weniger zu einem Fest des Konsums zu machen.
Um das Fest anders anzugehen, müsste man als Gesellschaft umdenken. Märkte schließen nütze nichts.
Und bei allem dürfe man nicht vergessen, dass es auch viele Menschen gebe, für die Weihnachten und das ganz Drumherum eher eine Belastung sei – etwa, weil sie keine Familie oder Freunde hätten, mit denen sie die Feiertage verbringen könnten.
(mkn)

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