Weihrauch als Medikament

Von Sigrun Damas |
Weihrauch: Der kirchliche Feiertagsnebel kann mehr als seinen ganz speziellen Geruch auszusenden. Weihrauch war über viele Jahrhunderte eine gefragte Naturarznei. Und neueste Forschungen bestätigen sein medizinisches Potenzial.
Eine Krippe, ein Stall bei Bethlehem. Das Christuskind ist geboren, und die Drei Heiligen aus dem Morgenland bringen kostbare Gaben.

"Gold, Weihrauch und Myrrhe - es war alles gleichwertig. Weihrauch war so wertvoll wie Gold, weil er so schwer zu bekommen war, und weil man ihm so viele positive Wirkungen zugeschrieben hat."

Sagt Johannes Mayer, Medizinhistoriker an der Universität Würzburg. Weihrauch war eine gefragte Naturarznei, vor allem in Arabien, aber auch in Indien.

"Man hat ihn gegen alle Arten von Wunden eingesetzt, er war ein Allheilmittel für alle Hautprobleme. Man hat ihn auch als Schmerzmittel eingesetzt, gegen Kopfschmerzen, gegen Ohrenschmerzen. Und es heißt auch, dass er das Gedächtnis verbessern soll."

Der kostbare Weihrauchbaum wächst nur in Wüstenrandgebieten. Weihrauch ist deswegen schwer zu beschaffen. Und auch die Ernte seiner wirksamen Bestandteile ist mühsam. Zwei- bis dreimal muss die Rinde des Baumes angeritzt werden, dann tritt reines Weihrauchharz aus. Und dieses enthält ganz besondere Wirkstoffe. Die moderne Forschung bestätigt das. Der Pharmazeut Oliver Werz von der Universität Tübingen ist ihnen auf de Spur:

"Das Einzigartige am Weihrauch ist der hohe Gehalt an so genanten Boswelliasäuren. Und diese Boswelliasäuren wurden bisher in der Natur nur im Weihrauch nachgewiesen. Und wir haben in unseren Untersuchungen gefunden, dass diese Boswelliasäuren mit Entzündungsbotenstoffen konkurrieren und diese Botenstoffe hemmen. Und das ist der entscheidende Punkt."

Boswelliasäuren aus dem Weihrauchharz haben also die Fähigkeit, Entzündungen im Körper zu stoppen. Pharmazeut Werz nennt eine Reihe von Erkrankungen, zu deren Behandlung Boswelliasäuren in Zukunft eingesetzt werden könnten:

"Bei chronischen Entzündungen wie rheumatoide Arthritis, bei chronischen Rückenschmerzen, also chronischer Schmerz, bei Asthma möglicherweise auch – also allergische Reaktionen, bei Schuppenflechte, Neurodermitis – könnte Weihrauch eine gewissen therapeutische Wirksamkeit erzielen."

Noch ist es aber nicht so weit. Werz und sein Team konnten die anti-entzündlichen Wirkungen bisher erst im Reagenzglas nachweisen und im Tierversuch. Für eine Zulassung als Medikament reicht das nicht, erklärt Werner Knöss vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte:

"Um ein Medikament zuzulassen brauchen Sie Unterlagen, die die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit belegen. Und bei der Wirksamkeit gibt es bisher interessante Hinweise auf die Effekte von Boswelliasäuren. Es gibt auch kleinere klinische Studien. Aber zusammen sind diese Unterlagen bisher nicht so ausreichend."

In der Regel sind klinische Studien an mindestens 200 bis 300 Patienten nötig. Und die stehen noch aus. Weihrauch als Medizin ist deswegen aber kein Hokuspokus. Auch Werner Knöss hält die Forschungen daran für aussichtsreich:

"Das ist sicherlich eine der Pflanzen, wo es sich lohnt, Forschung zu betreiben. Und dann ist es durch aus denkbar, dass im Bereich von entzündlichen Erkrankungen Gebiete belegt werden."

In deutschen Apotheken stehen wegen der strengen Zulassungshürden also noch keine Weihrauchmedikamente. Man kann allerdings Präparate aus dem Ausland bekommen, wenn der Arzt sie verordnet und die Apotheke sie bestellt. Von Nahrungsergänzungsmitteln aus dem Internet raten Experten ab – wegen zu gering dosierter Wirkstoffe und mutmaßlicher Verunreinigungen. Das ist übrigens auch ein Grund, warum es vielen Kirchenbesuchern im Weihrauchnebel des Schwenkgefäßes schlecht wird, vermutet Medizinhistoriker und Ex-Messdiener Johannes Mayer:

"Das ist eine Mischung von Räucherwaren. Da sind auch andere Stoffe dabei. Und deswegen wird’s da auch den Leuten übel von. Von wirklich gereinigtem Weihrauch würd´s wohl kaum den Leuten schlecht werden."