Weil: Privatisierungs-Euphorie ist verflogen
Der Präsident des Verbandes Kommunaler Unternehmen und Oberbürgermeister von Hannover, Stephan Weil, geht davon aus, dass Städte und Gemeinden kommunale Dienstleistungen künftig verstärkt wieder selbst übernehmen. Das Auslaufen von Konzessionsverträgen werde in den Rathäusern als Gelegenheit zur "Rekommunalisierung" betrachtet, sagte der SPD-Politiker. Öffentliche Unternehmen hätte zudem einen Vertrauensvorsprung in der Bevölkerung gegenüber der privaten Konkurrenz.
Ostermann: Wie sich doch die Zeiten grundlegend ändern. Vor 10 oder 15 Jahren verkaufen die Kommunen städtische Unternehmen - wann immer sich für die Verkehrsbetriebe oder Stadtwerke Interessenten mit einem halbwegs vernünftigen Angebot melden, sie erhalten den Zuschlag. Und heute? Da möchten viele das Rad zurückdrehen, mancher spricht sogar von einer Renaissance des Staates. Stephan Weil ist Oberbürgermeister von Hannover und Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen und jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen, Herr Weil!
Stephan Weil: Guten Morgen!
Ostermann: Zum Nulltarif erhalten die Kommunen die einst privatisierten Unternehmen ja nicht zurück. Warum entscheiden sich trotzdem viele Lokalpolitiker, jetzt einen Rückzieher zu machen?
Weil: Es hat sich wirklich viel geändert in den letzten zehn Jahren. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass öffentliche Unternehmen nach allem, was wir wissen, einen deutlichen Vertrauensvorsprung vor der privaten Konkurrenz haben. Dazu kommt, dass die Kommunen in der Zwischenzeit gelernt haben, Klimaschutz ist eine absolut wichtige Aufgabe auch vor Ort, und dafür braucht man Instrumente und da sind häufig Stadtwerke absolut notwendig. Ja, und schließlich muss man auch nicht drumrum reden, es gibt einen erheblichen Druck auf die öffentlichen Kassen. Und die Gewinne, die kommunale Unternehmen erwirtschaften, die sind für die Finanzierung von öffentlichen Angeboten - von Schulen, von Kindertagesstätten - sehr willkommen.
Ostermann: Aber wenn jetzt verstärkt zurückgekauft wird, wer zahlt denn die Zeche, denn letztlich muss doch der Steuerzahler für die Kosten aufkommen?
Weil: Das hängt immer sehr vom Einzelfall ab. Es geht in vielen Fällen um auslaufende Konzessionsverträge, das heißt, die vorhandenen Netze sind da. Die haben die privaten Unternehmen für eine Zwischenzeit nutzen können, haben dafür wiederum Entgelte zahlen müssen. Und da ist es dann eine Kalkulation im jeweiligen Rathaus, ob das ein sicheres ertragreiches Geschäft ist, ob man ein Risiko eingeht, das ist immer eine Entscheidung vor Ort.
Ostermann: Herr Weil, mir ist noch nicht ganz klar, warum Privatisierungen heute nicht mehr so, sagen wir, gefragt sind wie vorher. Lassen sich da trotz regionaler Unterschiede klassische Fehler benennen?
Weil: Ich denke nicht, dass es Fehler sind, sondern man hat begriffen, dass ein aktiver Staat auch Instrumente braucht. Und in der Bevölkerung ist vielleicht noch sehr viel deutlicher als etwa vor zehn Jahren, dass es durchaus von Vorteil ist, wenn man mit einem Unternehmen zu tun hat, das vor Ort ist, das überschaubar ist, das auch kontrollierbar ist. Ich sag's Ihnen einfach mal an einem praktischen Beispiel: Energiepreiserhöhungen machen natürlich bei einem Stadtwerk genauso wenig Spaß wie bei einem großen Konzern. Aber mit meinem lokalen Stadtwerk, auch mit meinem Oberbürgermeister kann ich das vor Ort kritisch diskutieren, und ich habe nicht das Gefühl, dass ich irgendwelchen anonymen Konzernentscheidungen ausgeliefert bin.
Ostermann: Und ich kann ihn möglicherweise nach fünf Jahren abmahnen.
Weil: Zum Beispiel. Sogar abwählen.
Ostermann: Bei Ihnen im Verband kommunaler Unternehmen sind rund 1400 Unternehmen zusammengefasst, sie bezeichnen sich sogar schon als Gewinner der Krise. Was macht Sie da so sicher, wenn wir noch nicht einmal den Tiefpunkt der Wirtschaftskrise erreicht haben?
Weil: Ich kann anknüpfen an das, was ich eben gesagt habe. Ich glaube, dass gerade durch die Wirtschaftskrise bei vielen Menschen das Bedürfnis da ist, dass es nicht mehr um Spekulation, sondern um reale Wertschöpfung geht, und dass man es nicht mit überschaubaren, riesigen Wirtschaftseinheiten zu tun haben möchte, sondern mit kleinen Leistungswegen, aber eben auch kontrollierbaren Unternehmen vor Ort. Und das sind typischerweise Stadtwerke, Wasserwerke, Abfallentsorgungsunternehmen in kommunaler Hand. Das ist im Grunde genommen mittelständische Wirtschaft.
Ostermann: Haben Sie damit die entscheidenden Branchen genannt? Was ist mit den Bussen, mit dem Nahverkehr?
Weil: Auch da stellen wir fest, dass die Privatisierungseuphorie schon längst verflogen ist. Vor zehn Jahren, da bestand der Eindruck, man müsse alles an Externe vergeben, da sind viele öffentliche Aufgabenträger in den Rathäusern und in den Landräten sehr nachdenklich geworden.
Ostermann: Herr Weil, und Sie glauben, dieser positive Trend setzt sich fort? Das heißt 1400 Unternehmen sind es derzeit, wie sieht Ihre Perspektive mittelfristig aus?
Weil: Was wir wissen, ist, dass zum Beispiel in den nächsten Jahren mehrere Hundert Konzessionsverträge in Deutschland auslaufen und dass in sehr, sehr vielen Rathäusern in Deutschland sehr ernsthafte Prüfungen angestellt werden, ob man diese Gelegenheit nicht für eine Rekommunalisierung nutzen soll. Und das ist aus meiner Sicht ein sehr positiver Trend, der noch nicht abgeschlossen ist.
Stephan Weil: Guten Morgen!
Ostermann: Zum Nulltarif erhalten die Kommunen die einst privatisierten Unternehmen ja nicht zurück. Warum entscheiden sich trotzdem viele Lokalpolitiker, jetzt einen Rückzieher zu machen?
Weil: Es hat sich wirklich viel geändert in den letzten zehn Jahren. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass öffentliche Unternehmen nach allem, was wir wissen, einen deutlichen Vertrauensvorsprung vor der privaten Konkurrenz haben. Dazu kommt, dass die Kommunen in der Zwischenzeit gelernt haben, Klimaschutz ist eine absolut wichtige Aufgabe auch vor Ort, und dafür braucht man Instrumente und da sind häufig Stadtwerke absolut notwendig. Ja, und schließlich muss man auch nicht drumrum reden, es gibt einen erheblichen Druck auf die öffentlichen Kassen. Und die Gewinne, die kommunale Unternehmen erwirtschaften, die sind für die Finanzierung von öffentlichen Angeboten - von Schulen, von Kindertagesstätten - sehr willkommen.
Ostermann: Aber wenn jetzt verstärkt zurückgekauft wird, wer zahlt denn die Zeche, denn letztlich muss doch der Steuerzahler für die Kosten aufkommen?
Weil: Das hängt immer sehr vom Einzelfall ab. Es geht in vielen Fällen um auslaufende Konzessionsverträge, das heißt, die vorhandenen Netze sind da. Die haben die privaten Unternehmen für eine Zwischenzeit nutzen können, haben dafür wiederum Entgelte zahlen müssen. Und da ist es dann eine Kalkulation im jeweiligen Rathaus, ob das ein sicheres ertragreiches Geschäft ist, ob man ein Risiko eingeht, das ist immer eine Entscheidung vor Ort.
Ostermann: Herr Weil, mir ist noch nicht ganz klar, warum Privatisierungen heute nicht mehr so, sagen wir, gefragt sind wie vorher. Lassen sich da trotz regionaler Unterschiede klassische Fehler benennen?
Weil: Ich denke nicht, dass es Fehler sind, sondern man hat begriffen, dass ein aktiver Staat auch Instrumente braucht. Und in der Bevölkerung ist vielleicht noch sehr viel deutlicher als etwa vor zehn Jahren, dass es durchaus von Vorteil ist, wenn man mit einem Unternehmen zu tun hat, das vor Ort ist, das überschaubar ist, das auch kontrollierbar ist. Ich sag's Ihnen einfach mal an einem praktischen Beispiel: Energiepreiserhöhungen machen natürlich bei einem Stadtwerk genauso wenig Spaß wie bei einem großen Konzern. Aber mit meinem lokalen Stadtwerk, auch mit meinem Oberbürgermeister kann ich das vor Ort kritisch diskutieren, und ich habe nicht das Gefühl, dass ich irgendwelchen anonymen Konzernentscheidungen ausgeliefert bin.
Ostermann: Und ich kann ihn möglicherweise nach fünf Jahren abmahnen.
Weil: Zum Beispiel. Sogar abwählen.
Ostermann: Bei Ihnen im Verband kommunaler Unternehmen sind rund 1400 Unternehmen zusammengefasst, sie bezeichnen sich sogar schon als Gewinner der Krise. Was macht Sie da so sicher, wenn wir noch nicht einmal den Tiefpunkt der Wirtschaftskrise erreicht haben?
Weil: Ich kann anknüpfen an das, was ich eben gesagt habe. Ich glaube, dass gerade durch die Wirtschaftskrise bei vielen Menschen das Bedürfnis da ist, dass es nicht mehr um Spekulation, sondern um reale Wertschöpfung geht, und dass man es nicht mit überschaubaren, riesigen Wirtschaftseinheiten zu tun haben möchte, sondern mit kleinen Leistungswegen, aber eben auch kontrollierbaren Unternehmen vor Ort. Und das sind typischerweise Stadtwerke, Wasserwerke, Abfallentsorgungsunternehmen in kommunaler Hand. Das ist im Grunde genommen mittelständische Wirtschaft.
Ostermann: Haben Sie damit die entscheidenden Branchen genannt? Was ist mit den Bussen, mit dem Nahverkehr?
Weil: Auch da stellen wir fest, dass die Privatisierungseuphorie schon längst verflogen ist. Vor zehn Jahren, da bestand der Eindruck, man müsse alles an Externe vergeben, da sind viele öffentliche Aufgabenträger in den Rathäusern und in den Landräten sehr nachdenklich geworden.
Ostermann: Herr Weil, und Sie glauben, dieser positive Trend setzt sich fort? Das heißt 1400 Unternehmen sind es derzeit, wie sieht Ihre Perspektive mittelfristig aus?
Weil: Was wir wissen, ist, dass zum Beispiel in den nächsten Jahren mehrere Hundert Konzessionsverträge in Deutschland auslaufen und dass in sehr, sehr vielen Rathäusern in Deutschland sehr ernsthafte Prüfungen angestellt werden, ob man diese Gelegenheit nicht für eine Rekommunalisierung nutzen soll. Und das ist aus meiner Sicht ein sehr positiver Trend, der noch nicht abgeschlossen ist.