Heute vormittag fand in Kassel ´U.T.-Kino` eine Sondervorstellung des Fridericus-Rex-Films für die Kasseler Reichswehr statt. Teile der Regimenter 15 und 16 erschienen in geschlossenem Zuge unter Führung ihrer Offiziere. Außerdem erschienen zahlreiche hohe Offiziere mit Frauen und Töchtern. Mit Rücksicht auf die ganze Tendenz des Films hat diese Demonstration der Kasseler Reichswehr großes Befremden unter der Kasseler Bevölkerung hervorgerufen und das umso mehr, als noch nicht ein Fall bekannt geworden ist, daß die Kasseler Reichswehr es für notwendig gefunden hätte, an der Vorführung von Bildungsfilms geschlossen teilzunehmen.
Nationalismus im Film
(Regisseur und Drehbuchautor) rollen die Geschichte des jungen Königs ab, die ja an bewegenden Episoden reich genug ist, so ziemlich wie man sie in volkstümlichen Geschichtsbüchern zu lesen gewöhnt ist. Dabei ergeben sich eine Reihe sehr hübsche Landschafts- und Figurenbilder, die mit großem Geschick gestellt und photographiert sind.
(…) geschichtliche Treue nur auf Kostüme und Paläste anzuwenden, mit der Fälschung der Geschichte aber überall da zu operieren, wo dem monarchistischen Gedanken die Wahrheit nicht förderlich wäre. Daß der größte Teil des Volkes noch nicht imstande ist, aus aufgehäuftem Flittertand des Königtums den Pesthauch herauszuspüren, ist traurig, aber wahr!
Da sitzen allabendlich versammelt die reaktionären Kreise Berlins, die ‚Spitzen‘ der Potsdamer Gesellschaft, und unter ihnen ehemalige Hohenzollernprinzen, um nationale Demonstrationen zu veranstalten. Man singt während der Vorstellung des Films ‚Deutschland, Deutschland über alles‘ und ‚Heil dir im Siegerkranz‘ und läßt das Haus Hohenzollern hoch leben. Anders Gesinnte, die anläßlich dieser Demonstrationen nicht Hurra schreien oder sich nicht von den Plätzen erheben oder gar das Theater verlassen, setzen sich der Gefahr aus, verprügelt zu werden.
So werden wir in Kenntnis gesetzt von republikanischen Kundgebungen, die eine nach Tausenden zählende Menge in den letzten Tagen vor einem Lichtspieltheater am Kottbusser Damm veranstaltete, in dem der Fridericus-Film gespielt wurde.
Doch unser Berliner Polizeivater ist auf dem Posten. Ein auf Lastkraftwagen anrückendes Kommando der Schutzpolizei jagte die Menge auseinander und schließlich spielte man den Film unter dem Schutze von fünfundzwanzig zurückgelassenen Beamten weiter. Die Dinge stehen auf dem Kopf. (…)
Kann ein sozialdemokratischer Polizeipräsident nicht einsehen, daß der Republik keine Gefahr droht von Staatsbürgern, die für diese demonstrieren? Ist er so blind, um nicht zu merken, daß im Gegenteil dieser Film eine einzige, wütende Demonstration gegen die Republik und ihren Bestand ist? Wenn jemals die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährdet erschien, so durch den von allen Reaktionären bejubelten ‚Fridericus Rex‘.
100 Jahre politischer Mord in Deutschland
Eine Sendereihe von Deutschlandfunk Kultur in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung
Autorin: Elke Kimmel