Ein Raum für die Direktorenschaft der Zukunft
Die Weimarer Republik wurde dieser Tage 100 Jahre alt. Die Epoche begann mit dem Ende der Kaiserzeit am 9. November 1918. In Weimar selbst nahmen die Bürger den Rückblick zum Anlass für eine ganze Woche der Demokratie.
Ein Würfel aus eleganten grauen Stahlstreben entsteht auf dem Theaterplatz in Weimar, direkt gegenüber vom Deutschen Nationaltheater, vom Goethe- und Schiller-Denkmal, vor dem ehemaligen Bauhausmuseum. Am heiligen Ort der Klassik, der Moderne und der Demokratie. Ein paar Handwerker schrauben die Stahlprofile zusammen, ziehen Wände ein, unterstützt von Studenten der Bauhaus Universität. Mit dabei Gerrit Müller-Scheessel, der im 3. Semester Architektur studiert:
"Das ist im Prinzip die Nachbildung des Gropius-Zimmers, das Walter Gropius 1923 in der Bauhaus Universität entworfen hat. Und das gilt so ein bißchen als die erste ganzheitliche Raumkomposition der Moderne. Und wir haben das jetzt zum Anlass der "Woche der Demokratie" in die Öffentlichkeit geholt, weil das Zimmer ja in der Universität nur für wenige Leute zur Verfügung steht, und wir hier eben allen Leuten demokratisch den Zugang dazu gewähren wollten."
5 mal 5 mal 5 Meter – das sind die Originalmaße des Raumes, den der erste Bauhaus-Direktor Walter Gropius zur ersten Bauhaus-Ausstellung 1923 entworfen hat. Eine Designklassiker der Moderne. Das Mobiliar, Schreibtisch, Stuhl, Sessel, Sofa, wird auf dem Theaterplatz nur in seiner Kubatur angedeutet.
Unter Julia Heinemanns Regie ist das studentische Projekt entstanden:
"Das Gropius-Zimmer steht jetzt hier geöffnet als offene Raumskulptur auf diesem öffentlichen Platz und lädt ein, die Direktorenschaft der Zukunft zu übernehmen. Und wir haben dieses Direktorenzimmer hier auf diesen öffentlichen Platz gestellt, um zu sagen: Öffentliche Räume brauchen noch mal definierte öffentliche Räume, um sich zu treffen, um Aktionen voranzutreiben, um Kommunikation erst mal zu ermöglichen."
Fragezettel und provokante Thesen
Für die "Woche der Demokratie" – rund um den Staatsakt zum 100. Jubiläum der Nationalversammlung – war auch das Deutsche Nationaltheater gegenüber täglich ab Nachmittag geöffnet, haben viele Formate zur Partizipation angeregt. Es liegen Fragezettel aus: "Wie Demokratie in der Familie leben?" oder "Was ist wichtiger: Freiheit oder Gerechtigkeit?" Die Antworten hängen dann öffentlich aus. Auf den Leib des DNT werden provokante Thesen projiziert.
Und der Intendant des Hauses, Hasko Weber, wehrt sich gegen die oft geäußerte These, das ins Theater ohnehin nur die kommen, die der gleichen Meinung sind:
"Ja, ich kann es schon langsam nicht mehr hören! Weil: Wir haben 900 Plätze! Und da ist es absoluter Unsinn, dass dort nur Leute sitzen, die der gleichen Meinung sind. Also, wenn wir "Unterleuten" von Juli Zeh spielen, und das ist voll, dann drückt das natürlich was aus: Ein Riesen-Interesse am eigenen Status. Und selbst wenn es die sind, von denen man vielleicht denkt, dass die auch einer Meinung sind – welcher denn gleich, würde ich fragen!? –, wenn es sich trifft und man kann einen Impuls geben, dann nehmen diese Leute den auch mit nach draußen. Bei dem, was man hat, wer man ist und wofür man steht, das vielleicht deutlicher zu erkennen zu geben, auch über so eine Woche, halte ich für richtig."
Stabilität der demokratischen Verfassung
Neben den Stücken zum Thema aus dem Repertoire gab es drei Premieren, Schillers "Wilhelm Tell" darunter. In seiner sehr kurzweiligen Inszenierung stellte Regisseur Jan Neumann Fragen zum Verhältnis von Individuum, Gruppe und Nation, zum Widerstandsrecht und zu den Grenzen der direkten Demokratie.
Einer der Höhepunkte der "Woche der Demokratie" am Deutschen Nationaltheater Weimar war die Rede von Bundestagspräsident a.D. Norbert Lammert, der sich der Frage stellte, was die Stabilität einer liberalen Grundordnung erhält:
"Jedenfalls nicht der Verfassungstext, sondern die Entschlossenheit der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die Stabilität einer demokratischen Verfassung noch wichtiger zu finden als die jeweiligen eigenen politischen Präferenzen. Das kann man für eine Zumutung halten. Und in bestimmten, konkreten Situationen ist es auch eine! Aber sie ist die Voraussetzung dafür, einem ganzen Land, einer ganzen Gesellschaft und allen Menschen, die in ihr leben, größere und irreparablere Zumutungen zu ersparen."