In vino veritas
Alles, was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie an einem Ort gebündelt fanden! Wo anders als in der Weinstadt Bordeaux sollte sich solch ein Themenpark realisieren lassen? Die neue "Cité du Vin" lässt die Korken knallen.
Als wäre Bacchus in einem Ufo aus seinem Weinhimmel herabgestiegen und an der Garonne gelandet: Auf den ersten Blick wirkt die futuristische, bis zu 55 Meter hohe Konstruktion aus Aluminium, Glas und opakgoldfarbenen Verkleidungen wie ein Fremdkörper in der heruntergekommenen Industrielandschaft an den Ufern der braunen Fluten der Garonne.
Ufo mit Riesenschornstein oder Dekanter, also Karaffe zum Dekantieren von Wein? Gleich, was der Besucher denkt: Die 81-Millionen-Euro-Architektur sticht ins Auge und ist ganz im Geiste des Weines konzipiert. In einer Sonderausstellung der Fotografin Isabelle Rozenberg lässt sich die Entstehung des vom Pariser Architektenbüro XTU entworfenen Gebäudes nachvollziehen. Konzeptionell wurde die Cité du Vin von den Szenographen der britischen Agentur Casson Mann betreut.
Wie der Wein sich im Glas dreht – diese Bewegung wie bei einem Strudel stand hinter der Idee der Architekten, sagt Casson Mann Projektdirektor Gary Shelly. "Diese Idee haben wir auch für die inhaltliche Gestaltung aufgegriffen."
Die ersten Reben gab es in Georgien
So wie der sich im Glas drehende Wein seine Charaktereigenschaften entfaltet, wird der Besucher in die Geschichte und Kultur des Weines eingesogen, lernt Dinge, die selbst für Mitarbeiter Adrien überraschend waren:
"Man macht den Wein schon seit 6000 vor Christus. Wir denken, dass die ersten Reben wurden in Georgien, im Kaukasus gepflanzt."
Interaktiv mit einem eigens dafür konzipierten digitalen Begleiter in der Größe eines Smartphones kann der Besucher in acht Sprachen die Weinberge der Welt entdecken, Winzer aus allen Erdteilen hören, viel über die Herstellung und Vermarktung des Weins lernen, Robert Parker und anderen Weingurus und Sommeliers lauschen.
"Schon sehr schnell können Sie die Kunst des Entkorkens, Dekantierens und die Wahl der geeigneten Gläser lernen…"
Auf Riesenleinwänden wird eine fiktive Begegnung zwischen Voltaire, Thomas Jefferson, Churchill, Napoleon und anderen illustren Gestalten der Geschichte rund um den Wein initiiert.
Der Rebensaft in der Kunst, in der Religion, als Lebenskunst und –inhalt. Von einem einfühlsamen Konzept spricht Kulturdirektorin Laurence Chesneau Dupin:
"Das Ganze ist nicht didaktisch oder belehrend. Wir wollen das Interesse im Besucher wecken und seine Neugier befriedigen."
Und das in einem adäquaten Ambiente: Man wandert teils wie in einer Kathedrale unter den Holzbögen eines Riesenweinfasses, macht Entdeckungen zwischen als halbe Riesenflaschen aus Holz konzipierten Stationen, kann Pfeffer, Bleistift, Leder, Tabak und Früchte riechen, so seine Geruchssinne für Weinaromen schulen und die Farben der edlen Tropfen definieren.
Blindverkostung für die Wissbegierigen
Insgesamt 19 Anlaufstellen oder Interaktionspunkte gibt es für 20 Euro Eintritt, einen magischen Blick von der achten Etage, ein Restaurant auf der siebten und am Ende ein Glas Wein aus einer Auswahl vieler Lagen aus der ganzen Welt. Als Souvenir bietet der Shop 800 verschiedene Weine aus 80 weinerzeugenden Ländern. Für die ganz Wissbegierigen werden Blindverkostungsseminare und andere Wege zum Hochgenuss des Rebensaftes angeboten. Damit demjenigen, der dem Weingott Bacchus allzu sehr huldigt, keine Höllenpein droht, darf weiser Rat nicht fehlen.
"Zuviel Alkohol tötet, wie alles, was im Übermaß konsumiert wird, darauf weisen wir hin."
... sagt Laurence Chesneau Dupin.
Der Themenpark muss politisch korrekt bleiben, in der Hoffnung, dass die dargebotene Wertschätzung für das Winzerhandwerk, die kulturelle und gastronomische Bedeutung von Wein zu mehr Genuss, aber wohlgemerkt in Massen führt. Das ist natürlich auch gut für Frankreichs Weinumschlagsplatz Nummer eins. Bordeaux ist stolz darauf Bacchus UfO hierher gelotst und eine Einführung in die Welt des Weins eröffnet zu haben, die keine französische Nabelschau, sondern in dieser Form einzigartig, da allumfassend ist.
"Für die nicht Initiierten war es in Bordeaux schwierig, die Geschichte des Weins zu verstehen. Die Cité richtet sich an ein breites Publikum, vor allem an diejenigen, die den Wein nicht kennen."
... sagt Kulturdirektorin Laurence Chesneau Dupin.