Harvey Weinstein erneut vor Gericht

In New York wird der Prozess gegen den Ex-Filmproduzenten Harvey Weinstein neu aufgerollt. Das frühere Urteil zu 23 Jahren Haft wegen Sexualdelikten war 2024 wegen Verfahrensfehlern aufgehoben worden. Nun wird bald ein neues Urteil erwartet.
Der Filmproduzent Harvey Weinstein gehörte Jahrzehnte lang zu den mächtigsten Männern Hollywoods. Seinen Status nutzte er aus, um sich an jungen Frauen zu vergehen. 2017 erhoben mehr als 80 Frauen schwere Vorwürfe gegen ihn. Die #MeToo-Bewegung wurde geboren und ermutige Frauen auf der ganzen Welt, ihre Erfahrungen mit Machtmissbrauch und sexuellem Missbrauch in den sozialen Medien zu teilen.
Inhalt
Warum wurde das Urteil gegen Harvey Weinstein aufgehoben?
Im März 2020 wurde Harvey Weinstein in New York wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu 23 Jahren Haft verurteilt. Sieben Richter des New Yorker Berufungsgerichts haben dieses Urteil im April 2024 aufgehoben. Ihre Entscheidung fiel mit vier zu drei Stimmen knapp aus.
Als Grund für die Aufhebung des Urteils nannten die Richter einen schweren Verfahrensfehler. Die Anklage hatte sich im Prozess auch auf Zeugenaussagen gestützt, die nicht Teil der Anklage waren. Die Staatsanwaltschaft wollte mithilfe der weiteren Zeuginnen zeigen, dass Weinsteins Taten einem wiederkehrenden Muster folgen. Dies sei nicht zulässig, urteilte 2024 das Berufungsgericht.
„Die einzigen Beweise gegen den Angeklagten waren die Aussagen der Klägerinnen“, hieß es in der Begründung des Berufungsgerichts. Die zusätzlichen Zeuginnen hätten unrechtmäßig das Bild Weinsteins vor den Geschworenen geprägt.
Kommt Weinstein aus dem Gefängnis frei?
Harvey Weinstein bleibt weiterhin im Gefängnis, da er 2023 in einem Strafprozess in Los Angeles zu 16 Jahren Haft verurteilt wurde, die der 73-Jährige derzeit absitzt. Bei dem Fall ging es ebenfalls um Sexualverbrechen.
Neben Strafprozessen gibt es auch Zivilklagen gegen Weinstein. Im Oktober 2023 reichte die britische Schauspielerin Julia Ormond eine Klage in New York ein. Sie wirft Weinstein vor, er habe sie 1995 belästigt und zum Oralsex gezwungen.
Die Klage Ormonds richtet sich auch gegen die Walt Disney Company, Miramax und die Talentagentur Creative Artists Agency. Sie alle hätten von Weinsteins Übergriffen auf Frauen gewusst, die Frauen aber nicht geschützt, so Ormond.
Worum geht es im aktuellen Verfahren?
Im Zentrum des Prozesses stehen heute – genau wie 2020 – die Vorwürfe zweier Frauen: Weinstein soll im Jahr 2006 die Produktionsassistentin Mimi Haleyi zum Oralsex gezwungen und 2013 die Schauspielerin Jessica Mann vergewaltigt haben. Weinstein hat stets jede Schuld zurückgewiesen. Seine Anwälte betonen, die sexuellen Kontakte seien einvernehmlich gewesen.
Neben diesen beiden Anschuldigungen bringt die Staatsanwaltschaft einen weiteren Fall vor Gericht: Eine weitere Frau wirft Weinstein vor, sie 2006 zu Oralverkehr gezwungen zu haben. Sie hatte sich bereits vor dem ersten Prozess bei den Behörden gemeldet, ihre Aussagen wurden damals jedoch nicht berücksichtigt.
Während die Schuldsprüche des alten Verfahrens keine Rolle mehr spielen dürfen, bleiben die Freisprüche aus dem Jahr 2020 bestehen. Dazu zählt auch der Vorwurf des „raubtierhaften sexuellen Angriffs“. Dieser darf im neuen Prozess nicht neu verhandelt werden.
Wie ist Weinsteins Gesundheitszustand?
Der schlechte Gesundheitszustand Weinsteins sorgt seit Monaten für Diskussionen. Nach Angaben seines Teams leidet der ehemalige Hollywood-Mogul unter Bluthochdruck, Herzproblemen und Diabetes. Zuletzt wurde Berichten zufolge auch eine Leukämie-Erkrankung bestätigt.
Weinstein wurde mehrfach aus dem Gefängnis in Krankenhäuser verlegt. Der 73-Jährige tritt vor Gericht meist im Rollstuhl auf. Er bat den Richter, das Verfahren schnell zu starten, da ihm nicht mehr viel Zeit bliebe.
Warum war das ursprüngliche Urteil so bedeutend?
Harvey Weinstein galt als Prototyp des übergriffigen Mannes. Der Skandal um den US-Filmproduzenten hat die #MeToo-Bewegung ausgelöst und sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch zu einem gesellschaftlichen Thema gemacht.
Weltweit teilten Frauen, und auch einige Männer, ihre Erlebnisse. Dank der #MeToo-Bewegung wurden gesellschaftliche Normen und sexistische Verhaltensweisen hinterfragt.
Die Anschuldigungen gegen Weinstein zeigten auch, wie anfällig verschiedene gesellschaftliche Bereiche sind für Machtmissbrauch und damit verbundene sexualisierte Gewalt. In der Folge wurden gegen viele prominente Männer in Kultur, Politik und Gesellschaft Vorwürfe erhoben, darunter Bill Cosby oder Kevin Spacey.
Was bedeutete die Aufhebung des Urteils für Opfer sexualisierter Gewalt?
„In diesem Moment sind wir am Boden zerstört, es ist verheerend für die Opfer und für alle, die in dem ursprünglichen Urteil gegen Harvey Weinstein etwas Trost gefunden hatten“, sagte Terana Burke, Mitbegründerin der #MeToo-Bewegung, zur Aufhebung des Urteils 2024.
Dass das Weinstein-Urteil aufgehoben wurde, ist wenig ermutigend für Opfer sexualisierter Gewalt. Für sie ist es ohnehin schwierig, den Täter anzuklagen. Repräsentativen Befragungen zufolge erleben in Deutschland zwei von drei Frauen in ihrem Leben sexuelle Belästigung. Jede Siebte erleidet schwere sexualisierter Gewalt.
rey / pj