Weiss: Berliner Stadtschloss "neu bauen", nicht nachbauen
Die Vorsitzende des Vereins der Freunde der Nationalgalerie, Christina Weiss, spricht sich für eine Öffnung der "festgezurrten Kriterien" für den Bau des Berliner Stadtschlosses aus. Der Bundestagsbeschluss lasse viel mehr offen, als die Ausschreibung es gestattet habe.
Frank Meyer: Für das Großprojekt Berliner Stadtschloss gab es schwere Rückschläge in den letzten Wochen. Das Bundeskartellamt hat den Vertrag mit dem Architekten Franco Stella über den Bau des Stadtschlosses für ungültig erklärt, Fachleute sagen, jetzt müsste es einen ganz neuen Architekturwettbewerb für das Schloss geben. Zeitungen schreiben von einer unendlichen Skandalgeschichte mit Pannen, Vertuschungen und Misswirtschaft, was die Finanzierung des Stadtschlosses angeht. Und dann ist bis heute ungeklärt, wie man dieses neue Stadtschloss sinnvoll auslegen sollte für die geplante Nutzung für das Humboldt-Forum. In dieser Situation sagt Christina Weiss, Kulturstaatsministerin in der Regierung Schröder und heute die Vorsitzende des Vereins der Freunde der Nationalgalerie: Wir müssen neu nachdenken. Christina Weiss ist jetzt hier im Studio. Worüber genau müsste man denn jetzt neu nachdenken, was das Stadtschloss angeht?
Christina Weiss: Ich denke, es ist eine gute Gelegenheit, diese Zäsur mit den Problemen um den Architektenwettbewerb und die Entscheidung zu nutzen, um sich noch einmal ganz genau zu überlegen: Kann man beim bestehenden Wettbewerb vielleicht noch einmal ein paar festgefahrene, festgezogene Prämissen öffnen? Kann man vielleicht auch Entwürfe noch mal anschauen, die nicht alles eingehalten haben, was vorgeschrieben war, aber trotzdem hochinteressant sind? Ich würde das sehr, sehr gerne genutzt sehen, denn das Prinzip ist nicht zu ändern. Es gibt einen Bundestagsbeschluss, der in der Tat nur mit einer Stimme Mehrheit gefasst wurde, aber es gibt ihn und ein Bundestagsbeschluss hat Gesetzeskraft. Und darin lautet es: … eine Bebauung des Schlossareals unter Wahrung von drei historischen Fassaden. Das lässt viel mehr offen, als die Ausschreibung es dann tatsächlich gestattet hat.
Meyer: Können Sie das konkreter sagen, was man da öffnen könnte, was da anders gestaltet werden könnte?
Weiss: Ich glaube, man sollte ein bisschen stärker von dem Thema Nachbauen abrücken und sagen: neu bauen, aber zitieren. Also, es gibt kein Schloss mehr, es gibt nur noch wenige Schmuckelemente dieses alten Schlosses. Also, man darf in der Architektur durchaus auch witzig zitieren, man muss nicht so tun, als sei das alles nie zerstört worden.
Meyer: Also als Prinzip auch die Spuren der Geschichte sichtbar machen an diesem Bauwerk?
Weiss: Unbedingt. Ich finde, es ist ein Ort in der Stadt, es ist das Herz von Berlin, die Baukubatur ist natürlich ganz wichtig, um die urbane Situation wieder herzustellen, aber wie gebaut wird, wie zitiert wird, wie modern es … also, wie die Geste – zu zeigen, wir haben jetzt gebaut und erinnern uns aber an das Alte –, wie das zusammengeführt wird, ich denke, das würde sich lohnen, noch einmal einen Moment darüber nachzudenken.
Meyer: Und Sie hätten tatsächlich die Hoffnung, dass Sie dafür eine Mehrheit finden, auch wenn Sie sich den neuen Bundestag anschauen?
Weiss: Na ja, es ist natürlich auch ein fast grotesker Beweis dafür, was wir alle wissen: Ein Schloss lässt sich demokratisch nur sehr schwer errichten. Die Schlösser der Geschichte sind nicht durch Demokratie errichtet worden, sondern durch einen, der gesagt hat: Ich suche mir meinen Baumeister und ich lasse jetzt mein Schloss errichten. Das ist ein Problem. Das hätte man vielleicht auch am Anfang durchaus mal mitdiskutieren sollen. Aber das ist Beschluss, und ich denke, die Kreativität des Umgangs mit diesem Beschluss ist einfach noch nicht ausgereizt.
Meyer: Jetzt haben wir auch die Situation, bei der man sich immer mal wieder erstaunt die Augen reibt. Ich habe diese Festlegung des Bundeskartellamtes angesprochen, dass Franco Stella erst mal nicht der ausführende Architekt ist für dieses ganze Verfahren, und man hat dabei am Rande erfahren, dass das Bundesbauministerium, das für diesen ganzen Wettbewerb verantwortlich war, gar nicht genau hingeschaut hat: Durfte dieser Franco Stella, dieser Architekt, überhaupt teilnehmen an diesem ganzen Wettbewerb? Und man fragt sich – das Prestigeobjekt in Deutschland, und dann schaut das zuständige Bundesministerium gar nicht richtig hin? Wie wirkt das denn auf Sie?
Weiss: Das würde ich mir jetzt gar nicht anmaßen, dieses zu bestätigen. Das kann auch einfach eine Unterstellung sein. Es kann auch sein, dass einfach zu viele an diesem Projekt beteiligt waren.
Meyer: Bisher zuständig und der große Verfechter dieses Stadtschloss-Projektes war ja Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee, der auch immer wieder beschworen hat: Das Schloss wird 552 Millionen Euro kosten und nicht mehr, jedenfalls nicht mehr für die öffentliche Hand. Die Wochenzeitung "Die Zeit" hat geschrieben, im Bauministerium selbst kursieren intern längst höhere Summen, was auch viele andere Fachleute sagen. Würden Sie sich mal eine ehrliche Kostenrechnung wünschen?
Weiss: Erstens würde ich mir eine ehrliche Kostenrechnung wünschen, obwohl das in der Tat in der Politik dann nicht so gerne gesehen wird, weil die Wahrheit meistens wehtut. Zweitens kommt zu diesem demokratischen Faktor bei einem Schlossbau natürlich auch: Ein Schloss zu bauen, kann nicht heißen, an allen Kosten zu knausern, also, wenn es nun gebaut wird, hoffentlich für die nächsten 100 Jahre, dann muss die Kuppel auch stimmen, dann darf nicht bei der Kuppel schon wieder ein bisschen herumgebastelt werden – kann man es noch billiger machen, sieht es dann vielleicht trotzdem noch gut aus? Also, ich denke, auch da muss man eine Entscheidung treffen. Eine Kuppel, die wirklich eine Kuppel ist: entweder so gebaut wie die alte, oder ganz neu, aber eine Kuppel, oder eine Begrenzung dieses Schlosses.
Meyer: Die andere Seite des ganzen Problems ist ja die Nutzung. Man baut ein barockes Schloss wieder auf und will etwas ganz Modernes darin unterbringen, ein Museum außereuropäischer Kulturen ist ja als hauptsächliche Nutzung geplant für das Berliner Schloss. Und jetzt ist bis heute nicht klar, wie man eigentlich die Nutzung dieses Schlosses mit diesem Baukörper verbindet. Was denken Sie, wie sollte man da neu ansetzen?
Weiss: Das Nutzungskonzept ist schon sehr, sehr lange in den Grundzügen festgelegt, das ist sogar zu meiner Amtszeit noch geschehen, also, kein Museum, ich würde es nicht Museum nennen, das Humboldt-Forum soll ein Ort werden, wo der Blick auf die außereuropäischen Kulturen geleistet werden kann. In einer Welt, die durch und durch global geworden ist, ist das auch eine wunderbare Nutzung. Also, wir haben rundum die alte europäische Kunst, die alten außereuropäischen Kunstwerke, wir brauchen den Blick auch auf die Gegenwart der außereuropäischen Kulturen. Und das soll im Humboldt-Forum – neben der musealen Arbeit – geleistet werden durch Zeigen von Gegenwartskunst, durch Veranstaltungen aller Art.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, Christina Weiss ist bei uns zu Gast. Sie sind ja jetzt die Vorsitzende des Vereins der Freunde der Nationalgalerie. Wer im Berliner Bürgertum etwas auf sich hält, der ist Mitglied in diesem Verein, zahlt seine Beiträge dort. Die Replik der barocken Schlossfassade, die soll ja aus Spenden bezahlt werden, Spenden, die logischerweise zuallererst von den Berliner Bürgern kommen müssten, die etwas zu spenden haben. Was hören Sie denn aus Ihrem Verein heraus, von den Berliner Bürgern? Wie groß ist die Spendenbereitschaft für das Schloss?
Weiss: Das ist weniger die Sache eines Vereins, der sich der Förderung von Ausstellungen, von Kunstausstellungen verschrieben hat. Es wird natürlich überall in Berlin diskutiert, es ist auch ein Anfangsproblem bei der Schlossplanung. Dieses Versprechen eines anderen, privaten Vereines, 80 Millionen aufzutreiben, …
Meyer: Der Schlossförderverein.
Weiss: … des Schlossfördervereins, 80 Millionen aufzutreiben – das ist keine leichte Sache für ein Schloss, was sehr viel weniger mit der kulturellen Identität in dieser Stadt zusammenhängt, als zum Beispiel die Frauenkirche in Dresden. Also, der emotionale Faktor ist geringer. Und dann ist es schon sehr, sehr schwer, wirklich zu 80 Millionen zu kommen. Deshalb – es gibt ja einen Berliner Entwurf, der auch sagt, okay, die Schmuckelemente nach und nach anbringen, einen Basisbaukörper herstellen und die Schmuckelemente – je nachdem, wie bezahlt werden kann – nach und nach anbringen, was auch ein ganz kreativer Prozess einer Baugestaltung wäre.
Meyer: Und das würden Sie für realistischer halten, diese Idee?
Weiss: Ich finde das eine sehr gute Idee.
Meyer: Wenn wir mal den Blick vom Stadtschloss weg lenken auf ein anderes Museums-Großprojekt in Berlin, das Neue Museum, das steht wenige hundert Meter entfernt auf der Berliner Schlossinsel, in einer Woche wird es wiedereröffnet werden mit ganz großem Bahnhof, Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, wird die Eröffnungsrede halten. Wenn man etwas liest über das Neue Museum stößt man immer auf Begeisterung, was für ein wunderbarer Bau da wiedererstanden ist. Bei dem Stadtschloss haben wir diese unendliche Leidensgeschichte bis heute. Wie erklären Sie sich diesen Unterschied?
Weiss: Bei dem Neuen Museum hat der Architekt Chipperfield Mut bewiesen, richtig Mut. Es war nämlich nicht immer so, dass man auf Begeisterung stieß. Während der ganzen Bauphase gab es riesige Protestaktionen. Chipperfield hat riskiert, die Wunden eines Baukörpers, die ihm durch die Geschichtsabläufe zugefügt worden sind, sichtbar zu halten, die Schönheit des alten Bauwerkes auf der einen Seite, die Ergänzungen der Lücken durch neue Architektur auf der anderen Seite, und dazwischen sichtbar zu machen, zu halten, was zerstört worden ist und was noch erhalten worden ist. Und das hat so wunderbar funktioniert, war aber eine extrem mutige Tat der Architektur, wie man sie sehr selten findet. Es ist gelungen. Alle, die in dem Haus jemals drin waren, sind begeistert von diesen Durchblicken auf Geschichte, und nun beherbergt es natürlich auch noch wunderbarerweise das Museum für Vor- und Frühgeschichte und das Ägyptische Museum, auch Teile der Antiken, und es zeigt die Geschichte, was wir aus der Vor- und Frühgeschichte wissen, hat noch viel mit Scherben zu tun. Das, was in diesem Haus demonstriert wird, hat auch mit den Scherben der Geschichte, unserer Geschichte zu tun. Das ist eine unglaublich interessante, ein interessanter Zusammenklang.
Meyer: Ließe sich denn vom Neuen Museum, von diesem Rekonstruktionsprinzip, etwas übertragen auf das Stadtschloss, das ja in einer völlig anderen Situation steht, weil da kaum etwas erhalten ist vom alten Schloss?
Weiss: Das ist eben das Problem. Man kommt über die Debatte eines Nachbauens nicht wirklich raus. Aber deswegen gefällt mir eben die Idee auch so gut, einen Baukörper zu erstellen, der sehr wohl auf das Alte anspielt, aber als neuer sichtbar ist, und dass man die alten Elemente wirklich wie Zitate, aber nicht drangeklebt, sondern wie integrierte Zitate nach und nach ergänzt.
Meyer: Christina Weiss, herzlichen Dank für dieses Gespräch. Wir haben vor allem gesprochen über die Probleme beim Berliner Stadtschloss. Wir müssen neu nachdenken in dieser Situation, sagt Christina Weiss, die Vorsitzende des Vereins der Freunde der Nationalgalerie und frühere Kulturstaatsministerin.
Christina Weiss: Ich denke, es ist eine gute Gelegenheit, diese Zäsur mit den Problemen um den Architektenwettbewerb und die Entscheidung zu nutzen, um sich noch einmal ganz genau zu überlegen: Kann man beim bestehenden Wettbewerb vielleicht noch einmal ein paar festgefahrene, festgezogene Prämissen öffnen? Kann man vielleicht auch Entwürfe noch mal anschauen, die nicht alles eingehalten haben, was vorgeschrieben war, aber trotzdem hochinteressant sind? Ich würde das sehr, sehr gerne genutzt sehen, denn das Prinzip ist nicht zu ändern. Es gibt einen Bundestagsbeschluss, der in der Tat nur mit einer Stimme Mehrheit gefasst wurde, aber es gibt ihn und ein Bundestagsbeschluss hat Gesetzeskraft. Und darin lautet es: … eine Bebauung des Schlossareals unter Wahrung von drei historischen Fassaden. Das lässt viel mehr offen, als die Ausschreibung es dann tatsächlich gestattet hat.
Meyer: Können Sie das konkreter sagen, was man da öffnen könnte, was da anders gestaltet werden könnte?
Weiss: Ich glaube, man sollte ein bisschen stärker von dem Thema Nachbauen abrücken und sagen: neu bauen, aber zitieren. Also, es gibt kein Schloss mehr, es gibt nur noch wenige Schmuckelemente dieses alten Schlosses. Also, man darf in der Architektur durchaus auch witzig zitieren, man muss nicht so tun, als sei das alles nie zerstört worden.
Meyer: Also als Prinzip auch die Spuren der Geschichte sichtbar machen an diesem Bauwerk?
Weiss: Unbedingt. Ich finde, es ist ein Ort in der Stadt, es ist das Herz von Berlin, die Baukubatur ist natürlich ganz wichtig, um die urbane Situation wieder herzustellen, aber wie gebaut wird, wie zitiert wird, wie modern es … also, wie die Geste – zu zeigen, wir haben jetzt gebaut und erinnern uns aber an das Alte –, wie das zusammengeführt wird, ich denke, das würde sich lohnen, noch einmal einen Moment darüber nachzudenken.
Meyer: Und Sie hätten tatsächlich die Hoffnung, dass Sie dafür eine Mehrheit finden, auch wenn Sie sich den neuen Bundestag anschauen?
Weiss: Na ja, es ist natürlich auch ein fast grotesker Beweis dafür, was wir alle wissen: Ein Schloss lässt sich demokratisch nur sehr schwer errichten. Die Schlösser der Geschichte sind nicht durch Demokratie errichtet worden, sondern durch einen, der gesagt hat: Ich suche mir meinen Baumeister und ich lasse jetzt mein Schloss errichten. Das ist ein Problem. Das hätte man vielleicht auch am Anfang durchaus mal mitdiskutieren sollen. Aber das ist Beschluss, und ich denke, die Kreativität des Umgangs mit diesem Beschluss ist einfach noch nicht ausgereizt.
Meyer: Jetzt haben wir auch die Situation, bei der man sich immer mal wieder erstaunt die Augen reibt. Ich habe diese Festlegung des Bundeskartellamtes angesprochen, dass Franco Stella erst mal nicht der ausführende Architekt ist für dieses ganze Verfahren, und man hat dabei am Rande erfahren, dass das Bundesbauministerium, das für diesen ganzen Wettbewerb verantwortlich war, gar nicht genau hingeschaut hat: Durfte dieser Franco Stella, dieser Architekt, überhaupt teilnehmen an diesem ganzen Wettbewerb? Und man fragt sich – das Prestigeobjekt in Deutschland, und dann schaut das zuständige Bundesministerium gar nicht richtig hin? Wie wirkt das denn auf Sie?
Weiss: Das würde ich mir jetzt gar nicht anmaßen, dieses zu bestätigen. Das kann auch einfach eine Unterstellung sein. Es kann auch sein, dass einfach zu viele an diesem Projekt beteiligt waren.
Meyer: Bisher zuständig und der große Verfechter dieses Stadtschloss-Projektes war ja Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee, der auch immer wieder beschworen hat: Das Schloss wird 552 Millionen Euro kosten und nicht mehr, jedenfalls nicht mehr für die öffentliche Hand. Die Wochenzeitung "Die Zeit" hat geschrieben, im Bauministerium selbst kursieren intern längst höhere Summen, was auch viele andere Fachleute sagen. Würden Sie sich mal eine ehrliche Kostenrechnung wünschen?
Weiss: Erstens würde ich mir eine ehrliche Kostenrechnung wünschen, obwohl das in der Tat in der Politik dann nicht so gerne gesehen wird, weil die Wahrheit meistens wehtut. Zweitens kommt zu diesem demokratischen Faktor bei einem Schlossbau natürlich auch: Ein Schloss zu bauen, kann nicht heißen, an allen Kosten zu knausern, also, wenn es nun gebaut wird, hoffentlich für die nächsten 100 Jahre, dann muss die Kuppel auch stimmen, dann darf nicht bei der Kuppel schon wieder ein bisschen herumgebastelt werden – kann man es noch billiger machen, sieht es dann vielleicht trotzdem noch gut aus? Also, ich denke, auch da muss man eine Entscheidung treffen. Eine Kuppel, die wirklich eine Kuppel ist: entweder so gebaut wie die alte, oder ganz neu, aber eine Kuppel, oder eine Begrenzung dieses Schlosses.
Meyer: Die andere Seite des ganzen Problems ist ja die Nutzung. Man baut ein barockes Schloss wieder auf und will etwas ganz Modernes darin unterbringen, ein Museum außereuropäischer Kulturen ist ja als hauptsächliche Nutzung geplant für das Berliner Schloss. Und jetzt ist bis heute nicht klar, wie man eigentlich die Nutzung dieses Schlosses mit diesem Baukörper verbindet. Was denken Sie, wie sollte man da neu ansetzen?
Weiss: Das Nutzungskonzept ist schon sehr, sehr lange in den Grundzügen festgelegt, das ist sogar zu meiner Amtszeit noch geschehen, also, kein Museum, ich würde es nicht Museum nennen, das Humboldt-Forum soll ein Ort werden, wo der Blick auf die außereuropäischen Kulturen geleistet werden kann. In einer Welt, die durch und durch global geworden ist, ist das auch eine wunderbare Nutzung. Also, wir haben rundum die alte europäische Kunst, die alten außereuropäischen Kunstwerke, wir brauchen den Blick auch auf die Gegenwart der außereuropäischen Kulturen. Und das soll im Humboldt-Forum – neben der musealen Arbeit – geleistet werden durch Zeigen von Gegenwartskunst, durch Veranstaltungen aller Art.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, Christina Weiss ist bei uns zu Gast. Sie sind ja jetzt die Vorsitzende des Vereins der Freunde der Nationalgalerie. Wer im Berliner Bürgertum etwas auf sich hält, der ist Mitglied in diesem Verein, zahlt seine Beiträge dort. Die Replik der barocken Schlossfassade, die soll ja aus Spenden bezahlt werden, Spenden, die logischerweise zuallererst von den Berliner Bürgern kommen müssten, die etwas zu spenden haben. Was hören Sie denn aus Ihrem Verein heraus, von den Berliner Bürgern? Wie groß ist die Spendenbereitschaft für das Schloss?
Weiss: Das ist weniger die Sache eines Vereins, der sich der Förderung von Ausstellungen, von Kunstausstellungen verschrieben hat. Es wird natürlich überall in Berlin diskutiert, es ist auch ein Anfangsproblem bei der Schlossplanung. Dieses Versprechen eines anderen, privaten Vereines, 80 Millionen aufzutreiben, …
Meyer: Der Schlossförderverein.
Weiss: … des Schlossfördervereins, 80 Millionen aufzutreiben – das ist keine leichte Sache für ein Schloss, was sehr viel weniger mit der kulturellen Identität in dieser Stadt zusammenhängt, als zum Beispiel die Frauenkirche in Dresden. Also, der emotionale Faktor ist geringer. Und dann ist es schon sehr, sehr schwer, wirklich zu 80 Millionen zu kommen. Deshalb – es gibt ja einen Berliner Entwurf, der auch sagt, okay, die Schmuckelemente nach und nach anbringen, einen Basisbaukörper herstellen und die Schmuckelemente – je nachdem, wie bezahlt werden kann – nach und nach anbringen, was auch ein ganz kreativer Prozess einer Baugestaltung wäre.
Meyer: Und das würden Sie für realistischer halten, diese Idee?
Weiss: Ich finde das eine sehr gute Idee.
Meyer: Wenn wir mal den Blick vom Stadtschloss weg lenken auf ein anderes Museums-Großprojekt in Berlin, das Neue Museum, das steht wenige hundert Meter entfernt auf der Berliner Schlossinsel, in einer Woche wird es wiedereröffnet werden mit ganz großem Bahnhof, Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, wird die Eröffnungsrede halten. Wenn man etwas liest über das Neue Museum stößt man immer auf Begeisterung, was für ein wunderbarer Bau da wiedererstanden ist. Bei dem Stadtschloss haben wir diese unendliche Leidensgeschichte bis heute. Wie erklären Sie sich diesen Unterschied?
Weiss: Bei dem Neuen Museum hat der Architekt Chipperfield Mut bewiesen, richtig Mut. Es war nämlich nicht immer so, dass man auf Begeisterung stieß. Während der ganzen Bauphase gab es riesige Protestaktionen. Chipperfield hat riskiert, die Wunden eines Baukörpers, die ihm durch die Geschichtsabläufe zugefügt worden sind, sichtbar zu halten, die Schönheit des alten Bauwerkes auf der einen Seite, die Ergänzungen der Lücken durch neue Architektur auf der anderen Seite, und dazwischen sichtbar zu machen, zu halten, was zerstört worden ist und was noch erhalten worden ist. Und das hat so wunderbar funktioniert, war aber eine extrem mutige Tat der Architektur, wie man sie sehr selten findet. Es ist gelungen. Alle, die in dem Haus jemals drin waren, sind begeistert von diesen Durchblicken auf Geschichte, und nun beherbergt es natürlich auch noch wunderbarerweise das Museum für Vor- und Frühgeschichte und das Ägyptische Museum, auch Teile der Antiken, und es zeigt die Geschichte, was wir aus der Vor- und Frühgeschichte wissen, hat noch viel mit Scherben zu tun. Das, was in diesem Haus demonstriert wird, hat auch mit den Scherben der Geschichte, unserer Geschichte zu tun. Das ist eine unglaublich interessante, ein interessanter Zusammenklang.
Meyer: Ließe sich denn vom Neuen Museum, von diesem Rekonstruktionsprinzip, etwas übertragen auf das Stadtschloss, das ja in einer völlig anderen Situation steht, weil da kaum etwas erhalten ist vom alten Schloss?
Weiss: Das ist eben das Problem. Man kommt über die Debatte eines Nachbauens nicht wirklich raus. Aber deswegen gefällt mir eben die Idee auch so gut, einen Baukörper zu erstellen, der sehr wohl auf das Alte anspielt, aber als neuer sichtbar ist, und dass man die alten Elemente wirklich wie Zitate, aber nicht drangeklebt, sondern wie integrierte Zitate nach und nach ergänzt.
Meyer: Christina Weiss, herzlichen Dank für dieses Gespräch. Wir haben vor allem gesprochen über die Probleme beim Berliner Stadtschloss. Wir müssen neu nachdenken in dieser Situation, sagt Christina Weiss, die Vorsitzende des Vereins der Freunde der Nationalgalerie und frühere Kulturstaatsministerin.