Weite Wege

Das Wort vom "Ärztenotstand" macht in Ostdeutschland die Runde. Vor allem auf dem Lande schließen alte Ärzte ihre Praxen, junge Weißkittel meiden strukturschwache Regionen, so mancher Gegend droht eine Unterversorgung. Lange Arbeitstage, Ostvergütung und nicht gerade viele zahlungskräftige Privatpatienten sind die die Regel. Visite bei einem Landarzt und einem Patienten.
Der Landarzt in Mecklenburg-Vorpommern

Von Knut Benzner

"Ja, heute ist Mittwochnachmittag ja, ein Nachmittag, der eigentlich Sprechstunden frei ist, und äh, wo eben die Hausbesuche auch eben ein bisschen mehr im Vordergrund stehen. "

In einer Praxis in Grevesmühlen.

" Nun, äh, äh, eigentlich noch kleinstädtisch, mit einem dörflichen Umland, die grobe Zahl liegt immer bei 18.000 unseres Versorgungsbereichs, den wir uns mit zur Zeit wohl etwa sieben Allgemeinmedizinern teilen, und die Patienten versorgen. "

Grevesmühlen, Kreisstadt in Nordwest-Mecklenburg. 11.000 Einwohner. Bis zur Ostsee sind es zwölf Kilometer, nach Wismar auch, nach Schwerin ein paar mehr.
In Mecklenburg-Vorpommern gehen in den nächsten fünf bis sieben Jahren 53,6 Prozent der Allgemeinmediziner in Rente. Das entspricht 545 Ärzten.
140 Arztpraxen können schon heute nicht mehr besetzt werden, 161 der tätigen niedergelassenen Hausärzte sind bereits mindestens 65 Jahre und damit im Rentenalter.
Dr. Günter Möller ist einer der Allgemeinmediziner, die eigentlich in Rente gehen könnten.

"Eigentlich könnte ich schon in Rente gehen. Aber aus vielerlei Gründen, auch ökonomischen Gründen muss man noch ein bisschen weiter arbeiten. Und da die Frage der Ablösung auch nicht geklärt ist, ergibt sich daraus auch noch ein längeres Arbeiten. "

Günter Möller, geboren bei Teterow, östliches Mecklenburg, ist Jahrgang 1939, somit inzwischen 66 – und seit sage und schreibe 40 Jahren hier im Ort. Morgens um halb sieben fängt er an, gegen sieben des Abends ist er normaler Weise zu Hause. 20.000 Kilometer für die Patientenbesuche im Jahr, in einem Radius von 20 Kilometern um Grevesmühlen herum. Der von ihm erwähnte ökonomische Grund seiner Weiterarbeit statt Rente: Die Praxis war teuer. Und die Frage der Ablösung, somit seines Nachfolgers: Eine Praxis hat zwei Werte, den materiellen und den ideellen. Der materielle hat keinen Wert, da die Praxis in der Regel abgeschrieben ist. Der ideelle sind die Patienten. Ein Nachfolger könnte dort anfangen, wo Möller aufgehört hat. Kein Nachfolger, kein Ablösegeld.
Möller hat um die 1000 Patienten pro Quartal.

"Ja. "

Das ist 'ne Menge.

"Das is 'ne ganze Menge, aber ich bin nicht der Spitzenreiter, nicht, das ist also... "

Heute Nachmittag stehen neun Patienten auf seinem Plan.
Möller, blond, Brille, Bart, er hätte auch Seemann werden können, Möller zieht sich um, das heißt, er legt seinen schneeweißen Arztkittel ab und schlüpft in ein Polo-Hemd, ... schließt seinen Koffer,... verabschiedet sich von seinen beiden Sprechstundenhilfen, und los geht’s.

" Da sehen Sie gleich mal 'n Landarztauto, das ist immer nicht ganz sauber. "

Da sehen Sie, sagte Möller, gleich mal 'n Landarztauto, das sei immer nicht ganz sauber. Ein Jeep, sein Auto, kurz und kompakt. Die Rückbank umgeklappt, Freisprechanlage, Regenschirm, in der Ablage der Beifahrertür steckt, zusammen gefaltet, eine Signalweste, leuchtend rot.

Die ersten Patienten sind noch im Ort.

"Dies ist ein Ehepaar, älteres Ehepaar mit Bluthochdruck und Zuckerkrankheiten. "

Der Doktor und die Patienten snacken platt.
Nächste Patientin.

"Ja, das ist auch eine Diabetikerin, gleichzeitig hoher Blutdruck, die üblichen Kontrollen, Grippeimpfung, wie das jetzt um diese Jahreszeit so üblich ist, nech. "

Er nimmt sich Zeit. Er muss sich Zeit nehmen.

"Ich muss mir Zeit nehmen, aber ich muss auch natürlich auf eine gewisse Ökonomie der Zeit achten, nich, Ich muss es ja auch schaffen, im Laufe des Tages, nich, also das heißt, es muss so eingeteilt werden, dass ich heute mal für einen Patienten etwas mehr Zeit habe, bei andern geht’s dann etwas schneller, und beim andern Mal ist das dann eben anders herum, nech. Das ist eine Frage der Organisation, nech. "

Und der Doktor, die Patienten sprechen ihn mit "Herr Doktor" an und nicht mit "Herr Dr. Möller", der Doktor kommt quasi gleich nach dem Bürgermeister, dem Feuerwehrhauptmann und dem Schützenkönig.

"Och. Ich denke, er ist mit dem Pastor auf eine Stufe zu stellen, weil wir, und das ist eigentlich immer meine Aufgabe und meine Auffassung gewesen, dass wir einen wesentlichen Teil seelsorgerischer Arbeit auch machen, wenn auch vielleicht nicht immer mit kirchlichem Hintergrund, das muss ja auch nicht sein, aber wir sind eben da für die Nöte unserer Patienten, ob sie im Kopf sind oder in den Beinen. "

Weiter.
Möller muss zuhören und reden. Nicht zuletzt über die zehn Euro, die er kassieren muss und die manchmal nicht da sind.
Kann er sich daran erinnern, wie viele Kinder er zur Welt gebracht hat?

"Ja, kann ich mich gut dran erinnern: Keins. - Also ich bin noch nie in die Verlegenheit einer akuten Geburt gekommen. "

Und wie viele Menschen hat er in den Tod begleitet?

"Haaa, nee, das kann ich nicht sagen, das sind sicher viele gewesen, nech, aber, äh, das is’ so. ... aber, nein, aber Zahlen. "

"Sie haben Mittag gegessen? Ja. Ja, das macht nichts, dann nehmen wir’s nächste mal."

Zuhören und Reden.
Gerade eben ist das Bild des Fernsehgerätes zu Schnee geworden.

"Ja, ja das ist aber dann nich’ Ihr Fernseher, ne, sondern das hat was mit der Antenne zu tun. Ja. "

Gleich nach dem ersten Klingeln ging die Tür auf. Man wartet auf den Arzt. Vier Medikamentenpackungen auf dem Wohnzimmertisch, die Persianerkatze schleicht sich davon.
Es geht auf’s Dorf.

Möller hält vor einem alten Siedlungshaus, gegenüber ein noch älteres Gut.

"Wir waren ein wenig außerhalb, und wir fahren jetzt auch noch ´n Stückchen weiter. "

Was war hier?

"Ja, is' auch ein Ehepaar, sie is' Herzkrank nach Infarkt und er Zuckerkrank, Blasenkrebs und äh... "

Früher, meint Möller, habe er den Tod beiseite geschoben. Dann, im Alter, lebte er mit ihm. Und manchmal sterben Menschen, die er 20, 25 Jahre und länger behandelt hat.

"Wir sind jetzt in Veelböken, das gehört auch noch zu unserem Landkreis, aber ist ja doch ´n bisschen weiter von Grevesmühlen weg, gute 20 Kilometer und hier ist eine meiner alten Patienten, die nach ihrer Häuslichkeit eben in’s Pflegeheim gekommen ist, nech. "

Es gibt eine relativ banale Voraussetzung für seine momentane Tätigkeit: Man sollte die Gegend kennen.
Und dann machen sich die Vorteile eines Jeeps bemerkbar.
Zweieinhalb Stunden später. Zurück in Grevesmühlen. Ortsrand. Eine Anlage der Kommune für altersgerechtes Wohnen.

"Ja, noch zwei Hausbesuche und dann folgt die leidige Bürokratie. "

Schreibtischarbeit.
Aber erst in die Anlage.

Und zum vorletzten Patienten.
Der letzte wird nicht da sein. Wahrscheinlich, vermutet Möller, hat er früher mit ihm gerechnet und ist nun Kaffee trinken.

"Ja, ha, ha. Heute, heute bin ich ´n bisschen später als sonst, jaha, das stimmt, hahahaha. "

Blutdruck, noch mal Grippeimpfung...

" Gut, jaha. "

Das war's. Halb fünf, fünf.
Vor Möllers Praxis. Wie gesagt: Jetzt folgt die Schreibtischarbeit
Wie war der Nachmittag?

"Für mich war's ein ganz normaler, etwas anstrengender, aber ganz normaler Nachmittag. Das ist unser Leben. "


Der Patient in Sachsen

Von Alexandra Gerlach

"So, das war's,… sie können jetzt noch mal im Warteraum Platz nehmen, bis der Doktor Sie dann aufruft, …"

Es ist später Nachmittag, im sächsischen Torgau-Nord. Die kleine Angie sitzt im Wartezimmer der Praxis von Dr. Klaus Wagner und singt. Gemeinsam mit ihrer Großmutter wartet sie darauf, dass der Großvater in das Sprechzimmer des Arztes gerufen wird. Die drei sind ohne Voranmeldung in die Stadt gefahren, der Großvater braucht Tabletten und ein Rezept:

"Wenn Sie zum Arzt gehen, müssen Sie da lange auf einen Termin warten? "

Großvater: "Eigentlich nicht, ich habe keinen Termin, und bin so gekommen, und hoffe, dass ich nicht lange warten brauche.

Und wie ist das bei anderen Ärzten, wo sie hingehen? Zahnarzt, etc,. geht das schnell?

Ja, geht schnell, also wir haben unseren, wo wir immer hin gehen, unseren Stammzahnarzt, und dann gibt’s Termine, und es geht schnell. "

Doch ganz so unkompliziert ist es dann bei genauerem Hinsehen doch nicht. Wartezeiten bei den Fachärzten sind zwar nicht sein Problem, wohl aber die Tatsache, dass er neuerdings für ein einfaches Rezept erst mal einige Kilometer in die Stadt fahren muss. Der Ärztemangel vor allem bei Hausärzten ist im Landkreis Torgau-Oschatz besonders krass:

Großvater: "Tja, das ist eine Geschichte. Jeder fährt eine Strecke von 22 Kilometern, weil es auf dem Land überhaupt keinen Arzt mehr gibt. Alles durch die Super-Marktwirtschaft zur Seite geschafft worden, so da müssen wir eben vom Land hierein fahren, ne…., 22 Kilometer. Und wenn ich dann mal nicht mehr kann, ist er aus der Ofen,…
Na, wir haben nichts mehr auf dem Land, keinen Konsum, keinen Arzt, keine Sparkasse. "

Der Landkreis Torgau-Oschatz gilt im sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesundheit als Notstandsregion, weil die Hausarztversorgung unter 75 Prozent des Durchschnitts abgesackt ist. Es ist nur einer von insgesamt vier Notstandsbezirken im Freistaat. Hier greift die demographische Entwicklung schneller als in anderen Bundesländern. Die niedergelassenen Ärzte gelangen gleich zu Dutzenden ins Rentenalter, und schließen ihre Praxen, wenn sie keinen Nachfolger finden. In den nächsten fünf bis acht Jahren wird sich die Lage nach den Worten der Ministerin, Helma Orosz, weiter verschärfen und Sachsen fällt eine Vorreiterrolle in Deutschland zu:

Ministerin Orosz: "Und wir sind im Moment, wenn wir Gesamtdeutschland betrachten, die, die zuerst betroffen sind, aufgrund der demographischen Entwicklung, aufgrund der Situation im niedergelassenen Bereich vor Ort. Die große Welle der Pensionseinstiege, der Berentung der niedergelassenen Ärzte wird uns über kurz oder lang überrollen. "

Das bedeutet, dass in den nächsten fünf Jahren 38,5 Prozent der niedergelassenen Hausärzte im Freistaat aus Altersgründen ihre Zulassung zurückgeben werden. Das hat die Kassenärztliche Vereinigung errechnet. Die Folgen sind sowohl in Torgau-Nord als auch in Meissen deutlich sichtbar. Während im Torgauer Ärztehaus mitten im Neubaugebiet aus DDR-Zeiten der Leerstand zunimmt – nur noch drei der insgesamt acht Praxen sind belegt, können sich die beiden Ärztinnen der Meissener Gemeinschaftspraxis Stein und Taubenheim vor Patienten kaum retten. Schwester Gabriele schaut in ihr Terminbuch:

Schwester Gabriele: "Es schwankt natürlich. Am Anfang des Quartals sind es mehr, da kommen wir also auf 100 Patienten schon, so wie gestern, zum Beispiel. 111 können wir sagen, aber es ist so ungünstig, wenn es so viele Leute sind, das kann man ja gar nicht erarbeiten in den Stunden. "

Abgewiesen wird hier trotzdem niemand. Wer akute Beschwerden hat sowieso nicht, und für die Terminvergabe in anderen Fällen gilt:

Schwester Gabriele: "Wenn Sie hier in Behandlung sind, können sie heute noch kommen. Als Neupatient ist es individuell, je nachdem, wie voll das Sprechstundenbuch ist, ein bis zwei Wochen, aber wir haben reichlich eigene Patienten. Es sind schon über 1000 jedes Quartal, da können Sie sich vorstellen, die Akten sind gefüllt, hier untern, und oben auf dem Boden genauso, die die alle Jahren mal kommen, das ist schon abgelagert, also große Archive, also wir haben jede Menge…"

Neuerdings kommen immer wieder Patienten hinzu, die ihren Hausarzt durch Praxisaufgabe verloren haben. Zuletzt waren es rund 100 für diese Praxis. Die meisten kommen aus dem Umland und müssen nun weite Wege in Kauf nehmen. Die Patienten, die sich an diesem Tag auf den Weg in das Ärztehaus am Robert-Koch-Platz in Meissen machen, sind dennoch zufrieden mit ihrer ärztlichen Versorgung. Terminprobleme kennen sie offenbar nicht:

Patientinnen-Umfrage: "
Für mich nicht, bin in der AOK versichert, bekomme meine Termine bei der Internistin, beim Orthopäden,…ich habe meine Ärztin, die Frau Dr. Stein, haben meinen Zahnarzt und bin eigentlich zufrieden, na, beim Orthopäden dauert es etwas länger, aber bei Frau Dr. Stein gibt es gar kein Problem.
Ich ruf an, ich bin Dauerpatient, und dann klappt das, ohne Probleme. "

Zurück nach Torgau: Die kleine Angie singt immer noch, und der Großvater hat nun nach mehr als einer guten Stunde Wartezeit seinen Vorstellungstermin bei Dr. Wagner.
Wagner ist 47 Jahre alt und stammt eigentlich aus Baden-Württemberg. Wie ein Zugvogel ist er seit dem Ende seines Medizinstudiums, Mitte der 80ger Jahre, durch die Lande gezogen. Er hat im In- und Ausland gearbeitet, in Kliniken und Praxen Erfahrungen gesammelt und sich mit Vertretungen über Wasser gehalten, bis er sich schließlich vor einigen Jahren in Bad Lauchstädt, in Sachsen-Anhalt erstmalig niederlassen konnte. Doch die Bedingungen dort waren nicht günstig, die Ablöse- und Renovierungskosten für einen altersschwachen Ambulanzbau schienen ihm ein zu großes wirtschaftliches Wagnis, um zu bleiben. Da kam das Angebot aus Sachsen, sich die Niederlassung im Notstandsgebiet Torgau-Oschatz mit einer Prämie, in Höhe von insgesamt 60.000 Euro versüßen zu lassen, gerade recht:

Wagner: "Ja, das war für mich der hauptsächliche Anreiz, hierher zu kommen. Die Erwartungen haben sich nicht ganz erfüllt, weil die Unterstützungszahlungen nicht dann geleistet werden, wenn man sie am dringendsten benötigt, nämlich in der Zeit, kurz bevor man sich niederlässt, und kurz bevor man die Praxis aufmacht, bzw. während man dann angefangen hat zu arbeiten, ohne noch irgend etwas von dem Geld bekommen zu haben. … Bei mir war es dann so, dass doch ein erstaunlich hoher Anteil von dem im Januar bis März verdienten Geld erst im Juli tatsächlich auf meinem Konto war. "

Und das bei laufenden Kosten. Nachschüssige Förderung nennt man das. Ein landläufiges Verfahren bei der Vergabe von öffentlichen Fördermitteln. Die 60.000 Euro werden in der Auszahlung gestreckt über fünf Jahre und rückwirkend monatlich abgerechnet.

Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen hört man derartige Kritik am Prämienmodell nicht so gerne.
Dr. Heckemann verteidigt die "Salamitaktik" bei der Auszahlung so:

Heckemann: "Das man sich eine Förderung noch mehr im Moment der Niederlassung wünscht, also an dem Tag, an dem mich niederlasse bekomme ich das Geld, vielleicht mancher sich das wünscht, aber man muss ja auch sehen, dass das Geld, … sorgfältig umgeht, … das jemand, der dahin geht, nach einem Vierteljahr weder weggeht, Ein bisschen vorsehen müssen wir uns da schon. Da haben wir schon noch eine Verantwortung für das Geld. Ganz so einfach, wie sich das mancher vorstellt, ist es nicht. Aber für jeden, der wirklich auch die Absicht hat, an dieser stelle zu verbleiben ist es schon ein ganz wesentlicher Vorteil, den er nirgendwo anders hat in Deutschland. "

Klaus Wagner ist einer von insgesamt fünf Hausärzten, die das bundesweit einmalige Angebot des Freistaates angenommen haben. Gefördert werden neue Niederlassungen ebenso wie Praxisübernahmen. Wagners Vorgängerin hatte sich ein halbes Jahr zuvor in den Ruhestand verabschiedet, die Praxis blieb verwaist und die Patienten waren weg, als Wagner am 3. Januar 2005 übernahm. Eine lange Durststrecke liegt hinter ihm, obwohl Ärzte gerade in seiner Region Händeringend gesucht werden. Rückblickend resümiert Wagner sein Manko so:

Wagner: "Diese enorm lange Zeit von dem Entschluss sich niederzulassen bis zum dem Zeitpunkt, wo man das erste Mal tatsächlich davon leben kann, was man da verdient. das dauert viele Monate. "

Inzwischen hat er mit Müh und Not den so genannten "Break Even-Punkt" erreicht, das heißt, die Praxis fängt langsam an, sich selbst zu tragen, doch große Sprünge sind nicht drin. Eine Vollzeit-Sprechstundenhilfe kann er sich noch nicht leisten. Die Abrechnungen macht er selbst, und wenn die Quartalsenden nahen, legt er eine Nachtschicht ein.

Seine Patienten kommen nur zum Teil aus dem umliegenden Plattenbauviertel, in dem seine Praxis liegt.

Wagner: "Die kommen von weit her, ja die kommen also im Extremfall so wie ich es festgestellt habe, habe ich Patienten, die wohnen über 21. Kilometer entfernt. 21,5 habe ich mal gemessen, bei einem Hausbesuch, das ist viel, das hat man normalerweise nicht. "

Viele Spätaussiedler leben hier in Torgau-Nord, nur wenige von ihnen sprechen Deutsch. Neben schmucken frisch renovierten Mehrgeschossern unter leuchtend roten Dächern, steht auch das eine oder andere Hochhaus das schon leergezogen ist, und entweder auf Abriss oder auf bessere Zeiten wartet. Das Durchschnittsalter ist relativ hoch, die Arbeitslosenquote auch. Privatpatienten sind rar und viele scheuen wegen der Praxisgebühr den Besuch beim Arzt. Dennoch zieht Dr. Wagner ein positives Resumée:

Wagner: "Es ist zwar kein üppiges Leben, und es sind immer noch etliche Schulden vorhanden, aber man sieht langsam Land, also Licht am Ende des Tunnels sozusagen. Die Anzahl der Patienten nimmt langsam aber sicher zu, und deshalb ist die Zukunftsaussicht hier eigentlich günstig zu beurteilen. "