Kunst in aggressivem Umfeld?
Es rumort in der Ruhrtriennale: Erst ging es um Antisemitismus und die Boykottbewegung BDS, nun um die Verharmlosung des Völkermords an den Armeniern. Morgen findet eine ebenfalls umstrittene Podiumsdiskussion statt. Aber wie steht es um die Kunst?
Reden wir erst mal über die Kunst. Denn hier zeigte die Ruhrtriennale bislang Erfreuliches. "The Head and the Load" - die Eröffnungsinzenierung von William Kentridge – war rauschhaftes Totaltheater, eine künstlerische Begegnung westlicher und afrikanischer Kulturtraditionen auf Augenhöhe, eine packende Auseinandersetzung mit den Geschichten von Afrikanern, die für die Kolonialmächte im Ersten Weltkrieg starben.
Und auch das syrische Stück "The Factory" überzeugte, Dokumentartheater mit poetischen Momenten über einen französischen Konzern, der aus Profitgier mit islamistischen Terrorgruppen paktierte. Zwei Produktionen, in denen die Ruhrtriennale ihren Anspruch einlöste, die Themen Migration und Postkolonialismus aus vielstimmiger künstlerischer Sicht zu betrachten.
Künstlerische Qualität versus Fehlkommunikation
Dennoch reden viele weiterhin davon, dass Intendantin Stefanie Carp am Ende des Festivals gehen muss. Sie hat die beiden Regierungsparteien CDU und FDP durch ihr wankelmütiges Verhalten und ungeschickte Kommunikation gegen sich aufgebracht. Auch aus der SPD hört man kritische Stimmen.
Erst ging es um die antiisraelische Boykottbewegung BDS. Die Band "Young Fathers", die sich zum BDS bekennt, wurde eingeladen, dann ausgeladen und nach Protesten anderer Künstler wieder eingeladen. Dann wurde im Programmbuch ein Konzert des türkischen Hezarfen-Ensembles mit einer Formulierung angekündigt, die den Völkermord an den Armeniern verharmlost. Dazu gibt es immer noch keine Stellungnahme der Ruhrtriennale, nur einen Text der Künstler auf ihrer eigenen Webseite.
Gefährdet eine Absetzung Carps die Ruhrtriennale?
Wegducken und Aussitzen scheint in Krisensituationen die Strategie zu sein. Das kommt nicht gut an bei einem Festival, das immer für Kommunikation und Offenheit stand. Ob die Podiumsdiskussion zum Thema "Freedom of Speech/Freiheit der Kunst" morgen eine Kehrtwende darstellt, ist kaum zu hoffen. Eine ähnliche Veranstaltung vorgestern beim Berliner Pop-Kultur-Festival ging im Gebrüll der Aktivisten unter.
Eine Ablösung Stefanie Carps könnte die Ruhrtriennale in Gefahr bringen. Denn die beiden nächsten Jahre sind längst durchgeplant, und ein internationales Festival braucht Vorlauf. Sie hat künstlerisch schon einiges geleistet, muss aber dringend mehr Offenheit, Klarheit und Kritikbereitschaft zeigen. Denn eine gute Kommunikation ist Pflichtaufgabe für eine Intendantin der Ruhrtriennale.