Weiterwirken in die Zeit

Von Adolf Stock |
In diesem Jahr wäre Wilhelm Wagenfeld 111 Jahre alt geworden. Jetzt zeigt das Bauhaus Dessau eine große Werkschau des Designers, der als Schüler am Weimarer Bauhaus seine Karriere begann. Danach hat er über 50 Jahre Designgeschichte geschrieben.
Als Wilhelm Wagenfeld 1923 ans Weimarer Bauhaus kam, war die Schule im Umbruch. Ein Glücksfall für den neuen Schüler der Metallwerkstatt. Philipp Oswalt, Leiter der Stiftung Bauhaus, beschreibt die damalige Situation:

"Wagenfeld hat sehr früh begonnen, sich mit der industriellen Massenfertigung und mit sehr funktionsorientierten Gebrauchsgütern zu befassen und auch sehr erfolgreich, diese zu entwickeln. Die Salzstreuer und das ganze Geschirr und diese klare Ausrichtung, die gab es eigentlich sonst am Weimarer Bauhaus noch nicht."

Die Neuorientierung steckte noch in den Kinderschuhen. Man wollte nicht mehr nur Kunstschule sein, sondern suchte die Nähe zur Industrie. "Kunst und Technik, eine neue Einheit" ließ Bauhausgründer Walter Gropius verkünden, und leitete damit eine neue Entwicklungsphase ein, die erst 1925 mit dem Umzug nach Dessau seine volle Wirkung entfalten sollte.

Beate Manske, Leiterin der Bremer Wagenfeld-Stiftung und Kuratorin der Ausstellung:

"Die Grundsätze von Gropius, die er damals in diesen Jahren formuliert hat, auch so bis 25, 26, 27, die haben ihn sehr geprägt. Was ihn gestört hat, war dieses formale Konzept, es war ja mehr ein didaktisches Konzept, mit dem man versucht hat, die Köpfe dieser jungen Silberschmiede und auch in den anderen Werkstätten zu befreien von diesen ganzen historistischen Ballast."

Aus jener Zeit ist Wagenfelds Bauhauslampe geblieben: Ihr Fuß ist eine flache Metallplatte, mit einem Metallrohr in der Mitte, über das sich eine halbrunde Milchglasglocke wölbt. Neben den Stahlrohrmöbeln von Marcel Breuer und Mies van der Rohe gehört sie zu den Bauhaus-Klassikern.

1931 traf er in Jena auf Erich Schott, der wissenschaftlicher Leiter der Jenaer Glaswerke war. Es wurde der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit. Der neue Chefdesigner brachte es fertig, aus schlichtem Laborglas ein luxuriöses Teegeschirr zu formen, das schon bald Kultcharakter besaß, vielleicht auch, weil das feuerfeste Glasgeschirr so perfekt zu den stählernen Bauhausmöbeln passte. Und es passte auch gut zu der rational geplanten Küchenzeile, die aus der einstigen Hausfrau eine Art Laborantin machte, die technisch versiert ihrer Hausarbeit nachging und im Glasgeschirr beobachten konnte, wie Kuchen und Braten sich im Ofen verhielten.

1935 ging Wilhelm Wagenfeld als künstlerischer Leiter der Lausitzer Glaswerke nach Weißwasser. Mit Vasen, Schüsseln und Gläsern wurden die No-Name-Produkte der Firma ergänzt. Ein groß angelegter Werbefeldzug unterstütze die Qualitätsoffensive. Fernab von Berlin fand der erklärte Nazigegner eine Nische, um im NS-Staat zu überwintern. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging Wilhelm Wagenfeld nach Stuttgart und wurde Chefdesigner bei WMF. Er entwarf weiter Gläser, Lampen, bis in die 70er-Jahre. Die Dessauer Ausstellung zeigt nun Schritt für Schritt diesen Arbeits- und Lebensweg.

Beate Manske: "Diese Glaskaraffe, die gab es gar nicht so oft, die war nur für den holländischen Markt gedacht, und wenn Sie sehen, wie er die gleiche Karaffe in den 30er-Jahren gestaltet hat, dann sehen Sie seine Weiterentwicklung. Und wir wollten natürlich die Vielfalt der Materialien zeigen, die formale Entwicklung, aber so in den Grundüberzeugungen und in den Proportionen und im Duktus erkennen Sie ihn trotzdem , man schmeckt es durch, wenn man ihn ein bisschen kennt."

Wilhelm Wagenfeld entwarf edle Silberkännchen und filigrane Gläser. Doch er konnte auch ordinäres Laborglas und billiges Aluminium salonfähig machen. Meike Noll-Wagenfeld, die Tochter von Wilhelm Wagenfeld:

"Seine Entwürfe sind eben nicht zeitgebunden, sondern über die Zeit hinaus, weil sie gut durchkonzipiert sind für den Benutzer und weil sie schön sind. Die Kombination war immer sehr, sehr wichtig, das Brauchen muss schön sein und zwar auch für den Betrachter, der dem zuschaut, der aus einer Teetasse trinkt oder aus einer Kanne eingießt."

Die Produkte sind Mittelpunkt der Ausstellung. In großflächigen Vitrinen werden Lampen, Vasen und Geschirr exzellent inszeniert. Und wer sich genau umschaut, entdeckt auch Skurriles: Likörschalen tragen den Namen "Zölibat" und die Salz- und Pfefferstreuer heißen "Max und Moritz". Flankiert werden die Exponate von Werkplänen, Fotos und persönlichen Dokumenten, die zum Teil erstmals in dieser Ausstellung gezeigt werden können.

Wilhelm Wagenfeld war nur kurze Zeit am Bauhaus, aber in Weimar begann seine Kariere als Industriedesigner. Danach hat er über 50 Jahre Designgeschichte geschrieben. Die Produkte von Wilhelm Wagenfeld kennen viele, auch wenn sie nicht wissen, wer als Gestalter hinter den gläsernen Tulpenvasen, dem geknickten Tintenfass von Pelikan oder der Cromargan-Butterdose steckt.

Meike Noll-Wagenfeld: "Das ist absolut ein Kompliment, und das entspricht auch absolut dem Wunsch meines Vaters, wie er seine Arbeit sah. Seine Entwürfe sollten unauffällig sein. Die Menschen sollten sie in die Hand nehmen und benutzen und sie gut finden. Von wem die sind, spielte keine Rolle."

Dass der Gestalter im Hintergrund bleibt, hätte Wilhelm Wagenfeld gefallen. Die Dessauer Werkschau sorgt allerdings dafür, dass der Name Wilhelm Wagenfeld nicht vergessen wird.

Service:
Die Austellung "Wilhelm Wagenfeld: Weiterwirken in die Zeit hinein" ist bis zum 30.10.2011 im Bauhaus in Dessau zu sehen.
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