Welche Zukunft hat der Kommunismus?
Freiheit oder Sozialismus, Freiheit und Sozialismus, Freiheit durch Sozialismus - wechselnde Redner griffen am Wochenende auf zwei Parteitagen tief in die Rhetorikkiste des Kalten Krieges. Und übten fleißig die Beschwörung der Vergangenheit für eine drohende oder verlockende Zukunft.
Während die Kommunisten bei den Wahlen in Frankreich ein Stück weiter aus der parlamentarischen Wirklichkeit verschwanden, versuchen sich die deutschen Linksparteien in diese hineinzucharmieren oder auch zu drohen. Man will sich nicht an diesen Westen gewöhnen, niemals und nirgends.
Fünfzig Parteien von vier Kontinenten entsandten Gastdelegierte zum Gründungsparteitag - das Verlesen dieser Liste erzeugte Gefühle der guten Globalität gegen die bösen Globalisten. Was bedeutet das nun für unsere Zukunft? Nichts Gutes.
Gerade weihte George W. Bush in Washington ein Denkmal für die Opfer des Kommunismus ein und verglich den Kampf gegen den Kommunismus im Kalten Krieg mit dem heutigen Anti-Terror-Kampf. Bush meinte, mit seinen militärischen Aktionen werde sichergestellt, dass in Zukunft nicht ein Denkmal für die "Millionen, welche die Radikalen und Extremisten des 21. Jahrhunderts getötet haben", eingeweiht werden müsse. Als ob militärische Aktionen gegen den Realsozialismus, ob in Vietnam oder in Kuba, nicht allesamt gescheitert wären.
Mit dem Realsozialismus des letzten Jahrhunderts wurde auch die Rhetorik des Anti-Kommunismus überflüssig. Ihr fehlt das exakte Gegenüber. Doch der Cyber-Krieg im Osten Europas, also der hartnäckige Virenangriff auf die Arbeitsfähigkeit der estnischen Regierung, verweist auf den postsozialistischen Klassenkampf der Zukunft. Er wird ein virtueller sein und der Auslöser wird so tun, als ob er nichts damit zu tun habe. Auch wenn Russland die Schuld bestreitet, sind Mail-Bewegungen mit der alle Computer lähmenden Virenfracht in einigen Fällen bis zu einem Großrechner der russischen Regierung zurückverfolgt worden.
Es macht keinen Sinn, beim Stichwort Kommunismus nur nach Nordkorea und Kuba zu schauen und die Mauertoten der DDR zu beschwören. Nicht diese Überbleibsel sind gefährlich, sondern neue Mischformen von staatlich durchreguliertem Machtapparat und Elementen der Marktwirtschaft und einer privatisierten Machtcliquenwirtschaft. Russlands teilverwestlichtes autoritäres Staatswesen mit partiell mafiotischem Antlitz verändert seine Herrschaftsstruktur ständig und versucht, sie durch permanente Neuigkeiten zu tarnen. Da darf Polen kein Fleisch ausführen, Estland bekommt die geballte russische Hackermacht zu spüren, bei einem anderen bleibt mal das Öl aus, in Tschetschenien steht weiter eine zu fast jedem Verbrechen tötungsbereite Rote Armee und den Amerikanern bietet man einen relativ nutzlosen Überwachungsstützpunkt dort an, wo eigentlich gar kein russischer Staat, aber die iranische Grenze liegt.
Die Erbschaften des Staatssozialismus wirken in mutierter Form weiter und sind als solche nicht sofort zu erkennen. Manchmal kommen sie an unerwarteter Stelle zum Vorschein - so haben die DDR-Sicherheitskräfte unter Anleitung der sowjetischen Freunde den berüchtigten Sicherheitsdienst der Fatah ausgebildet. Im trostlosen Bruderkrieg unter den Palästinensers dieser Tage spielt eben diese Foltererfahrung zwischen Fatah und Hamas für die Intensität des Hasses eine wichtige Rolle. So stören Echos der Vergangenheit immer wieder Entwicklungsmöglichkeiten in der Zukunft. Den Staatssozialismus als Auslaufmodell zu betrachten, heißt seine Verwandlungsfähigkeit zu unterschätzen.
Wie sich eine deutsche Linkspartei zu Menschenrechtsverletzungen in Mittel- und Südamerika und der schwindenden Pressefreiheit in Russland und China positioniert, davon hängt ab, was von dieser Partei zu erwarten wäre, wenn sie einmal könnte, wie sie wollte.
Der einzige Weg gegen die anti-demokratischen Kräfte in den genannten und weiteren Staaten wird sein, die demokratischen zu stärken. Der politische Kampf der Zukunft wird ein virtueller sein. Die wirklichen Kämpfe finden um öffentliche Wahrnehmung und im Netz statt. Aus der Perspektive Russlands: um die eigene Bevölkerung soweit es nur irgendwie geht zu kontrollieren. Und um den Gegner außerhalb der Landesgrenzen zu beeinflussen, zu beschäftigen und notfalls auch zu lähmen.
Der Cyber-Angriff auf die estnische Regierung wird nicht der letzte sein. Und jeder, bei dem der Computer am Morgen spinnt, darf sich fragen, ob er sich nur einen privat verschickten Virus eingefangen hat oder ob die nächste virtuelle Schlacht im staatlichen Auftrag schon begonnen hat.
Lutz Rathenow, Schriftsteller, 1952 in Jena geboren, Studium Germanistik/Geschichte, kurz vor dem Examen wegen nicht konformer Ansichten und Handlungen relegiert, Transportarbeiter, 1977 Übersiedlung nach Ostberlin, knapp 15.000 Seiten Stasi-Akten zeugen von Aktivitäten und Repressalien, wegen des ersten nur im Westen verlegten Buches 1980 kurzzeitig verhaftet, Lyriker, Essayist, Kinderbuchautor, Satiriker, Kolumnist, Gelegenheitsdramatiker. Zusammen mit Harald Hauswald (Fotografie) schrieb er den erfolgreichen Foto-Text-Band "Ost-Berlin - Leben vor dem Mauerfall" (Jaron Verlag, 2005, englisch/deutsch).
2006 erschienen "Ein Eisbär aus Apolda" (Kindergeschichten), "Gelächter, sortiert" (Fußballgedichte) und wieder mit dem Kult-Fotografen Harald Hauswald "Gewendet - vor und nach dem Mauerfall. Fotos und Texte aus dem Osten" (Jaron Verlag).
Fünfzig Parteien von vier Kontinenten entsandten Gastdelegierte zum Gründungsparteitag - das Verlesen dieser Liste erzeugte Gefühle der guten Globalität gegen die bösen Globalisten. Was bedeutet das nun für unsere Zukunft? Nichts Gutes.
Gerade weihte George W. Bush in Washington ein Denkmal für die Opfer des Kommunismus ein und verglich den Kampf gegen den Kommunismus im Kalten Krieg mit dem heutigen Anti-Terror-Kampf. Bush meinte, mit seinen militärischen Aktionen werde sichergestellt, dass in Zukunft nicht ein Denkmal für die "Millionen, welche die Radikalen und Extremisten des 21. Jahrhunderts getötet haben", eingeweiht werden müsse. Als ob militärische Aktionen gegen den Realsozialismus, ob in Vietnam oder in Kuba, nicht allesamt gescheitert wären.
Mit dem Realsozialismus des letzten Jahrhunderts wurde auch die Rhetorik des Anti-Kommunismus überflüssig. Ihr fehlt das exakte Gegenüber. Doch der Cyber-Krieg im Osten Europas, also der hartnäckige Virenangriff auf die Arbeitsfähigkeit der estnischen Regierung, verweist auf den postsozialistischen Klassenkampf der Zukunft. Er wird ein virtueller sein und der Auslöser wird so tun, als ob er nichts damit zu tun habe. Auch wenn Russland die Schuld bestreitet, sind Mail-Bewegungen mit der alle Computer lähmenden Virenfracht in einigen Fällen bis zu einem Großrechner der russischen Regierung zurückverfolgt worden.
Es macht keinen Sinn, beim Stichwort Kommunismus nur nach Nordkorea und Kuba zu schauen und die Mauertoten der DDR zu beschwören. Nicht diese Überbleibsel sind gefährlich, sondern neue Mischformen von staatlich durchreguliertem Machtapparat und Elementen der Marktwirtschaft und einer privatisierten Machtcliquenwirtschaft. Russlands teilverwestlichtes autoritäres Staatswesen mit partiell mafiotischem Antlitz verändert seine Herrschaftsstruktur ständig und versucht, sie durch permanente Neuigkeiten zu tarnen. Da darf Polen kein Fleisch ausführen, Estland bekommt die geballte russische Hackermacht zu spüren, bei einem anderen bleibt mal das Öl aus, in Tschetschenien steht weiter eine zu fast jedem Verbrechen tötungsbereite Rote Armee und den Amerikanern bietet man einen relativ nutzlosen Überwachungsstützpunkt dort an, wo eigentlich gar kein russischer Staat, aber die iranische Grenze liegt.
Die Erbschaften des Staatssozialismus wirken in mutierter Form weiter und sind als solche nicht sofort zu erkennen. Manchmal kommen sie an unerwarteter Stelle zum Vorschein - so haben die DDR-Sicherheitskräfte unter Anleitung der sowjetischen Freunde den berüchtigten Sicherheitsdienst der Fatah ausgebildet. Im trostlosen Bruderkrieg unter den Palästinensers dieser Tage spielt eben diese Foltererfahrung zwischen Fatah und Hamas für die Intensität des Hasses eine wichtige Rolle. So stören Echos der Vergangenheit immer wieder Entwicklungsmöglichkeiten in der Zukunft. Den Staatssozialismus als Auslaufmodell zu betrachten, heißt seine Verwandlungsfähigkeit zu unterschätzen.
Wie sich eine deutsche Linkspartei zu Menschenrechtsverletzungen in Mittel- und Südamerika und der schwindenden Pressefreiheit in Russland und China positioniert, davon hängt ab, was von dieser Partei zu erwarten wäre, wenn sie einmal könnte, wie sie wollte.
Der einzige Weg gegen die anti-demokratischen Kräfte in den genannten und weiteren Staaten wird sein, die demokratischen zu stärken. Der politische Kampf der Zukunft wird ein virtueller sein. Die wirklichen Kämpfe finden um öffentliche Wahrnehmung und im Netz statt. Aus der Perspektive Russlands: um die eigene Bevölkerung soweit es nur irgendwie geht zu kontrollieren. Und um den Gegner außerhalb der Landesgrenzen zu beeinflussen, zu beschäftigen und notfalls auch zu lähmen.
Der Cyber-Angriff auf die estnische Regierung wird nicht der letzte sein. Und jeder, bei dem der Computer am Morgen spinnt, darf sich fragen, ob er sich nur einen privat verschickten Virus eingefangen hat oder ob die nächste virtuelle Schlacht im staatlichen Auftrag schon begonnen hat.
Lutz Rathenow, Schriftsteller, 1952 in Jena geboren, Studium Germanistik/Geschichte, kurz vor dem Examen wegen nicht konformer Ansichten und Handlungen relegiert, Transportarbeiter, 1977 Übersiedlung nach Ostberlin, knapp 15.000 Seiten Stasi-Akten zeugen von Aktivitäten und Repressalien, wegen des ersten nur im Westen verlegten Buches 1980 kurzzeitig verhaftet, Lyriker, Essayist, Kinderbuchautor, Satiriker, Kolumnist, Gelegenheitsdramatiker. Zusammen mit Harald Hauswald (Fotografie) schrieb er den erfolgreichen Foto-Text-Band "Ost-Berlin - Leben vor dem Mauerfall" (Jaron Verlag, 2005, englisch/deutsch).
2006 erschienen "Ein Eisbär aus Apolda" (Kindergeschichten), "Gelächter, sortiert" (Fußballgedichte) und wieder mit dem Kult-Fotografen Harald Hauswald "Gewendet - vor und nach dem Mauerfall. Fotos und Texte aus dem Osten" (Jaron Verlag).