"Ich habe einen Hauch Verständnis"

Kein anderes Bild symbolisiert den Vietnamkrieg so sehr wie das der neunjährigen Kim Phuc auf der Flucht vor Napalm-Angriffen. Doch Facebook löschte das Foto wegen deren Nacktheit. Der Journalist Ulf Poschardt hofft auf eine heilsame Debatte und ein Einlenken des Netzwerkes.
"Ich finde, dass Sie Ihre Macht missbrauchen, und ich tue mich schwer damit, zu glauben, dass Sie das gründlich durchdacht haben", schreibt der Chefredakteur der norwegische Zeitung "Aftenposten", Espen Egil Hansen, in einem offen Brief an Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der nun weltweit für Aufsehen sorgt.
Das Online-Netzwerk hatte zuvor ein berühmtes Foto aus dem Vietnamkrieg von der Facebook-Seite der Zeitung gelöscht und die Maßnahme mit seinen Regeln zu Nacktheit erklärt.
Das weltbekannte Bild zeigt die Vietnamesin Kim Phuc, die während des Krieges nach einem Napalm-Angriff nackt und schreiend aus ihrem Dorf flüchtet.
Es wurde zum Symbol des Krieges - Fotograf Nick Út erhielt später für die Aufnahme den Pulitzer-Preis.
Ministerpräsidentin Erna Solberg solidarisiert sich
Facebook erklärte in einer Reaktion, es sei schwierig, bei Fotos mit nackten Kindern einen Unterschied zu machen. Auch die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg beteiligte sich an der Debatte, indem sie das Bild aus Solidarität ebenfalls auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichte und kommentierte, das Online-Netzwerk "ziehe die falschen Schlüsse", wenn es solche Fotos zensiere.
Ulf Poschardt, Chefredakteur von "WeltN24", sagte im Deutschlandradio Kultur auf die Frage, ob er ebenfalls verärgert über Facebook sei: "Ja und nein."
Zum einen sei auch er empört. "Es ist geradezu grotesk, wenn ein Foto, das den Pulitzer-Preis gewonnen hat, gepixelt ins Netz gestellt werden muss."
Poschardt versuchte aber, das Thema von einer anderen Seite zu sehen: "Für mich ist das schon so, dass Facebook (...) dadurch, dass es diesen Respekt vor Kulturkreisen hat, in denen die Nacktheit ein absolutes Tabu ist, aktiv bleiben kann und möglicherweise in politischen Aufklärungsprozessen von Nutzen sein könnte. Insofern habe ich so einen Hauch Verständnis. Mein journalistisches Bauchgefühl ist natürlich: So ein foto zu pixeln ist pervers, so ein Foto mit Kinderpornografie zu verwechseln, ist auch absurd."
"Ein wunderbares Medium"
Diese Debatte müsse "im Zweifelsfall auch mit der entsprechenden Schärfe" geführt werden, so Poschardt, der sich grundsätzlich als großer Fan des Mediums zeigte: "Facebook ist ein wunderbares Medium."
Man dürfe das soziale Netzwerk nicht "auf solche logischerweise für unseren liberalen Diskurs vollkommen groteske Zensurdinge, die dort passieren" reduzieren.
Facebook habe "wie alles, was groß und erfolgreich ist, nicht nur erfreuliche und Sonnenseiten, sondern auch Sachen, die - so wie den Kollegen aus Norwegen - echt rasend machen".
(mcz / abr / huc)