Weltbürgerlicher Optimismus
Der Philosoph Kwame Anthony Appiah glaubt nicht an einen "Kampf der Kulturen". Vielmehr gebe es universale Werte, auf die sich alle Menschen trotz aller regionaler Unterschiede einigen könnten. Diese Unterschiede gelte es zu respektieren, zugleich müsse man im Gespräch bleiben, um sich aneinander zu gewöhnen in Zeiten der Globalisierung.
Der Philosoph Kwame Anthony Appiah entstammt einer Familie von Kosmopoliten. Seine englische Mutter reiste bereits in den dreißiger und vierziger Jahren von Russland über Iran bis Indien und China, sein ghanaischer Vater entstammte einer weitverzweigten Familie mit Ausläufern in halb Afrika und dem Nahen Osten und war in England zum Juristen ausgebildet worden. Appiah selbst wuchs in Ghana auf, studierte in Cambridge und lehrt in den Vereinigten Staaten - nach Stationen in Yale, Cornell, Duke und Harvard ist er derzeit Professor für Philosophie in Princeton.
Seit einigen Jahren beschäftigt sich der Kosmopolit Appiah auch als Moralphilosoph mit dem Kosmopolitismus; seine jetzt auf Deutsch erschienene "Philosophie des Weltbürgertums" ist eine ethische Einweisung in die Herausforderungen, welche die globalisierte Welt an den Einzelnen stellt. Und gerade in Zeiten, in denen allerorten die Waffen des "Kulturkampfs" geschärft werden, sind Appiahs nüchterne Betrachtungen zur interkulturellen Kommunikation ausgesprochen wohltuend.
Es ist auch ein ausgesprochen schönes und unterhaltsames Buch, voller Beispiele und Anekdoten aus Appiahs eigenem Leben zwischen Afrika, Europa und Amerika und voller faszinierender Beschreibungen der Kultur des ghanaischen Volks der Asante. Appiah wechselt virtuos zwischen philosophischen Argumenten und soziologischen, politischen oder ökonomischen Überlegungen und hat für einen Philosophen erstaunlich wenig Berührungsängste zur Empirie.
Appiahs Ethik des Kosmopolitismus lässt sich verkürzt auf die Formel "Universalismus plus Differenz" bringen: es gibt ihm zufolge Werte, die alle Menschen teilen und teilen sollten, universale Werte also; andererseits gibt es auch eine Vielzahl von Kulturen und regionalen Traditionen, denen man nicht mit Arroganz oder Abneigung, sondern mit Respekt und Neugierde begegnen kann und soll.
Unsere Sprachen und Kulturen mögen unterschiedlich sein, aber dass wir alle ganz grundlegende moralische Begriffe wie "gut" oder "schlecht" haben, ermöglicht uns, darüber ins Gespräch zu kommen, was genau wir gut oder schlecht finden. Wir können also über Werte kommunizieren. Und wir können uns aneinander gewöhnen - mehr muss fürs Erste gar nicht sein. Insgesamt hält Appiah den Menschen für ein Gewohnheitstier - rationale Argumente haben nachweislich weniger Einfluss auf seine Meinungen als das, woran er gewöhnt ist. Und es wäre gut, er würde sich in einer globalen Welt an Menschen anderer Herkunft gewöhnen - genauso, wie er sich auch in seiner eigenen Gesellschaft an Menschen mit anderer Lebenssicht und anderen Lebensformen gewöhnt hat.
Der Wert der Toleranz gegenüber anderen Sitten bedeutet für Appiah aber nicht, auch alles Üble zu tolerieren. Genozid etwa wird man nie als eine regionale kulturelle Sitte deuten können. Die Grenzen der Toleranz liegen da, wo das fundamentale ethische Gebot des Respekts vor der Menschenwürde greift.
Der Vorstellung der Kulturrelativisten von streng separierten Kulturen, die es gegeneinander zu verteidigen und in ihrer Ursprünglichkeit zu bewahren gilt, findet Appiah ohnehin nicht besonders plausibel: keine Kultur ist gänzlich autark, alle haben zu allen Zeiten Austausch und Kontakt zu anderen Kulturen gehabt, ja gerade in diesem Kontakt haben sie sich auch entwickelt. "Kontamination" ist für Appiah geradezu ein entscheidendes Merkmal jeder Kultur.
So schön und einleuchtend Appiahs Plädoyer für die interkulturelle Toleranz ist: ein Rezept gegen diejenigen, die sich auf Kommunikation nicht einlassen wollen, hat er nicht. Insgesamt bleibt darum der Kosmopolit ein Optimist, jemand der an das Gute im Menschen glaubt und daran, dass es in der Welt letztlich doch nicht gänzlich mit schlechten Dingen zugehen kann.
Rezensiert von Catherine Newmark
Kwame Anthony Appiah: Der Kosmopolit. Philosophie des Weltbürgertums
Aus dem Englischen von Michael Bischoff
C.H. Beck, München 2007
215 Seiten, 19,90 Euro
Seit einigen Jahren beschäftigt sich der Kosmopolit Appiah auch als Moralphilosoph mit dem Kosmopolitismus; seine jetzt auf Deutsch erschienene "Philosophie des Weltbürgertums" ist eine ethische Einweisung in die Herausforderungen, welche die globalisierte Welt an den Einzelnen stellt. Und gerade in Zeiten, in denen allerorten die Waffen des "Kulturkampfs" geschärft werden, sind Appiahs nüchterne Betrachtungen zur interkulturellen Kommunikation ausgesprochen wohltuend.
Es ist auch ein ausgesprochen schönes und unterhaltsames Buch, voller Beispiele und Anekdoten aus Appiahs eigenem Leben zwischen Afrika, Europa und Amerika und voller faszinierender Beschreibungen der Kultur des ghanaischen Volks der Asante. Appiah wechselt virtuos zwischen philosophischen Argumenten und soziologischen, politischen oder ökonomischen Überlegungen und hat für einen Philosophen erstaunlich wenig Berührungsängste zur Empirie.
Appiahs Ethik des Kosmopolitismus lässt sich verkürzt auf die Formel "Universalismus plus Differenz" bringen: es gibt ihm zufolge Werte, die alle Menschen teilen und teilen sollten, universale Werte also; andererseits gibt es auch eine Vielzahl von Kulturen und regionalen Traditionen, denen man nicht mit Arroganz oder Abneigung, sondern mit Respekt und Neugierde begegnen kann und soll.
Unsere Sprachen und Kulturen mögen unterschiedlich sein, aber dass wir alle ganz grundlegende moralische Begriffe wie "gut" oder "schlecht" haben, ermöglicht uns, darüber ins Gespräch zu kommen, was genau wir gut oder schlecht finden. Wir können also über Werte kommunizieren. Und wir können uns aneinander gewöhnen - mehr muss fürs Erste gar nicht sein. Insgesamt hält Appiah den Menschen für ein Gewohnheitstier - rationale Argumente haben nachweislich weniger Einfluss auf seine Meinungen als das, woran er gewöhnt ist. Und es wäre gut, er würde sich in einer globalen Welt an Menschen anderer Herkunft gewöhnen - genauso, wie er sich auch in seiner eigenen Gesellschaft an Menschen mit anderer Lebenssicht und anderen Lebensformen gewöhnt hat.
Der Wert der Toleranz gegenüber anderen Sitten bedeutet für Appiah aber nicht, auch alles Üble zu tolerieren. Genozid etwa wird man nie als eine regionale kulturelle Sitte deuten können. Die Grenzen der Toleranz liegen da, wo das fundamentale ethische Gebot des Respekts vor der Menschenwürde greift.
Der Vorstellung der Kulturrelativisten von streng separierten Kulturen, die es gegeneinander zu verteidigen und in ihrer Ursprünglichkeit zu bewahren gilt, findet Appiah ohnehin nicht besonders plausibel: keine Kultur ist gänzlich autark, alle haben zu allen Zeiten Austausch und Kontakt zu anderen Kulturen gehabt, ja gerade in diesem Kontakt haben sie sich auch entwickelt. "Kontamination" ist für Appiah geradezu ein entscheidendes Merkmal jeder Kultur.
So schön und einleuchtend Appiahs Plädoyer für die interkulturelle Toleranz ist: ein Rezept gegen diejenigen, die sich auf Kommunikation nicht einlassen wollen, hat er nicht. Insgesamt bleibt darum der Kosmopolit ein Optimist, jemand der an das Gute im Menschen glaubt und daran, dass es in der Welt letztlich doch nicht gänzlich mit schlechten Dingen zugehen kann.
Rezensiert von Catherine Newmark
Kwame Anthony Appiah: Der Kosmopolit. Philosophie des Weltbürgertums
Aus dem Englischen von Michael Bischoff
C.H. Beck, München 2007
215 Seiten, 19,90 Euro