Diabetes: Wie können wir vorbeugen und damit leben?
Darüber diskutiert Vladimir Balzer von 9 bis 11 Uhr mit dem Mediziner Matthias Riedel und mit Bastian Hauck von der Deutschen Diabetes-Hilfe. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de. Besuchen Sie uns auch auf Facebook, Instagram und Twitter!
Diabetes: Wie können wir vorbeugen und damit leben?
86:44 Minuten
Etwa acht Millionen Menschen in Deutschland leben mit Diabetes, zwei Millionen von ihnen sind erkrankt, ohne es zu wissen. Mit Folgen: Diabetiker sterben fünf bis zehn Jahre früher – meist aufgrund einer zu späten Diagnose.
Er gehört zu den Volkskrankheiten: Diabetes. Fast jeder Zehnte hierzulande ist an dieser Stoffwechselstörung erkrankt. Über 90 Prozent von ihnen haben Typ 2, den sogenannten Altersdiabetes. Immer mehr Jüngere erkranken an dieser Variante, die auch durch den Lebenswandel ausgelöst wird, wie zu fett- und zuckerreiche Ernährung und mangelnde Bewegung. 300.000 Menschen in Deutschland gehören zum Diabetes-Typ 1, einer Autoimmunerkrankung, bei der die eigenen insulinbildenden Zellen zerstört werden. Darunter sind mehr als 30.000 Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren.
Eine Krankheit mit gravierenden Folgen
Diabetes erhöht das Risiko für einen Schlaganfall um das Dreifache, verursacht jährlich rund 2.000 Erblindungen und 40.000 Amputationen. Die Kosten für das deutsche Gesundheitssystem: mehr als 35 Milliarden Euro pro Jahr.
"Von Diabetes gibt es keinen Urlaub"
"Diabetes ist 24 Stunden, sieben Tage die Woche präsent; das hört nicht auf. Von Diabetes gibt es keinen Urlaub", sagt Bastian Hauck. Der 43-Jährige ist Vorstandsmitglied der Deutschen Diabetes-Hilfe und organisiert den Weltdiabetestag, der in diesem Jahr am 14. November Corona-bedingt online stattfindet.
Bastian Hauck erfuhr mit 19, dass er an Diabetes Typ 1 erkrankt ist. "Man lernt, damit umzugehen. Gleichzeitig ist Diabetes über die Jahre eher schlechter einzustellen, die Wahrscheinlichkeit für Folgeerkrankungen steigt. Ich habe zum Beispiel ein sehr hohes Epilepsie-Risiko."
Mit Diabetes um Kap Hoorn
Um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, gründete Bastian Hauck die erste deutsche Diabetes Online-Community #dedoc. Er ist gesundheitspolitisch aktiv: Unter anderem hat er sich für die Einführung des Nutri-Score, auch Lebensmittelampel genannt, eingesetzt. Mit Hilfe dieser farblichen Kennzeichnung soll besser erkennbar sein, wie gesund verarbeitete Produkte sind.
Zwei Dinge lässt sich Bastian Hauck trotz seiner Erkrankung nicht nehmen: Den morgendlichen Croissant und das Segeln. So umsegelte er etwa Kap Hoorn und tat dies auch um zu zeigen, dass Diabetes kein Hinderungsgrund ist, die Welt zu entdecken.
Zwei Dinge lässt sich Bastian Hauck trotz seiner Erkrankung nicht nehmen: Den morgendlichen Croissant und das Segeln. So umsegelte er etwa Kap Hoorn und tat dies auch um zu zeigen, dass Diabetes kein Hinderungsgrund ist, die Welt zu entdecken.
Ernährungsumstellung statt Insulin
"In meiner ärztlichen Laufbahn hat sich die die Diabeteswelle zu einer Lawine entwickelt", sagt der Internist und Diabetologe Dr. Matthias Riedl. "Wir haben uns daran gewöhnt, dass man nichts machen kann. Das ist auch ein weit verbreitetes Bild in der ärztlichen Welt." Riedl aber will etwas dagegen tun: In seinem Versorgungszentrum Medicum in Hamburg setzt der Mediziner auf eine Ernährungsumstellung und Gewichtsabnahme, gerade bei Patienten mit Diabetes-Typ 2. "Ich mache das seit 20 Jahren; wir haben damit erzielt, dass Menschen, die Medikamente und das Insulin loswerden konnten."
Sein Tipp: Täglich bis zu 500 Gramm Gemüse essen und möglichst pflanzliches Eiweiß, zum Beispiel Hülsenfrüchte und Nüsse. "Gemüse und Eiweiß bewirken einen existenziell niedrigen Blutzucker. Das ist ein einfaches Grundgerüst."
"Die Prägung auf unser Essverhalten läuft bereits im Mutterleib"
Matthias Riedl setzt auch auf Prävention und damit auch auf das Elternhaus:
"Die Prägung auf unser Essverhalten läuft bereits im Mutterleib und in den ersten Lebensjahren. Dieses Fenster schließt sich nach zwei Jahren. Und was machen wir? Wir fangen erst an, wenn die Kinder im Kindergarten sind oder in der Schule. Dabei wissen wir, dass ab dem vierten Lebensjahr Werbung auf Kinder viel effektiver wirkt, zum Beispiel für Junkfood. Und eine Familie, die ihren Kindern nicht beibringt, dass Gemüse etwas Gutes ist, die hat eine Verantwortung: Wie gesund ist das Kind? Wie alt wird es, wie wird der Schulabschluss? Das hat auch etwas mit Gerechtigkeit zu tun und mit Bildung."
"Die Prägung auf unser Essverhalten läuft bereits im Mutterleib und in den ersten Lebensjahren. Dieses Fenster schließt sich nach zwei Jahren. Und was machen wir? Wir fangen erst an, wenn die Kinder im Kindergarten sind oder in der Schule. Dabei wissen wir, dass ab dem vierten Lebensjahr Werbung auf Kinder viel effektiver wirkt, zum Beispiel für Junkfood. Und eine Familie, die ihren Kindern nicht beibringt, dass Gemüse etwas Gutes ist, die hat eine Verantwortung: Wie gesund ist das Kind? Wie alt wird es, wie wird der Schulabschluss? Das hat auch etwas mit Gerechtigkeit zu tun und mit Bildung."
(sus)