Weltflüchtlingstag

Diakonie-Chef fordert freie Länderwahl für Flüchtlinge

Flüchtlinge gehen am 05.06.2015 in Meßstetten (Baden-Württemberg) auf dem Gelände der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) für Flüchtlinge
Flüchtlinge in Baden-Württemberg © picture-alliance / dpa / Daniel Maurer
Ulrich Lilie im Gespräch mit Nicole Dittmer |
Die bisherigen Instrumente zur Verteilung von Flüchtlingen auf die europäischen Staaten funktionierten nicht, meint Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Er fordert, die Asylbewerber wählen zu lassen, in welches Land sie wollen. Das bedeute nicht, dass Deutschland "überflutet" werde.
Sozialverbände, Kirchenvertreter und Hilfsorganisationen fordern seit Langem eine andere europäische Flüchtlingspolitik. Einer von ihnen ist Ulrich Lilie, der Präsident der Diakonie Deutschland. Er kritisiert die Steuerungsinstrumente zur Verteilung der Flüchtlinge in Europa: Die Erfahrung seiner Organisation mit diesen Instrumenten sei, dass "sie der Lebenswirklichkeit nicht gerecht werden", sagte Lilie am Samstag im Interview mit Deutschlandradio Kultur.
Die bisherigen Mechanismen - das Dublin-Abkommen, nach dem der Asylantrag im Ankunftsland gestellt werden muss, und die von der EU angestrebte Verteilung auf EU-Länder nach Quoten - funktionierten nicht. Das führe dazu, "dass wir in Deutschland über 12.000 Übernahmen aus 28 Staaten hatten im vergangenen Jahr, von denen dann real weniger als 1000 wirklich überstellt werden. Und von denen ist die Hälfte am nächsten oder übernächsten Tag wieder da". Die Menschen gingen dorthin, wo sie soziale Anknüpfungspunkte wie Verwandte oder andere Landsleute haben, oder wo sie sich bessere Lebenschancen erhofften. Daher werde der Quoten-Plan der Europäischen Union nicht funktionieren.
Weiter differenzieren
"Wir sagen, lasst uns doch überlegen, dass wir - vielleicht erst mal für bestimmte Gruppen - so etwas wie free choice ausprobieren." Free choice meine, die Flüchtlinge wählen wohin sie gehen. Die Leute gingen dann dorthin, wo sie Anknüpfungspunkte hätten. "Das wird jetzt nicht so sein, dass Deutschland überflutet wird." Dort, wo viele Menschen hingehen, dort müsse dann auch europäische Unterstützung wie Geld geleistet werden.
Obwohl Deutschland aktuell zu den beliebtesten Zielländern von Flüchtlingen gehört, sieht Ulrich Lilie bei seinem Vorschlag kein logistisches Problem auf das Land zukommen. Man müsse dann weiter differenzieren. Beispielsweise, indem die einzelnen europäische Staaten etwa Menschen aus bestimmten Herkunftsländern aufnähmen. Man könne das auch erst einmal mit bestimmten Gruppen, beispielsweise unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, ausprobieren und Erfahrungen sammeln. "Um diesen Argumenten, da droht uns die Überschwemmung, auch ein bisschen die Spitze zu nehmen."
Mehr zum Thema