Welthit "Sunny" wird 50

Ein Gute-Laune-Song und seine Geschichte

Ein Gänseblümchen zeichnet sich am 06.05.2016 in Dresden (Sachsen) vor blauem Himmel und der Sonne ab.
Irgendwann scheint wieder die Sonne: Der Song "Sunny" handelt von schweren Zeiten und deren Überwindung. © dpa / Arno Burgi
Von Eric Leimann |
"Sunny" ist der wahrscheinlich meistgecoverte Song des 20. Jahrhunderts. Über 2000 veröffentlichte Versionen gibt es. Dabei wäre das Original 1966 beinahe gar nicht aufgenommen worden.
"Es war noch dunkel, als ich mit der Arbeit an dem Song begann. Die Sonne ging auf. Alles war anders. Der Himmel schimmerte lila. Damals wusste ich nicht, wie wichtig dieser Moment mal sein würde. Ich dachte, dass er gut war und dass er helfen würde. Aber ich wusste nicht, wie sehr."
Der Song "Sunny", der von schweren Zeiten und deren Überwindung erzählt, hat in den letzten 50 Jahren vielen Menschen geholfen. Dabei wäre er im Februar 1966 in jenem New Yorker Studio, wo Bobby Hebb sein Debütalbum produzierte, beinahe gar nicht aufgenommen worden. Rüdiger Ladwig kennt die Geschichte dazu.
"Bobby Hebb selber mochte den Song sehr und wollte ihn unbedingt aufnehmen. Aber der Produzent und der 'A-and-R' der Plattenfirma haben den Song zuerst nicht so auf dem Zettel gehabt. Und dann war es wirklich so: Es war eine Session und es war noch Zeit übrig, Teile der Musiker waren schon gar nicht mehr da. Und dann haben sie aber noch Zeit gehabt und dann hat Bobby gesagt: Dann würde ich gerne 'Sunny' noch machen. Und dann haben sie den in wenigen Takes und fast ohne zusätzliche Arbeit einfach dann recht pur aufgenommen."

Viele Legenden ranken sich um den Song

Bobby Hebb wurde 1938 in Nashville geboren. Beide Eltern waren Musiker - und blind. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder stand der schwarze Junge bereits im Alter von drei Jahren regelmäßig auf der Bühne. Damals tourte er als Stepptänzer in einer Vaudeville Show.
Bald lernte der junge Bobby Hebb diverse Instrumente - Gitarre, Klavier, Trompete - und wurde in ganz unterschiedlichen Stilen ein begehrter Begleitmusiker: Country, Rhythm-and-Blues, Jazz. In den frühen 60ern zog Hebb dann nach New York, wo er besagtes Erlebnis mit dem Sonnenaufgang hatte.
Es gibt viele Legenden darüber, wovon "Sunny" eigentlich erzählt: vom Sonnenaufgang oder von Gott, wie Bobby Hebb später sagte? Von den Hoffnungen der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und dem Attentat auf John F. Kennedy am 22. November 1963 - dem einen Tag später der gewaltsame Tod von Hebbs Bruder folgte, der vor einem Nachtclub erstochen wurde? Vielleicht ist das alles aber gar nicht so wichtig. "Sunny" funktioniert als Projektionsfläche für Schmerz, dessen Endlichkeit und eine Hoffnung, die folgt.
"Ich glaube, dass der Song für ihn eine Verarbeitung der Ereignisse Anfang der 60er gewesen sind: Kennedy, der Tod des Bruders, Civil-Rights-War, seine eigene Situation. Und ich glaube, das war einfach: Jetzt wird nach vorne geguckt, es geht weiter - und frischen Mutes. Und diese positive Grundstimmung, die hat er sein Leben lang gehabt. Der war immer positiv, hat immer sonnig gedacht und fröhlich. Ein sehr offener Mensch."
Rüdiger Ladwig, Labelmacher, Konzertveranstalter und Musik-Nerd, verliebte sich Ende der 90er in die Idee, möglichst viele gelungene "Sunny"-Coverversionen auszugraben und in Form eines Samplers, auf dem nur ein einziges Lied variiert werden sollte, zu veröffentlichten.

Erfolg des "Sunny"-Samplers

Was seine Freunde für eine Schnapsidee hielten, funktionierte tatsächlich: 2000 erschien Ladwigs erster "Sunny"-Sampler, 2002 folgte ein zweiter. Der Deutsche schaffte es sogar, den in Michigan in eine bürgerliche Existenz abgetauchten Bobby Hebb als Musiker zu reanimieren. Den Ausstieg aus der Kunst hatte dieser auf richterlichen Rat hin vollzogen. Hebb war schwer alkoholkrank, es gab unschöne Vorfälle mit seiner Frau - das Ende der Karriere war sozusagen seine letzte Ausfahrt vom "Highway to Hell".
An die Rente in der Autobahnmeisterei schloss sich für Bobby Hebb noch einmal eine zweite, kurze Musik-Karriere an. 2005 spielte er in Deutschland ein neues Album ein, ging auf Tour durch kleine Clubs und er blieb Rüdiger Ladwig bis zum Tod freundschaftlich verbunden.
Am 3. August 2010 starb Bobby Hebb im Alter von 72 Jahren in seiner Heimatstadt Nashville an Lungenkrebs. Seine Musik, vor allem "Sunny", wird weiter gespielt werden. Warum?
"Irgendwas macht den Song nicht angreifbar. Und das finde ich hochinteressant, weil die Oldie-Maschine oder die Standard-Maschine hat ihn ja ergriffen: Es gibt über 2000 aufgenommene Versionen. Das Lied wird auf der Straße gespielt, bei Straßenmusikern, auf Hochzeiten. Also ich finde, die emotionale Grundstimmung und dieses Vorsichtige, Fragile, das bleibt bei fast allen Versionen bestehen. Also der bleibt so ein wertvolles Stück Porzellan und so fassen den auch, glaub ich, alle an - diesen Song. Der hat so einen ganz speziellen Geist."

2005 hat Astrid North, die Sängerin der Band Cultured Pearls, den Song "Sunny" aufgenommen - im Duett mit Bobby Hebb, dem Mann, der diesen Welthit im Juni 1966 veröffentlicht hat.
Astrid North, Sängerin der Band Cultured Pearls, vor dem Gebäude von Deutschlandradio Kultur
Astrid North, Sängerin der Band Cultured Pearls, vor dem Gebäude von Deutschlandradio Kultur© Deutschlandradio / Dirk Schneider
Im Interview erzählt Astrid North von der Begegnung mit Hebb, einem Mann, der für die Musik gelebt hat, auch wenn er bald nach seinem ersten Album seine musikalische Karriere an den Nagel hängte. Mit "Sunny", einem der meistgecoverten Songs des 20. Jahrhundert, hat Bobby Hebb Popmusikgeschichte geschrieben. Das Gespräch, das Moderatorin Vivian Perkovic mit Astrid North geführt hat, hören Sie hier.
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