Weltkirchenrat in Karlsruhe
Der Generalsekretär des Weltkirchenrats Sauca hat sich dafür eingesetzt, dass auch eine ukrainische Delegation an der Veranstaltung teilnehmen kann. © WCC / Sean Hawkey
Glaubenstreffen mit Kriegsparteien
07:29 Minuten
In Karlsruhe tagt die 11. Vollversammlung des Weltkirchenrates. Bei dem Treffen mit rund 4000 Teilnehmenden geht es nicht nur um theologische Themen, sondern auch um große politische Fragen wie den Krieg in der Ukraine und den Nahostkonflikt.
Von einer “historischen Vollversammlung” sprach gleich zu Beginn am Mittwoch schon Heinrich Bedford-Strohm, Bischof der bayerischen Landeskirche und Mitglied der deutschen Delegation. Er meinte damit nicht nur, dass zum ersten Mal in der Geschichte des Weltkirchenrats eine Vollversammlung in Deutschland stattfindet.
Steinmeier fordert zu Widerspruch auf
Es ist ein Treffen der Weltchristenheit im Zeichen des Krieges in der Ukraine und seiner globalen Folgen, die auch die Kirchen des Südens spüren. Gleichzeitig sorgt der Krieg im Weltkirchenrat selbst für Spannungen, denn die russisch-orthodoxe Kirche ist Mitglied, und auch in Karlsruhe mit einer Delegation vertreten. Ihr Patriarch Kyrill rechtfertigt seit dem ersten Tag Putins Krieg, was Bundespräsident Walter Steinmeier in seiner Eröffnungsrede kritisierte.
"Auf einem schlimmen, ja geradezu glaubensfeindlichen, blasphemischen Irrweg führen zurzeit die Führer der russisch-orthodoxen Kirche ihre Gläubigen und ihre ganze Kirche. Sie rechtfertigen einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, gegen ihre eigenen, gegen unsere eigenen Brüder und Schwestern im Glauben. Diese Haltung muss unseren Widerspruch finden, meine Damen und Herren, auch hier in diesem Saal, auch hier in dieser Versammlung."
Einladung zum Dialog
Schon Wochen vor der Vollversammlung waren aus verschiedenen Kirchen Forderungen laut geworden, die russisch-orthodoxe Kirche auszuschließen. Der Generalsekretär des Weltkirchenrats Ioan Sauca, ein orthodoxer Priester aus Rumänien, hatte das strikt abgelehnt.
Stattdessen hat er sich dafür eingesetzt, dass auch Vertreter der ukrainischen Kirchen nach Karlsruhe kommen konnten. Gerade jetzt müssten die verfeindeten Parteien an einen Tisch kommen, der Weltkirchenrat biete eine einzigartige Plattform für den Dialog, betonte er jetzt wieder in Karlsruhe.
Gott stehe auf Seiten der Ukrainer
Am Freitag kamen die Vertreter aus der Ukraine zu Wort und sparten nicht mit markigen Worten. Erzbischof Yevstratiy beklagte die zivilen Opfer des Krieges und sagte, Russland verfolge weiter das Ziel, die Ukraine auszulöschen. Die Ukrainer aber würden weiter erfolgreich für ihre Unabhängigkeit kämpfen. "Die Wahrheit steht auf der Seite der Ukrainer, und wo die Wahrheit ist, da ist Gott. Und wo Gott ist, da ist der Sieg", so der ukrainische Erzbischof.
Die russische Delegation verbat sich unmittelbar nach Steinmeiers Mahnrede über die Moskauer Website jegliche Einmischung von außen. Eine ukrainische Journalistin hatte den Weltkirchenrat noch aufgefordert, eine Mediatorenrolle einzunehmen. Aber die will der Weltkirchenrat gegenwärtig wohl doch nicht übernehmen. Jedenfalls wussten die ukrainischen Vertreter bei ihrem Auftritt in Karlsruhe nichts von einem geplanten Gespräch am Runden Tisch.
Ringen um die Position zu Israel
Ein anderes Thema, das für heftige Spannungen im Weltkirchenrat sorgt, ist die Haltung gegenüber Israel und die Situation der Palästinenser. Schon lange pflegt der Rat eine intensive Solidarität mit den Christen in Palästina.
Im Vorfeld kursierten Gerüchte, auf der Vollversammlung solle Israel öffentlichkeitswirksam als Apartheidstaat verurteilt werden. Tatsächlich haben Delegierte aus Südafrika, unterstützt von Kirchen aus den USA, offenbar eine entsprechende Erklärung vorbereitet. Offiziell eingebracht wurde sie in der Versammlung allerdings noch nicht.
Weltkirchenratsgeneralsekretär Sauca hat gleich zu Beginn die wichtigsten Eckpunkte der bisherigen Weltkirchenratsposition noch einmal deutlich gemacht. Er hatte im Juli eigens die christlichen Kirchen im Nahen Osten besucht.
"Der Weltkirchenrat erkennt den Staat Israel an und achtet das Recht Israels, sich selbst zu verteidigen und seine Bürgerinnen und Bürger im Rahmen des Völkerrechts zu schützen. Wir widersetzen uns allen Formen von Antisemitismus, lehnen sie ab, ächten und verurteilen sie. Gleichzeitig stehen wir für gleiche Menschenrechte für Palästinenserinnen und Palästinenser ein und widersetzen uns Situationen, in denen diese nicht respektiert werden, lehnen sie ab, ächten und verurteilen sie. Menschenrechtsverletzungen anzuprangern hat nichts mit Antisemitismus zu tun, es ist ein natürlicher und normaler Ablauf in jeder demokratischen Gesellschaft."
Warnung vor Einseitigkeit
Sauca warnte vor einer einseitigen Verurteilung Israels als Apartheidstaat und auch vor einer zu großen Nähe zur Boykottbewegung BDS. Dies hätten ihm auch Führer der christlichen Kirchen in Palästina mitgegeben. Sie hätten den Weltkirchenrat zugleich gebeten, weiterhin ihre Anliegen und Rechte zu verteidigen, so Sauca.
Der Weltkirchenrat solle es jedoch vermeiden, in ihrem Namen eine Terminologie zu verwenden, die Türen für einen Dialog schließen und damit ihre bloße Existenz im Heiligen Land bedrohen könnte.
Da meldete sich Widerspruch. Ob der Generalsekretär auch von den einfachen Gläubigen eine Botschaft mitbekommen habe, nicht nur von den Kirchenführern, fragte der jordanische Delegierte Quawas, der für die kirchliche Arbeit mit palästinensischen Flüchtlingen zuständig ist. Mit scharfen Worten kritisierte er die – in seinen Augen kolonialistische – israelische Siedlungspolitik, die Vertreibung der Palästinenser von ihrem Land, ihre rechtliche Benachteiligung.
Antisemitismus müsse bekämpft werden, erklärte Quawas. Aber Antizionismus sei eine Form der Solidarität mit einem unterdrückten Volk, das um seine Freiheit kämpft. Antisemitismus ist ein Verbrechen, rief er den Delegierten zu. Aber Antizionismus sei eine Pflicht.
Die Debatten gehen weiter
An diesem Wochenende sind die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Weltkirchenratsvollversammlung unterwegs zu Gemeindebesuchen im Südwesten. Ab Montag gehen die Debatten in Karlsruhe weiter. Dann werden die Delegierten über die zukünftigen Programmschwerpunkte entscheiden und auch Erklärungen zu politischen Fragen verabschieden.
Der Krieg in der Ukraine und die Haltung zu Israel und den Palästinenser stehen dann wieder auf der Tagesordnung.