"Klimawandel ist als Ganzes negativ"
Der Energie- und Klimaexperte Niklas Höhne hält den neuen Weltklimabericht für eine gute Grundlage künftiger politischer Entscheidungen. Die Klimaverhandlungen der letzten 20 Jahren hätten aber bisher zu "wenig und nicht genug" hervorgebracht.
Jörg Degenhardt: Im japanischen Yokohama ist der neue Weltklimareport zu den Folgen des Klimawandels vorgestellt worden. Wenn es so etwas wie eine Kernbotschaft gibt, dann könnte sie wie folgt lauten:
Der vom Menschen verursachte Klimawandel hat schon jetzt schwerwiegende Auswirkungen auf alle Kontinente und Meere. Wie viel schlimmer es für Mensch und Natur noch wird, hängt davon ab, was die Menschheit in naher Zukunft gegen die Erderwärmung unternimmt.
Tagelang hatten Wissenschaftler und Politiker aus aller Welt an jeder einzelnen Formulierung dieser Botschaft gefeilt. Kein Wunder – das Papier soll eine wichtige Basis sein für die politischen Klimaverhandlungen, und die sind ja in der Regel alles andere als ein Kinderspiel. Über den Bericht des Weltklimarates wollen wir jetzt reden mit Doktor Niklas Höhne. Er ist Direktor für Energie- und Klimapolitik bei Ecofys, einem Beratungsunternehmen in Köln. Guten Morgen, Herr Höhne!
Niklas Höhne: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: So richtig überraschend sind die Erkenntnisse aus dem neuen Klimareport nicht, oder möchten Sie mir da widersprechen?
Auswirkungen des Klimawandels deutlich spürbar
Höhne: Nein. Sie unterstützen quasi das, was wir schon bei dem letzten Bericht gehört haben, der vor sieben Jahren herausgekommen ist, dass nämlich in der Tat die Auswirkungen des Klimawandels deutlich spürbar sind in sehr vielen verschiedenen Bereichen. Das wirklich neue an dem Bericht ist, dass er diesmal, dass die Datengrundlage sehr, sehr viel besser ist. Quasi zehnmal so viel Literatur, wissenschaftliche Literatur steht zur Verfügung, um eben diese Rückschlüsse zu ziehen.
Degenhardt: Aber inwieweit ist denn zum Beispiel diese Datenlage verbürgt? Denn der Weltklimarat forscht ja nicht selbst.
Höhne: Nein. Das funktioniert so: Die Wissenschaftler, in diesem Fall 300 Autoren, haben diese Studien zusammengefasst, und das ist eben keine neue Forschung, sondern eine Zusammenfassung der existierenden Studien, und die wird dann am Ende von den Regierungsvertretern noch abgesegnet und abgenommen. Und das macht eigentlich diesen Bericht so wichtig, dass er nämlich am Ende von allen Regierungsvertretern gesehen worden ist und jetzt auch als Grundlage akzeptiert werden kann, um weitere Rückschlüsse zu ziehen.
Degenhardt: Herr Höhne, immer wieder hört man, die Menschheit stehe an einem Wendepunkt – entweder handeln oder in die Katastrophe schlittern. Es passiert aber nicht viel. Vielleicht auch, weil die ganz großen Katastrophen noch nicht da sind?
Höhne: Das Hauptproblem hier sind die großen Zeitskalen im Klimasystem. Wenn wir heute anfangen, Treibhausgase zu reduzieren, dann hat das einen Vorteil auf weniger Temperaturanstieg erst in 30, 40 Jahren. Und das macht es so schwierig. Wir müssten heute investieren, um eben Treibhausgase zu reduzieren, und den Vorteil hätten wir erst sehr, sehr viel später. Und das, 30 Jahre, ist viel länger, als sehr viele denken, und auch sehr viel länger als eine Legislaturperiode.
Degenhardt: Aber noch mal: Die Menschheit erlebt doch das, was allgemein als Klimawandel bezeichnet wird, ganz unterschiedlich und nicht immer nur als Bedrohung. Also, wärmere Winter in Deutschland in der Tendenz, das empfinden ja durchaus viele als angenehm. Warum sollten wir deshalb alarmiert sein? Und in der Nordsee gibt es vielleicht demnächst Sardinen und weniger Kabeljau. Das werden wahrscheinlich auch wenige als Katastrophe erleben.
Als Ganzes negativ
Höhne: Genau! Das Klimasystem und dadurch auch die Auswirkungen sind sehr divers. In einigen wenigen Teilen kann es in der Tat positiv sein. Als Ganzes wird es aber negativ. Und auch bei ansteigenden Temperaturen kippt das sozusagen. Dann gibt es auch dort keine Regionen mehr, bei denen es positiv sein könnte. Das ist, glaube ich, wirklich der wichtige Punkt. In der Kommunikation muss man hier auch sehr vorsichtig sein, denn es gibt immer so Einzelaussagen, die dann rausgenommen werden, die – Klimawandel wär doch gut in der Region, das stimmt im Teil dann sogar auch, dass in einigen Fällen das tatsächlich besser wird.
Aber das heißt nicht, dass es als Ganzes und für die Menschheit als Ganzes nicht doch wirklich eine sehr, sehr starke Bedrohung ist. Hier ist eindeutig eine Bedrohung für die Lebensmittelproduktion langfristig. Der Bericht sagt zum Beispiel, dass Weizen um zwei Prozent pro Dekade - die Produktion oder der Ertrag - zurückgeführt werden würde, und dass über Hunderte Millionen von Menschen bedroht sind von Überflutungen eben durch steigende Meeresspiegel. Das sind deutliche Auswirkungen, die wirklich, ja, große Auswirkungen haben.
Degenhardt: Sie verfolgen die Klimaverhandlungen seit fast 20 Jahren. Kann man sagen – was haben wir bisher erreicht? Wenig bis gar nichts?
Höhne: Also wenig auf alle Fälle, und nicht genug. Man muss sich vorstellen, um den Klimawandel zu begrenzen, müssten Treibhausgasemissionen, globale Treibhausgasemissionen halbiert werden bis zur Mitte des Jahrhunderts und quasi auf Null sinken bis zum Ende des Jahrhunderts. Und selbst dann würde die Temperatur eben noch die nächsten 30 Jahre ansteigen und dann sich aber stabilisieren. Das sind große Herausforderungen, und wir sehen, dass in den letzten 20 Jahren auch immer noch, auch seitdem das IPCC solche Berichte verfasst, die Treibhausgasemissionen stetig nach oben gegangen sind. Das ist die negative Seite. Aber auf der positiven Seite gibt es schon noch zu verbuchen, dass Länder angefangen haben, sich Gedanken zu machen zum Klimawandel.
Degenhardt: Deutschland zum Beispiel. Deutschland schultert die Energiewende. Sind Sie denn mit dem bisherigen Verlauf zufrieden?
Umsetzung der Energiewende hapert
Höhne: Im Prinzip, die Idee der Energiewende ist hervorragend. Eben mehr Energieeffizienz und voll auf Erneuerbare zu setzen.
Degenhardt: Aber es gibt doch weiter Kohlekraftwerke.
Höhne: Genau. Die Umsetzung, da hapert es noch sehr. Ich finde die Diskussion, die öffentliche Diskussion zur Energiewende wird sehr auf die Förderung der Erneuerbaren verkürzt und dass das zum Teil teuer ist. Ein ganz großer Bereich, wo man eben mehr machen könnte in Deutschland, wäre zum Beispiel Energieeffizienz, also Energie einzusparen. Da sind wir bei Gebäuden ganz gut. Beim Transport und in der Industrie könnte man dann eben deutlich mehr machen.
Degenhardt: Doktor Niklas Höhne war das, Direktor für Energie- und Klimapolitik bei Ecofys in Köln. Dahinter verbirgt sich ein Beratungsunternehmen. Und Teil drei des neuen Klimareports über Möglichkeiten und Wege, die Erderwärmung zu bremsen, soll übrigens am 13. April in Berlin vorgestellt werden. Spätestens dann wird wieder Gelegenheit sein, über das Thema zu sprechen. Vielen Dank, Herr Höhne, für heute Morgen!
Höhne: Ich danke Ihnen!
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