Viele Positionen noch unversöhnlich
In Paris legen die Staats- und Regierungschefs zu Beginn ungewohnte Harmonie in Sachen Klimaschutz an den Tag. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, wie weit auseinander die Positionen noch immer liegen, kommentiert Georg Ehring.
Es sieht aus wie die ganz große Koalition im Klimaschutz: Staatenlenker, die sich sonst spinnefeind sind, beschwören ihr Engagement für den Kampf gegen die große Bedrohung der Menschheit: Wer so unterschiedlichen Politikern wie US-Präsident Barack Obama, seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin, Xi Jinping aus China oder auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zuhört, kann sich fragen: Wer hat da von wem abgeschrieben? So ähnlich klingen die Reden. Der gemeinsame Tenor dabei: Der Klimawandel bedroht uns alle, unser Land kämpft auf vorbildliche Weise dagegen und gemeinsam können wir es schaffen. Zugegeben, die Details der Reden unterscheiden sich dann doch, aber die Richtung ist fast immer dieselbe.
Kommt also jetzt der große Durchbruch? Es sind nicht nur die Reden, die optimistisch stimmen können: Ja, der Klimagipfel von Paris könnte tatsächlich mit dem lange ersehnten weltumspannenden Abkommen zu Ende gehen, das alle Staaten auf einen eigenen Beitrag gegen den Klimawandel verpflichtet. Ausstieg aus der Kohle, Einstieg in erneuerbare Energien - der erste Gipfeltag hat hier neben Reden auch handfeste Ankündigungen gebracht, etwa die einer internationalen Solarallianz von Frankreich und Indien, die Ländern in heißen Regionen Zugang zu billiger Solarenergie geben will.
Gastgeber Hollande erfährt viel Solidarität
Vielleicht macht sich gut zwei Wochen nach den Terroranschlägen auch ein verstärktes Bedürfnis nach Harmonie bemerkbar, Francois Hollande bekommt viel Solidarität und auch Dankbarkeit dafür, dass er den Gipfel trotzdem stattfinden lässt.
Doch es ist an der Zeit, ein wenig Wasser in den Wein zu gießen: Fensterreden sind das Sonntagsgeschäft eines Politikers. Der Alltag beginnt morgen, und bei den konkreten Vertragsverhandlungen hat es in letzter Zeit nur wenig Fortschritt gegeben. Viele Positionen scheinen noch unversöhnlich. Ob die Staats- und Regierungschefs hinter den Kulissen gangbare Kompromisslinien ausloten, das muss sich erst noch zeigen.
Notwendigkeit zum Nachbessern allgemein anerkannt
Und: Selbst wenn es gelingt, Paris mit einer Art Grundgesetz für den Klimaschutz der nächsten Jahre und Jahrzehnte zu verlassen - das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, ist damit noch lange nicht geschafft. Wissenschaftler, die die Wirkung der nationalen Klimaziele untersuchen, kommen eher auf drei Grad und auch die sind auch nur dann zu schaffen, wenn alle Selbstverpflichtungen auch wirklich umgesetzt werden.
Der vielleicht wichtigste Abschnitt eines Klimavertrages wird der über Nachbesserungen werden. Mindestens alle fünf Jahre muss sich die Staatengemeinschaft zusammensetzen, um die weiter bestehende Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu schließen. Gut, dass die Notwendigkeit zum Nachbessern bei den Unterhändlern allgemein anerkannt wird.