Die Hoffnung der Denkmalpfleger
Es klingt wie eine Utopie: Eine Expertengruppe in Deutschland plant den Wiederaufbau der Altstadt von Aleppo. Sie wollen verhindern, dass die Bulldozer eines Tages alles wegschieben – auch die Bausubstanz, die eigentlich noch zu retten gewesen wäre.
Manchen mag es zu früh erscheinen, sich über den Wiederaufbau Gedanken zu machen, solange ein Ende der Kampfhandlungen und Zerstörungen nicht absehbar ist. Doch genau das soll nun geschehen – bevor es möglicherweise zu spät ist. Denn die Befürchtung, dass beim Wiederaufbau nach dem Krieg Geschäfte und Profit eine größere Rolle spielen als Denkmalpflege, ist groß. Deutsche und syrische Experten planen daher bereits jetzt für die "Stunde Null" – unterstützt vom Deutschen Archäologischen Institut. Wir Deutschen, sagt DAI-Präsidentin Friederike Fless, seien durch unsere eigene Geschichte ja leider Spezialisten im Umgang mit Trümmerlandschaften.
"Wir wissen, wie das ist, wenn man in einer Stadt steht, alles ist platt, und wie geht man damit um? Also, macht man es wie in Beirut, wo man nach dem Bürgerkrieg Bulldozer nahm und die Stadt weggeschoben hat, die Altstadt , und neu gebaut hat. Oder in Aleppo zum Beispiel, würde man die Altstadt wieder aufbauen wollen, die Straßenzüge übernehmen wollen? Und diese Frage stellt sich primär, denke ich, für die Städte, und dann in einem zweiten Schritt für die Denkmäler, ob sie nun Kollateralschäden sind jetzt oder ob sie eben intentionell durch den IS zerstört worden sind."
"Wir wissen, wie das ist, wenn man in einer Stadt steht, alles ist platt, und wie geht man damit um? Also, macht man es wie in Beirut, wo man nach dem Bürgerkrieg Bulldozer nahm und die Stadt weggeschoben hat, die Altstadt , und neu gebaut hat. Oder in Aleppo zum Beispiel, würde man die Altstadt wieder aufbauen wollen, die Straßenzüge übernehmen wollen? Und diese Frage stellt sich primär, denke ich, für die Städte, und dann in einem zweiten Schritt für die Denkmäler, ob sie nun Kollateralschäden sind jetzt oder ob sie eben intentionell durch den IS zerstört worden sind."
Rettung der historischen Bausubstanz
Beirut, das frühere glanzvolle "Paris des Nahen Ostens", gilt als Beispiel für eine Stadt, in der durch den Wiederaufbau mehr zerstört wurde als durch die Bomben. Hunderte historischer Häuser wurden abgerissen und durch Luxus-Neubauten ersetzt, die ursprüngliche Bevölkerung vertrieben. Ähnliches könnte auch in Aleppo geschehen, wo angeblich schon jetzt durch das Assad-Regime Altstadt-Grundstücke an Investoren verkauft werden. Nicht jeder hat unbedingt die historische Bausubstanz im Blick.
Nour Abukhater ist syrische Studentin des internationalen Studiengangs "Cultural Heritage" an der Technischen Universität Cottbus, sie schreibt ihre Masterarbeit über den Wiederaufbau von Aleppo und Palmyra. Dafür wertet sie aktuelle Satellitenbilder aus, die den Stand der Zerstörungen zeigen. Bei Palmyra ist sie skeptisch, doch Aleppo, so ihr Fazit, könnte durchaus wieder aufgebaut werden, vielleicht mit einigen zeitgenössischen Ergänzungen. Für die junge Syrerin geht es in Aleppo auch darum, dass Basar und Altstadt auch wieder von ihren früheren Bewohnern in Besitz genommen werden könnten – die den Charme und die Authentizität des Ortes ausgemacht hätten.
Nour Abukhater ist syrische Studentin des internationalen Studiengangs "Cultural Heritage" an der Technischen Universität Cottbus, sie schreibt ihre Masterarbeit über den Wiederaufbau von Aleppo und Palmyra. Dafür wertet sie aktuelle Satellitenbilder aus, die den Stand der Zerstörungen zeigen. Bei Palmyra ist sie skeptisch, doch Aleppo, so ihr Fazit, könnte durchaus wieder aufgebaut werden, vielleicht mit einigen zeitgenössischen Ergänzungen. Für die junge Syrerin geht es in Aleppo auch darum, dass Basar und Altstadt auch wieder von ihren früheren Bewohnern in Besitz genommen werden könnten – die den Charme und die Authentizität des Ortes ausgemacht hätten.
2004 gesammelte Daten könnten beim Wiederaufbau helfen
Daran aber dürfte das korrupte Assad-Regime nicht unbedingt Interesse haben – begünstigt durch den Umstand, dass viele Grundbücher und Katasterpläne im Krieg verbrannt sind. Die BTU Cottbus könnte da mit einem Schatz der besonderen Art aushelfen: Bis kurz vor Ausbruch des Bürgerkriegs waren Stadtplaner der Universität an der sozialverträglichen Renovierung und Wiederbelebung der Altstadt Aleppos beteiligt, die von Zerfall und Verarmung bedroht war.
2004 wurde das deutsch-syrische Projekt, das von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ mit 20 Millionen Euro unterstützt wurde, mit dem Städtebaupreis der Harvard School of Design ausgezeichnet. Jetzt könnten die damals gesammelten Daten nützlich sein, um den Wiederaufbau zu ermöglichen, erklärt Britta Rudolff, Professorin für "Cultural Heritage" in Cottbus.
"Die Kollegen haben auch das sogenannte Aleppo-Archiv gegründet, wo sie versuchen, gezielt Planunterlagen der Altstadt Aleppo einzulagern außerhalb des Kriegsgebiet, um diese eben zu schützen. Und einige wenige Pläne sind dort auch bereits eingelagert und werden sozusagen jetzt von der BTU Cottbus verwaltet."
"Die Kollegen haben auch das sogenannte Aleppo-Archiv gegründet, wo sie versuchen, gezielt Planunterlagen der Altstadt Aleppo einzulagern außerhalb des Kriegsgebiet, um diese eben zu schützen. Und einige wenige Pläne sind dort auch bereits eingelagert und werden sozusagen jetzt von der BTU Cottbus verwaltet."
Das Archiv des Deutschen Archäologischen Instituts
Auch das Deutsche Archäologische Institut will seine Archive für künftige Wiederaufbaupläne öffnen - 170 Jahre lang sind die historischen Stätten im Nahen Osten von deutschen Archäologen vermessen und erforscht worden. Syrische Kollegen, viele von ihnen auf der Flucht, sollen angesprochen und zur Mitarbeit eingeladen werden. Und an der deutsch-jordanischen Universität in Amman soll ein Studiengang eingerichtet werden, der sich mit dem Wiederaufbau urbaner Strukturen beschäftigen soll – und der sich auch an syrische Flüchtlingen richtet.
Doch alle Mühe nutzt nichts, wenn am Ende mit Bulldozern Tatsachen geschaffen werden.
"Die allererste Voraussetzung muss die Anerkennung und Wertschätzung der Altstadt sein, die meistens wegen kultureller Verfremdung der Eliteschichten und Entscheidungsträger fehlt".
Der dies schrieb, war ausgerechnet Mohammed Atta, Todespilot des 11. September 2001, in seiner auf Deutsch geschriebenen Diplomarbeit, eingereicht 1999 an der Universität Hamburg. Bevor er sich radikalisierte, beschäftigte sich Atta als Architekturstudent mit dem Schutz der gefährdeten Altstadt von Aleppo.