"Weltläufigkeit der deutschen Literatur"

Wolfgang Schneider im Gespräch mit Klaus Pokatzky |
Früher habe der deutschen Literatur "ein gar nicht so schlechter Geschmack des Provinziellen angehaftet", resümiert Wolfgang Schneider. Die Longlist für den Deutschen Buchpreis 2012 beweise nun das Gegenteil. Die Leser würden nach Japan entführt oder in die Sandwüsten Nordafrikas.
Die Jury für den Deutschen Buchpreis, in der Literaturkritiker, Lektoren und Buchhändler sitzen, hat 162 Bücher gesichtet. Von A wie Ernst Augustins "Robinsons blaues Haus" bis Z wie Ulf Erdmann Zieglers "Nichts Weißes" stehen nun 20 Titel auf der Longlist. Der Deutsche Buchpreis, der den besten deutschsprachigen Roman des Jahres auszeichnet, wird zum Beginn der Frankfurter Buchmesse vergeben.

Auffallend sei bei der diesjährigen Longlist eine "gewisse Weltläufigkeit der deutschen Literatur", schätzt der Literaturkritiker Wolfgang Schneider ein. Die Leser würden nach Japan entführt, in den Kaukasus oder in die Sandwüsten Nordafrikas.

Michael Roes erzähle in "die Laute" von einem musikalischen Jungen im Jemen. Dea Loher mache in "Bugatti taucht auf" den Lago Maggiore zu einem Ort des Schreckens, während Bodo Kirchhoff den Gardasee zum Schauplatz einer "Liebe in groben Zügen" auserkoren habe. Bei Stephan Thome fliehe ein Bonner Professor aus dem universitären Trott und ließe sich von seinen "Fliehkräften" nach Südeuropa treiben. "Man kommt sehr weit rum", so Schneiders Fazit. Es wirke auf ihn schon fast exotisch, wenn sich der Roman "Wir in Kahlenbeck" von Christoph Peters auf den Schauplatz eines katholischen Internats am Niederrhein beschränke.

Ein anderer Schwerpunkt sind geschichtliche Bestandsaufnahmen der Bundesrepublik in den 50er-, 60er- und 70-er Jahren wie Ursula Krechels "Landgericht" oder Bernd Caillouxs "Gutgeschriebene Verluste".

Zu Wolfgang Schneiders persönlichen Favoriten für den Deutschen Buchpreis zählen Bernd Caillouxs "Gutgeschriebene Verluste" und Dea Lohers "Bugatti taucht auf".

Sechs Titel bleiben auf der Shortlist, die am 12. September bekannt gegeben wird.

Der Deutsche Börsenverein zeichnet am 8. Oktober zum Beginn der Frankfurter Buchmesse mit 25.000 Euro den Autor, die Autorin des besten deutschsprachigen Romans des Jahres aus. Zu den Preisträgern zählen unter anderen Eugen Ruges "In Zeiten des abnehmenden Lichts" (2011), Kathrin Schmidts "Du stirbst nicht" (2009) und "Der Turm" von Uwe Tellkamp (2008).


Sie können das vollständige Gespräch mit Wolfgang Schneider mindestens bis zum 15.1.2013 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.

Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk übertragen die Preisverleihung am 8. Oktober live im Rahmen von "Dokumente und Debatten" auf den LW 153 und 177 kHz, der MW 990 kHz, als Livestream im Internet sowie im Digitalradio DAB+.

Longlist des Deutschen Buchpreises 2012

Ernst Augustin: Robinsons blaues Haus (C. H. Beck, Januar 2012)

Bernd Cailloux: Gutgeschriebene Verluste (Suhrkamp, Februar 2012)

Jenny Erpenbeck: Aller Tage Abend (Knaus, September 2012)

Milena Michiko Flašar: Ich nannte ihn Krawatte (Wagenbach, Januar 2012)

Rainald Goetz: Johann Holtrop (Suhrkamp, September 2012)

Olga Grjasnowa: Der Russe ist einer, der Birken liebt (Hanser, Februar 2012)

Wolfgang Herrndorf: Sand (Rowohlt.Berlin, November 2011)

Bodo Kirchhoff: Die Liebe in groben Zügen (Frankfurter Verlagsanstalt, September 2012)

Germán Kratochwil: Scherbengericht (Picus, Februar 2012)

Ursula Krechel: Landgericht (Jung und Jung, August 2012)

Dea Loher: Bugatti taucht auf (Wallstein, März 2012)

Angelika Meier: Heimlich, heimlich mich vergiss (Diaphanes, März 2012)

Sten Nadolny: Weitlings Sommerfrische (Piper, Mai 2012)

Christoph Peters: Wir in Kahlenbeck (Luchterhand, August 2012)

Michael Roes: die Laute (Matthes & Seitz Berlin, September 2012)

Patrick Roth: Sunrise (Wallstein, März 2012)

Frank Schulz: Onno Viets und der Irre vom Kiez (Galiani Berlin, Februar 2012)

Clemens J. Setz: Indigo (Suhrkamp, September 2012)

Stephan Thome: Fliehkräfte (Suhrkamp, September 2012)

Ulf Erdmann Ziegler: Nichts Weißes (Suhrkamp, August 2012)
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