Weltmusik

Wie Paris die Welt feiert

Kolumbianische Volkstanzgruppe
Kolumbianischer Volkstanz wie dieser ist auch in Paris zu sehen. © picture-alliance / dpa / Foto: Arne Dedert
Von Martina Zimmermann |
Ganz egal, ob schwarz oder weiß, aus Ghana oder aus der Bretagne - Pariser Musiker spielen "Weltmusik". In der französischen Hauptstadt gehört es zum guten Ton, Jazz aus Kamerun, Sounds aus Äthiopien oder Funk aus Kolumbien zu spielen.
"Révélation", zu Deutsch "Offenbarung", heißt der Titelsong des aktuellen Albums von Jean-Baptiste Moundélé. Der Saxofonist hat seit den 1980er-Jahren mit sämtlichen afrikanischen Stars gespielt: Mory Kanté, Salif Keita, Oumou Sangaré, um nur ein paar zu nennen. Der Musiker, der einmal Jean-Baptiste Dobiecki hieß, hat afrikanische Musikstile so sehr verinnerlicht, dass er den Namen Moundélé zum Künstlernamen machte. Moundélé bedeutet auf Lingala, einer Sprache der Demokratischen Republik Kongos, Weißer.
"Am Anfang nannten sie mich 'Moundele ndombi', den schwarzen Weißen, was auch sympathisch ist. Man gab mir diesen Spitznamen, als ich in Kinshasa mit Tiken Jah Fakoly auf Tournee war. Als sie sahen, wie ich mich dort wohlfühlte, hat mir die Band diesen Spitznamen gegeben, und ich finde das klingt gut. Das ist mein afrikanischer Name. Ich wurde adoptiert, und das sind die Farben meiner Musik."

Weiße Franzosen spielen Musik aus Kongo und Kamerun

Der französische Saxofonist hat mit Jazz, Jazzrock und Funk angefangen, mit Coltrane und Weather Report. Inzwischen beherrscht Jean-Baptiste auch Mandingo-Musik, Ndombolo aus Kongo, Makossa aus Kamerun oder High Life aus Ghana. Außerdem die modernen urbanen musikalischen Trends wie den Niga el asunto Groove aus Nigeria oder Coupé décalé aus der Elfenbeinküste. Sie alle finden sich auf seinem Album.
"Das Saxofon hat den Vorteil, dass man es leicht auf dem Rücken mit sich herumtragen kann, und so konnte ich mit vielen Musikern und Bands zusammenspielen. In Kongo spielte ich mit alten Musikern, dann mit Jüngeren aktuellere kongolesische Musik, auf traditionellen Hochzeiten in Guinea spielte ich mit Balafon und Kora. Live oder im Studio konnte ich bei vielen Musikstilen mitmachen. Ich saugte all diese Musik in mir auf wie ein Schwamm und verbesserte mich mehr und mehr."
Ein anderer weißer Franzose, der sich "schwarzer" Musik verschrieben hat, ist Axel Matrod alias El Gato Negro. Vor drei Jahrzehnten wurde er in Toulouse geboren:
"Ich habe von klein auf nur schwarze Musik gehört. In der Schule hatte ich Kumpels aus dem Maghreb oder Schwarze, das war immer um mich, ich habe den Eindruck, das gehört zu mir. Meine Großeltern waren Algerier, ich war oft in Marokko und viel mit den Schwarzen in Lateinamerika zusammen. Ich habe den Eindruck, selber schwarz zu sein."
Ab seinem 15. Lebensjahr reiste der blasshäutige Axel mit seiner Gitarre durch die Welt, vor allem durch Lateinamerika, wo er vier Jahre am Stück lebte, zwischen Argentinien und Mexiko. Auf Kuba traf er seine Frau Irina, mit der er heute im Duo singt.

Franzosen spielen mit Mexikanern kolumbianische Musik

In der Band stammen außer Irina und dem mexikanischen Schlagzeuger alle anderen Musiker aus Toulouse. Gemeinsam spielen sie die Cumbia, den kolumbianischen Musikstil, der zurzeit in ganz Lateinamerika angesagt ist.
"In Frankreich haben wir den Eindruck, wir machen kubanische Musik oder Musik aus Kolumbien und auch das europäische Publikum sieht das so. Aber in Lateinamerika finden sie, wir machen europäische Musik. Wir haben ihre Musik 'verwestlicht'. Sie mögen sie, sie verstehen sie, aber für sie ist das was Neues."
Akalé Wubé bedeutet "schöne Frau". Ein Hit aus Äthiopien. Genau diesen hat die Pariser Band mit dem exotischen Namen zwar nie gespielt, aber die fünf Musiker sind auf Sound aus Äthiopien spezialisiert. Schuld daran ist die Anthologie "Ethiopiques" des Pariser Labels Buda Musique. 1998 kam das erste Album der inzwischen fast 30 CDs umfassenden Serie heraus: "Das Goldene Zeitalter der Musik Äthiopiens in den 1970er-Jahren."
Paul Bouclier, Bläser im fünfköpfigen Team Akalé Wubé, erzählt, wie die jungen Musiker diese Musik im neuen Jahrtausend entdeckten:
"Das lief über unsere Ohren. Wir hörten diese Musik und sagten: Da ist was drin. Musiker sind neugierige Menschen: Warum klingt das so? Manches darin kannten wir, den Funk zum Beispiel. Wir verstanden einen Teil, aber wieso klingt das so? Dann entdeckten wir, dass manche Tonleiter öfter vorkommt. Wir haben das nicht berechnet, unsere Ohren haben die Wahl getroffen."

Musik kennt keine Hautfarben

Inzwischen hat die Band Hunderte von Konzerten in Frankreich, Europa und Afrika gegeben. Auf dem jüngsten, dem dritten Album, ist der Großvater der Afromusik als Gast dabei: Manu Dibango, einer der ersten Afroeuropäer.
Derzeit arbeiten die Musiker an einem Album mit einem anderen äthiopischen Star aus den 1960er-Jahren, mit Girma Beyene. Das Album wird bei Buda Musique erscheinen, wie die Ethiopiques- Anthologie. Der Kreis schließt sich.
Die weißen Franzosen, die schwarze Musik machen, beweisen dass Musik keine Grenzen und keine Hautfarbe hat. Afrikaner wie Ray Lema oder Manu Dibango spielen schon lange mit Sinfonieorchestern, Moundélé, El Gato Negro oder Akalé Wubé sind weiß - aber das hört man nicht.
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