Orbans Politik wirft Schatten auf die Womex
Die Womex ist der Branchentreff der Weltmusik. Sie findet in diesem Jahr in Budapest statt - ausgerechnet in Ungarn, das durch seine Abschottung gegen Flüchtlinge kritisiert wird. Wie reagieren die Macher darauf, dass die Politik Viktor Orbans die Messe überschattet?
"Wir sehen uns nicht als politischer Akteur, sind keine Olympiade oder Eurovision Songcontest. Wir sind eine Nischenveranstaltung, die sehr tief mit der Community operiert".
Sagt Alexander Walter, Chef der Womex. Seine Nische ist die Weltmusik. Seine Community hat sich im Vorfeld der diesjährigen Womex sehr kritisch mit dem Veranstaltungsland Ungarn auseinandergesetzt. Es habe auch Boykottaufrufe gegeben, bestätigt Womex-Sprecher Paul Bräuer:
"Es gab vor allem einige Leute, die richtig verzweifelt waren ob der Nachrichten im Zuge der Flüchtlingskrise. Es gab ganz verzweifelte Anfragen. Unterstützen wir da was Falsches? Können wir was tun?"
Vorfreude trotz aller Kritik
Die kritischen Nachfragen waren nur allzu berechtigt – schaut man sich das Ganze an im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Ungarns Flüchtlingspolitik. Die Ungarin Fruzsina Szep hat acht Jahre lang das Sziget-Festival in Budapest geleitet.. Und freut sich trotz aller Kritik auf die Womex in Budapest:
"Sowas darf man nicht boykottieren! Und die Womex und die jetzige politische Situation darf man auf gar keinen Fall auf eine Waage stellen. Klar gibt es Situationen, wo ich dastehe und mich wie ein kleines Mädchen in einem dunklen Wald fühle und suche oder wünsche mir das Licht - für viele Politiker in Ungarn. Und einen 360-Grad-Durchblick zu haben."
Man kann die Kritik an Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban auch drastischer ausdrücken. Wie es der Jazzmusiker Tony Lakatos tut. Er stammt aus einer Roma-Familie in Budapest und spielt seit Jahren als festes Mitglied Saxofon in der Bigband des Hessischen Rundfunks:
"In erster Linie wünsche ich, dass diese Regierung abgewählt wird! Und dass die Menschen wählen gehen – nicht nur die Rechten. Deshalb hat Orban so viel Macht im Moment."
Musik der Roma zur Eröffnung
Die Roma-Kultur, von Ungarns Politikern oft als nicht ungarisch abqualifiziert, steht beim Eröffnungskonzert der Womex im Vordergrund. Das Motto: "Gypsy Heart-Beats", organisiert vom örtlichen Veranstalter Hangvetö. Dessen Sprecher Balázs Weyer sagt, die Musiker des Eröffnungskonzerts kämen aus einem Dorf im Nordwesten Ungarns, wo sie massiven Repressalien der rechtsextremen Jobbik-Partei ausgesetzt seien. Und Weyer betont:
"Du musst nicht mit der Poltitik Ungarns einverstanden sein, um zur Womex zu kommen".
Ob diese einfache Logik die Womex-Besucher überzeugt? Womex-Sprecher Paul Bräuer:
"Ich respektiere auch jeden, der sagt: Ich möchte da jetzt gerade nicht hin".
Die Verantalter der Womex müssen sich nicht zuletzt auch dafür kritisieren lassen, Subventionen aus den kulturellen Etats ungarischer Behörden zu kassieren.
Paul Bräuer: "Da wollen wir uns ganz klar davon distanzieren, jetzt als Feigenblatt missbraucht zu werden. Oder reich zu werden auf Kosten irgendwelcher Werte. Das Gegenteil ist der Fall. Wir wollen unsere Werte dort verbreiten, wo sie noch nicht Allgemeingut sind. Das ist das Signal, das wir setzen wollen. Sowas abzusagen wäre ein großer Fehler."
Alexander Walter: "Der ganze Event hat eine klare Aussage schon dadurch, dass jedes Jahr Leuten aus 100 Ländern kommen. Wir wollen die lokalen Kräfte stärken und die lokalen Künstler."
Sagt Womex-Chef Walter.
Ein Zeichen gegen die Abschottung?
Inwieweit das gelingt in einem Land, das sich kulturell vom Rest Europa abzuschotten scheint, wird man erst in der kommenden Woche wissen. Fruzsina Szep wird jedenfalls wieder dabei sein, zum ersten Mal bei einer Womex in ihrer Heimatstadt Budapest:
"Die Womex symbolisiert etwas Globales. Diese kulturelle Vielfalt, die wir als Menschen brauchen! Ich bin oft sehr neugierig, welche Wege dieses Land nehmen wird in den kommenden zwei Jahren. Wo es jetzt ist, fühle ich mich in Berlin viel aufgehobener. Es ist so, als könnte ich hier viel besser atmen als in Budapest".