Weltpolitik

Deutschland kann sich nicht länger heraushalten

Eine Transall landet am 28.03.2013 auf einem Flugfeld in der Nähe des Feldlager des zivil-militärischen Wiederaufbauteams (PRT) im Kundus (Afghanistan).
Die Verbündeten erwarten von Deutschland ein stärkeres Engagement in internationalen Konflikten. © picture alliance / dpa / Can Merey
Von Viola Roggenkamp · 08.09.2014
Helfen, kämpfen, sterben: Die Amerikaner sind es leid, all das allein machen zu müssen, Deutschland soll sich im Krisenfall wieder militärisch engagieren. Die Schriftstellerin Viola Roggenkamp über den schweren Weg zu einer neuen Sicherheitspolitik.
Einiges muss zusammenkommen, damit Israel aus den Schlagzeilen verschwindet. Das Land ist so klein und steht öfter als jedes andere Land im Zentrum öffentlicher Kritik. Zurzeit aber ist man auffallend zurückhaltend in der Verurteilung des jüdischen Staates.
Amerika und nun Europa, auch Deutschland, bekommen es zu tun mit Israels Gegnern. Nicht mit allen, Israel hat viele Feinde. Aber mit den schlimmsten unter ihnen, mit islamischen Fanatikern.
In seiner Rede, von der jetzt so viel die Rede war, 75 Jahre nach dem Überfall der Deutschen auf Polen, sprach Bundespräsident Gauck über diese aktuelle faschistische Gefahr. Er sprach von "fanatisierten und brutalisierten Männern und Frauen, die alle verfolgen und unter Umständen ermorden, die sich ihnen widersetzen".
Deutschland saß lange auf dem Sofa
"Unsere westlichen Städte und Staaten halten sie für Orte der Verderbnis", sagte Gauck. "Verhinderung wie Bekämpfung dieses Terrorismus liegen ganz existenziell im gemeinsamen Interesse Europas." Nicht auszuschließen sei, dass auch europäische Staaten zum Ziel islamistischer Angriffe würden.
Bislang konnte Deutschland darauf vertrauen, sich aus jedem kriegerischen Schlamassel heraushalten zu können. Deutschland saß auf dem Sofa, bewältigte seine Nazivergangenheit, hielt sich völlig zurück, eben wegen dieser Vergangenheit, und beschränkte sich aufs Rüstungsgeschäft. So friedlich ist dieses Land geworden. Wenn es schießt, dann nur noch ins Tor. In den Nachrichten von ARD und ZDF nimmt der Fußball viel Sendezeit ein.
Jetzt sollen die Deutschen wieder mitmachen. Die Welt vertraut Deutschland. Und die Amerikaner sind es leid, alles allein machen zu müssen: helfen, retten, bombardieren, zerstören, sterben und sich danach beschimpfen lassen.
Kriege finden nicht mehr zwischen Fronten statt. Armeen sind konfrontiert mit Kampfsport trainierten, bestens ausgerüsteten Terroristen. Diese Krieger bedienen sich der Zivilbevölkerung als Schutzschilde, Familien nehmen sie in Geiselhaft. Und das ist nicht Kriegslist von Untergrundkämpfern, sondern menschenverachtender Fanatismus.
Merkel und Gauck müssen Deutschland ins weltpolitische Krisengebiet führen
Armeen, Soldaten sehen sich in die Situation gebracht, nach ihren eigenen Gesetzen Kriegsverbrechen zu begehen, begehen zu müssen, wollen sie ihre Aufgabe erfüllen. Wer wüsste das besser als Israel?
Was in der Ukraine geschieht, weiß man nicht. Inzwischen melden sich andere aus dem ehemaligen Machtbereich der UdSSR. Sie sorgen sich. Die DDR kann von Glück sagen, dass es sie nicht mehr gibt. In solchen Momenten ist sie wieder da. Personifiziert in einem DDR-Pastor Gauck, der jetzt von Danzig aus zum einst russischen Brudervolk ernste Worte hinübersprach.
An der Spitze des deutschen Staates stehen übrigens zwei aus der DDR. Wenn man das in Deutschland sagt, wird man dafür gerügt. Wegen der Einheit und wegen der Unterschiede, die es nicht geben soll, die es aber gibt. Überraschend war es nicht, dass die politische Erneuerung der CDU aus der DDR kam. Überraschend ist bloß, dass keiner von beiden aus Sachsen ist. Angela Merkel sagt von sich, sie habe sich in der DDR angepasst, und Joachim Gauck erinnert sich kämpferischer, als ihn Zeitgenossen sehen.
Dieses Gespann muss nun Deutschland vom Sofa herunterholen, hinein ins weltpolitische Krisengebiet. Und wir müssen darauf vertrauen und hoffen, dass sie alles richtig machen.
Viola Roggenkamp, Schriftstellerin und Essayistin, geboren 1948 in Hamburg, studierte Psychologie, Philosophie und Musik, unternahm über mehrere Jahre ausgedehnte Reisen durch Asien und lebte eine Zeit lang in Israel. Langjährige freie Autorin der "Zeit". Letzte Buchveröffentlichung ist der Roman "Tochter und Vater".
Die Autorin Viola Roggenkamp liest am 11.03.2013 in Köln im Rahmen des Literaturfestivals Lit.Cologne. 
Die Autorin Viola Roggenkamp liest am 11.03.2013 in Köln im Rahmen des Literaturfestivals Lit.Cologne. © picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals Berlin/Kulturen des Vertrauens 2014 liest Viola Roggenkamp am 17. September um 17 Uhr im Haus der Berliner Festspiele ihren Essay "Ich will dabei sein, wenn sie über Juden reden".
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