Weltraum

Kein Spielplatz für Superreiche

04:31 Minuten
Drei Personen, teilweise schwebend, in einer Raumkapsel
Werbetour ins All: Amazon-Gründer Jeff Bezos beim Weltraumtrip. Der Wettlauf ums Weltall hat längst begonnen, meint der Politikwissenschaftler Adrian Lobe. © Imago / Cover-Images
Ein Kommentar von Adrian Lobe |
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Multimillionäre vermarkten Weltraumreisen und lassen sich ins All schießen, Nationen verhandeln Schürfrechte auf Planeten, Weltraumschrott umkreist die Erde. Der Kapitalismus macht vor der Stratosphäre nicht Halt, befürchtet Politologe Adrian Lobe.
Als Jeff Bezos im Juli dieses Jahres ins All flog, schaute die Menschheit mit einer Mischung aus Skepsis und Bewunderung auf den reichsten Mann der Welt: Abgehoben und egoistisch fanden es die einen, kühn und visionär die anderen.
Der Weltraum-Trip war nicht das Privatvergnügen des Amazon-Chefs, sondern Werbung in eigener Sache. Bezos will mit seinem Weltraumunternehmen Blue Origin Flüge ins All für eine zahlungskräftige Klientel vermarkten. 200.000 Euro soll der vierminütige Spaß in der Schwerelosigkeit kosten. Weltraumtourismus ist ein riesiges Geschäft. Nach Angaben von Blue Origin sind bereits Tickets im Wert von 100 Millionen Dollar verkauft worden, und jetzt plant Bezos auch noch ein eigenes Weltraumhotel. Im Fünf-Sterne-Resort auf den Malediven wird es selbst den Superreichen irgendwann langweilig.

Weltraumtourismus ist ein riesiges Geschäft

Der Unternehmer Jared Isaacman hat bei Elon Musks Firma SpaceX vor wenigen Wochen einen Weltraumflug für vier Personen gechartert. Kostenpunkt: 200 Millionen Dollar. Dass die Bordtoilette nicht funktionierte, störte das orbitale Reiseerlebnis offenbar wenig. Zumindest sind keine Kundenreklamationen bekannt.
Auch der Milliardär Richard Branson steht mit seinem Weltraumunternehmen in den Startlöchern. Der Wettlauf ums Weltall hat längst begonnen. Musk und sein Rivale Bezos wollen in den nächsten Jahren Tausende Satelliten in den Orbit schießen, um die Welt mit schnellem Internet zu versorgen. Es könnte allerdings ein bisschen eng werden.
Schon heute kreisen rund 6000 Satelliten in der Umlaufbahn der Erde. 40 Prozent davon sind in Betrieb, der Rest zieht einsam seine Bahnen als Weltraumschrott. Über 100.000 Trümmerteile rasen wie Geschosse über unseren Köpfen – Kupferdrähte oder Schraubenzieher zum Beispiel, die Crewmitglieder von Raumstationen verloren haben. Mit jedem Himmelskörper mehr wächst die Gefahr einer Kollision. Erst im Mai flog eine 18 Tonnen schwere chinesische Raketenstufe unkontrolliert auf die Erde – glücklicherweise in den Indischen Ozean, wo sie niemand verletzte. Man stelle sich vor, das Teil wäre über einer Großstadt gelandet!

Der Kapitalismus expandiert in den Weltraum

Derlei Unfälle halten die Überflieger aus dem Silicon Valley nicht davon ab, ihre Mission mit hehren Motiven zu legitimieren. Man wolle die Erde bewahren und schädliche Industrien verlagern, heißt es bei Blue Origin. Ob der Weltraumtourismus aber wirklich so ökologisch ist, darf bezweifelt werden. Schätzungen zufolge emittieren Raketen, die nicht wasserstoffbetrieben sind, pro Passagier 50 bis 100 Mal mehr CO2 als ein Flugzeug. Zudem richten die Raketentreibstoffe Schäden in den oberen Atmosphärenschichten an. Als hätte der Mensch auf dem Planeten Erde nicht schon genug Schaden angerichtet, beginnt er nun auch noch den Weltraum zu verwüsten.
Die expansive Logik des Kapitalismus macht selbst vor der Stratosphäre nicht Halt. Das kleine Luxemburg hat sich schon Schürfrechte für Rohstoffe im Weltall gesichert, US-Firmen wollen zahlreiche Edelmetalle auf Asteroiden abbauen. Wenn die Erde leergebohrt und leergebuddelt ist, geht man einfach ein paar Etagen höher und lässt den Müll dabei liegen.

Der Weltraum gehört der gesamten Menschheit

Zwar gibt es ein völkerrechtliches Abkommen, den Weltraumvertrag, der die Aktivitäten von Staaten regelt. Doch wie viele Satelliten oder Weltraumtouristen ein Staat ins All schickt, ist mehr oder weniger seine Sache. Wenn es aber Satelliten- und Raketenteile auf die Erde regnet, fällt uns das allen auf die Füße.
Wir brauchen daher mehr Regulierung und internationale Kooperation im Weltall. Der Weltraum ist kein Abenteuerspielplatz für Superreiche und Hobby-Astronauten – er ist wie die Hohe See gemeinsames Erbe der Menschheit. Das Weltall gehört uns allen, und das sollten auch die Herren Musk und Bezos respektieren.

Adrian Lobe, Jahrgang 1988, hat in Tübingen, Heidelberg und Paris Politik- und Rechtswissenschaft studiert. Seit 2014 arbeitet er als freier Journalist für diverse Medien im deutschsprachigen Raum, unter anderem "Die Zeit", "FAZ", "NZZ", "Süddeutsche Zeitung". 2016 wurde er für seine Artikel über Datenschutz und Überwachung mit dem Preis des Forschungsnetzwerks "Surveillance Studies" ausgezeichnet. Er ist zudem Träger des Georg von Holtzbrinck Preises für Wissenschaftsjournalismus. 2019 erschien sein Buch "Speichern und Strafen – Die Gesellschaft im Datengefängnis".

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