Weltraumforschung

"Philae" ist auf Kometenbesuch

So sieht "Rosettas" Landeeinheit "Philae" aus, die sich am 12. November 2014 von der Muttersonde lösen und auf die Oberfläche des Kometen Tschurjumow-Gerassimenko hinabsinken soll.
So sieht "Rosettas" Landeeinheit "Philae" aus, die sich am 12. November 2014 von der Muttersonde lösen und auf die Oberfläche des Kometen Tschurjumow-Gerassimenko hinabsinken soll. © MEDIALIAB / ESA / AFP
Physiker Berndt Feuerbacher im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Erstmals in der Geschichte der Menschheit soll heute eine Raumsonde auf einem Kometen landen. Es ist eine Reise zum Ursprung des Sonnensystems. Berndt Feuerbacher ist wissenschaftlicher Initiator des Landegeräts 'Philae' und beobachtet im Kontrollzentrum der ESA in Darmstadt das Manöver.
Korbinian Frenzel: Kometen haben schon wunderbare Grundlagen für allerlei Hollywood-Katastrophenfilme geliefert. Oder, wenn man es etwas gediegen europäischer mag, denken Sie an Lars von Trier mit seinem Weltuntergangswerk "Melancholia". Kometen gibt es wirklich, und wir werden, wenn heute alles gut geht, bald mehr über diese Himmelskörper erfahren. Die europäisch Sonde Rosetta setzt eine Forschungssonde auf den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko.
Und jetzt wollen wir noch mehr wissen: Sieben Milliarden Kilometer war die Raumsonde Rosetta deshalb unterwegs. Am Vormittag wird sie ein Landegerät absetzen, "Philae" heißt das. Das klingt alles nach einem Riesenaufwand, und ein solcher Aufwand provoziert die Frage, wozu das Ganze? Am Telefon ist Bernd Feuerbacher. Er ist wissenschaftlicher Initiator des Landegeräts Philae, und heute Vormittag im Kontrollzentrum der ESA in Darmstadt mit dabei, wenn Philae auf dem Kometen aufsetzen soll. Einen schönen guten Morgen!
Berndt Feuerbacher: Einen schönen guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: Warum sind Kometen so interessant für Sie?
Feuerbacher: Ja, wir haben gerade gehört, Kometen bringen uns Informationen von einer Zeit vor 4,5 Milliarden Jahren. Sie zeigen uns die Bausteine, mit denen die Sonne, die Erde, alle Planeten und vielleicht sogar das Leben auf der Erde entstanden ist. Das ist schon aufregend, wenn man zum ersten Mal zu einem Material kommt, das so grundlegend für unsere Existenz ist.
Frenzel: Nun hat man schon gehört, bisher läuft alles einigermaßen gut. Es klingt vorsichtig optimistisch, dass diese Landung klappt. Nun hat der Komet einen Durchmesser, habe ich gelesen, von vier Kilometern. Was kann denn da eigentlich schief laufen bei einem so großen Kometen?
Feuerbacher: Wir reden eigentlich nicht über Dinge, die schief laufen können. Das ganze Ding wird funktionieren. Was passiert, ist, dass es ziemlich schwierig ist, dahin zu kommen. Sie haben vielleicht Bilder gesehen von diesem Kometen. Der ist nicht gerade einladend, ziemlich zerklüftet, ziemlich stark strukturierte Oberfläche, und wenn wir da landen – wir haben keine Chance, irgendwelchen Hindernissen auszuweichen. Sie müssen sich vorstellen, das ist einer Entfernung von einer halben Milliarde Kilometer von der Erde. Schon das Funksignal braucht fast eine halbe Stunde, 28 Minuten, um hinzukommen. Das heißt, eine Steuerung in Echtzeit ist undenkbar. Das muss alles mehr oder weniger automatisch, autonom passieren.
Steile Kanten könnten kritisch werden
Und der Lander wird also abgesetzt von der Sonde, fliegt dann auf den sich drehenden Kometen, trifft ihn auf einer vorher ausgewählten Stelle, aber die Ellipse, innerhalb derer wir landen werden, hat ungefähr einen Durchmesser von 500 Metern. Und das bedeutet, wir können nicht wirklich den eigentlichen Ort, wo das Ding runterkommt, aussuchen. Das fällt irgendwo hin. Das ist wie ein Stein, der da runtergeworfen wird, und dann muss man gucken, wo er hinfällt.
Und das ist halt das Hauptrisiko, das wir haben. Wenn wir an eine steile Kante kommen oder wenn wir an einen Stein kommen – und da sind leider so ein paar steinartige Dinge –, dann kann es kritisch werden. Aber ansonsten, das ganze Manöver, alles, da vertraue ich den äußerst geschickten Leuten beim Kontrollzentrum der ESA in Darmstadt ungeheuer. Die Leute sind einfach absolute Spitze.
Frenzel: Wenn Philae dann landet auf dem Kometen – was macht er da? Ich habe gelernt, das ist ein Gerät, etwa so groß wie ein Herd, wie ein Kühlschrank. Wie muss man sich das vorstellen. Werden dann allerlei Arme ausgefahren und Proben genommen?
Ein Blick in das ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt am 6. August 2014
Im Kontrollzentrum der ESA in Darmstadt ist man gespannt auf den Höhepunkt der Rosetta-Mission.© picture alliance / dpa / Boris Roessler
Feuerbacher: Als Erstes machen wir mal ein Panoramabild. Wir haben in allen Seitenflächen Kameras drin, sodass man einen Rundumblick machen kann, ohne sich zu bewegen. Das wird nach oben geschickt, das werden wir heute Abend, vielleicht so gegen 18 Uhr, haben. Und dann fängt so eine wissenschaftliche Sequenz an. Das Wichtigste ist, dass wir uns etwa 20 bis 30 Zentimeter in die Oberfläche des Kometen hineinbohren, um zu diesem möglichst ursprünglichen Material zu kommen, nehmen uns Proben, und die werden dann vor Ort analysiert. Wir haben Massenspektrometer und Gaschromatographen an Bord. Die Daten werden dann über das Mutterschiff zur Erde gefunkt und hier analysiert. Und dann wissen wir, woraus die Erde letztendlich entstanden ist.
Kein iPhone überlebt zehn Jahre im Weltraum
Frenzel: Die Mission ist vor zehn Jahren gestartet, 2004. Da gab es noch nicht mal das IPhone. Jetzt haben wir schon IPhone Nummer sechs. Ist das denn die Technik, die Sie da hoch geschickt haben, die überhaupt noch auf dem Stand der Dinge ist?
Feuerbacher: Wissen Sie, Sie können kein IPhone für zehn Jahre in den Weltraum schicken. Die kosmische Strahlung würde das Ding so kaputt machen, dass es am Ende nicht mehr funktioniert. Sie brauchen da ganz andere Technik, die strahlensicher ist. Und diese Technik, die können Sie nicht so einfach im Laden kaufen. Wir haben natürlich das Ding gebaut in den 90er-Jahren, und schon damals muss die Technik für die Raumfahrt konservativ gewesen sein. Und nur dadurch, dass wir Komponenten gewählt haben, die für den Weltraum geeignet sind, ohne nun auf die letzte Funktionalität wie beim IPhone zu achten. Nur deswegen hat unser Gerät so lange überleben können in dieser sehr feindlichen Umgebung im Weltraum.
Frenzel: Okay, wir warten also nicht auf die Kometen-App. Bernd Feuerbacher, wissenschaftlicher Initiator des Landegeräts Philae, das heute auf einem Kometen aufsetzen soll, nach zehnjähriger Reise. Ich danke Ihnen, und ich wünsche Ihnen alles Gute für diesen heutigen Tag!
Feuerbacher: Ja, halten Sie uns die Daumen! Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema