Weltrekord-Taucher

Rezensiert von Christine Westerhaus |
Der Film "Im Rausch der Tiefe" hat das so genannte Apnoetauchen, also das Tauchen ohne künstlichen Sauerstoff, weltbekannt gemacht. Umberto Pelizzari hält darin noch immer einen der Weltrekorde. Er hat seine Geschichte nun als Buch herausgebracht.
Wer einmal selbst versucht hat, nur mit der Kraft des eigenen Körpers im Meer zu tauchen, weiß, was einen in der Tiefe erwartet: Schon nach den ersten Metern spürt man den Druck des Wassers so stark in den Ohren, dass es wehtut, und dann möchte man so schnell wie möglich wieder auftauchen, weil der Drang zu atmen unendlich groß wird. Apnoetaucher scheinen dieses Problem nicht zu kennen. Mit einem einzigen Atemzug in der Lunge bleiben sie mehrere Minuten unter Wasser und tauchen so tief, dass sie normalerweise vom Druck des Wassers zerquetscht werden müssten. Warum Menschen sich freiwillig diesen lebensfeindlichen Bedingungen aussetzen, beschreibt Umberto Pelizzari in seinem Buch "Schwerelos in blauer Tiefe". Er selbst hat im Laufe seines Lebens mehrere Weltrekorde im Freitauchen aufgestellt und schildert die Motivation der Apnoetaucher aus seiner Perspektive.

"Wer den Mut hat, seine Erdhaftigkeit abzustreifen, öffnet sich Empfindungen von einer Schönheit, einer Intensität, die er nur erfährt, indem er den Atem anhält und in die Tiefe taucht. Wenn ich an der Wasseroberfläche blieb und die Augen schloss, hatte ich das Gefühl, im schwerelosen Raum zu schweben, ich war leicht, es gab Wellen, die mich dazu brachten, mich auf eine bestimmte Art zu bewegen. Ich war nicht mehr derselbe Mensch, wie auf dem Trockenen, wenn ich auf meinen Füßen stehe und atme - ich trat in eine andere Dimension ein."

Diese "andere Dimension" zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Immer wieder schildert Pelizzari, wie er sich während des Tauchens verwandelt, dass er sich unter Wasser eher wie ein Meerestier fühlt und nicht wie ein Mensch, der wieder an Land kommt und atmen muss.
"Wenn man von einem Apnoetauchgang in großer Tiefe heraufkommt und wieder atmet, ist das wie ein Übergang zwischen dem Wasser- und dem Erdelement. Dass dieser Atemzug mit dem ersten Schrei eines Neugeborenen in Beziehung steht, liegt auf der Hand. Es ist ein Akt, der zugleich von Freude und Trauer erfüllt ist, denn du verlässt die eine Welt, um in eine andere einzutreten."

Um diesen Zustand zu erreichen, nimmt Pelizarri große Strapazen auf sich, trainiert Tag für Tag, taucht bei jedem Wetter ins Meer und versucht immer wieder, seinen natürlichen Atemreflex zu überwinden. Diese Schilderungen sind sehr anschaulich und selbst für Nicht-Taucher nachvollziehbar. Deutlich wird aber auch, dass der Wettkampf mit anderen Apnoetauchern für Pelizzari die größere Herausforderung ist. Über viele Seiten beschreibt er, wie er mit den bekanntesten Freitauchern um die Wette taucht und die Weltrekorde seiner Konkurrenten scheinbar mühelos überbietet. Dass er es mühelos schafft, einen Widersacher nach dem anderen auszustechen, möchte man ihm jedoch nicht so ganz abnehmen. Zudem verliert der Leser schnell den Überblick darüber, wer zu welchem Zeitpunkt welchen Rekord in welcher Freitauch-Disziplin aufgestellt hat. Diese Details werden zudem auch nur eingefleischte Apnoetaucher interessieren. Hochspannend wird das Buch dagegen, wenn der Autor seine Gedanken und Empfindungen während seiner spektakulärsten Tauchgänge minutiös beschreibt. In diesen Momenten bekommt man das Gefühl, mit Pelizzari gemeinsam abzutauchen.
"Das Blau ist jetzt anders: Verschlingend, berauschend, mächtig. Von jetzt an bin ich in der Welt des Schweigens und der Finsternis, der Schatten und Geheimnisse. Niemand weiß, was in diesen Tiefen mit einem Menschen geschieht. Mein Körper leidet jetzt und ächzt: Der Druck zerquetscht die Muskeln, deformiert die Haut, verwandelt mich. "

Im zweiten Teil des Buchs schildert der Autor seine besondere Beziehung zu Delfinen und beschreibt, wie er bei buddhistischen Mönchen eine besondere Atemtechnik erlernt. Auch diese Kapitel sind unterhaltsam und anschaulich geschrieben, driften aber leider an manchen Stellen ins klischeehafte ab. Das Gleiche gilt für die wenigen Fotos in dem Buch, die Pelizzari bei der Meditation mit einem buddhistischen Mönch oder beim Tauchen mit Delfinen zeigen. Das ist nichtssagend und wenig informativ. Schade ist zudem, dass man am Ende des Buchs immer noch nicht weiß, warum Apnoetaucher nur mit der Hilfe eines Tauchschlittens 150 Meter tief tauchen können, ohne ihre Gesundheit zu ruinieren. Für Laien bietet das Buch aber eine spannende Möglichkeit, in die spezielle Welt des Apnoetauchens einzutauchen.

Umberto Pelizzari: Schwerelos in blauer Tiefe
Übersetzt von Ilse Rothfuss
Verlag Frederking und Thaler
175 Seiten, 11 €