Welttag der Behinderten

Bei der beruflichen Inklusion bleibt viel zu tun

07:39 Minuten
Auf einer Illustration wird ein Job-Bewerber im Rollstuhl abgelehnt, ein nichtbehinderter Bewerber bekommt den Arbeitsplatz
Alltag für behinderte Menschen: Sie müssen deutlich länger nach einem Arbeitsplatz als nichtbehinderte Bewerber suchen. © imago images / agefotostock
Jürgen Dusel im Gespräch mit Dieter Kassel · 03.12.2020
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Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern müssen fünf Prozent der Arbeitsplätze mit Behinderten besetzen. Doch etwa 40.000 Betriebe kommen dieser Verpflichtung nicht nach. Für Jürgen Dusel, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung, ist das inakzeptabel.
Unternehmen, die keine behinderten Menschen beschäftigen, sollen wirtschaftlich stärker belastet werden. Das fordert der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel.
In Deutschland müssen Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern fünf Prozent der Arbeitsplätze mit Behinderten besetzen. Firmen, die die Quote nicht erfüllen, zahlen eine Ausgleichsabgabe.
Insgesamt gebe es rund 160.000 beschäftigungspflichtige Unternehmen, berichtet Dusel. Doch ein Viertel davon komme dieser Pflicht nicht nach und beschäftige keinen einzigen Behinderten.
"Wenn wir uns nicht an die Regeln halten, die wir uns gegeben haben, müssen wir uns überlegen, entweder die Regeln abzuschaffen oder tatsächlich zu intervenieren", betont der Beauftragte.

Fehlende Barrierefreiheit und gängige Vorurteile

Dusel hat der Bundesregierung deswegen empfohlen, die Abgabe für die Totalverweigerer unter den Unternehmen zu verdoppeln. Er hoffe, dass das jetzt umgesetzt werde.
Zum Welttag der Behinderten macht Dusel zudem noch einmal auf die fehlende Barrierefreiheit in Deutschland und die gängigen Vorurteile gegenüber Menschen mit Einschränkungen aufmerksam.
Dass behinderte Menschen nicht so leistungsfähig seien wie nicht behinderte, sei schlichtweg falsch, betont er. Trotzdem müssten Behinderte im Schnitt rund hundert Tage länger nach einem Job suchen, wenn sie arbeitslos seien.

Die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen

Und auch die Digitalisierung hat ihre Tücken: "Digitalisierung bietet für Menschen mit Behinderungen große Chancen, wenn wir einen Fehler nicht wiederholen, den wir immer machen. Dass wir erst mal etwas hinstellen, ein Gebäude, ein Bahnhof oder eine digitale Infrastruktur, und uns hinterher einfällt, dass die nicht barrierefrei ist", sagt Dusel.
So müsste die Barrierefreiheit beispielsweise schon beim Schreiben von Computerprogrammen mitgedacht werden - damit seh- oder hörbehinderte Menschen auch an Videokonferenzen teilnehmen können.
Bis dahin ist es aber vermutlich noch ein langer Weg: Nicht einmal im analogen Alltag hat sich die Barrierefreiheit bisher durchgesetzt. Nach Angaben von Dusel sind drei Viertel aller Arztpraxen in Deutschland nicht barrierefrei.
(ahe)
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