Apokalyptisches Denken im Weißen Haus
Früher kündigten Seuchen oder Hungersnöte das Weltende an, heute reicht ein Mann mit einer wilden Frisur im Weißen Haus. Die Ängste und Warnungen vor Trump sind teilweise apokalyptisch. Für den Weltuntergangsexperten Thomas Grüter ist der neue US-Präsident allerdings im Vergleich mit anderen apokalyptischen Erzählungen wenig spektakulär.
Müssen wir zittern, Angst haben? Donald Trump sitzt jetzt im Weißen Haus, und was er verkündet, ist sicherlich beunruhigend. Dass allerdings bald die Welt untergeht, wie manche Kritiker und Kommentatoren meinen, könnte sich als falsch erweisen.
Der Sachbuch-Autor und Weltuntergangsexperte Thomas Grüter weist darauf hin, dass frühere Szenarien, in denen die Welt endete, deutlich spektakulärer waren – er erinnerte im Deutschlandradio Kultur an herabfallende Sterne, Vulkanausbrüche und das Land verheerende apokalyptische Reiter:
"Da ist Trump, würde ich sagen, noch eine der kleineren Figuren."
Ansonsten aber, stellt Grüter fest, sind Trump und seine Anhänger wahre Apokalyptiker, die sich in ihrem Denken an der Offenbarung des Johannes orientieren. Denn dort geht die Welt nicht nur unter, es wird auch eine neue, ideale Welt hernach erschaffen.
Es beginnt also ein neues, "wunderbares Zeitalter" – und das sei genau das, was die Anhänger von Trump für sich in Anspruch nähmen, sagte Grüter. In dieser neuen Zeit würden dann alle Ressourcen neu verteilt – "und zwar im Wesentlichen in ihre Richtung".
Auf Trump und seine Anhänger müsse man schon "ein bisschen aufpassen", betonte Grüter. Denn diese dächten absolut:
"Das heißt, es gibt nur sie und die Anderen. Die Anderen haben noch Gelegenheit, sich ihnen anzuschließen. Aber wenn sie das nicht tun, werden sie bekämpft. Und das ist schon eine Gefahr. Auch aus Donald Trumps Reden kann man entnehmen, dass er keine Kompromisse machen möchte." (ahe)
Das Gespräch im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Früher, da gab es verlässliche Anzeichen dafür, dass die Welt bald unterzugehen droht – Seuchen zum Beispiel oder Hungersnöte. Heute reicht für viele ein Gesicht, und Sie denken an dasselbe oder vielleicht ist es eher eine Frisur, eine blonde Tolle: Donald Trump, seines Zeichens seit knapp 61 Stunden Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.
Die Welt wird nicht mehr so sein wie sie war – das ist der Tenor vieler Analysen, die nicht selten so alarmistisch klingen wie apokalyptische Darstellungen früherer Zeiten. Grund für uns zu sprechen mit jemandem, der sich mit der Faszination Apokalypse in Buchform beschäftigt hat – der Autor Thomas Grüter. Guten Morgen!
Thomas Grüter: Ja, guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: Herr Grüter, eins kann man, muss man ja feststellen: Die Welt ist noch nicht untergangen. Gestern schien sogar ganz wunderbar die Sonne in beiden Teilen Deutschland. Was soll das bedeutet: Ist die Trumpsche Apokalypse eine schleichende?
Grüter: Tja, wer weiß. Ich meine, man könnte natürlich argumentieren, Trump hat gerade erst angefangen, und es könnte uns noch einiges bevorstehen in den nächsten vier Jahren. Das müssen wir mal abwarten.
Frenzel: Sie haben sich mit Untergangsszenarien durch die Geschichte weg beschäftigt. Erkennen Sie Muster in der jetzigen Auseinandersetzung mit Trump? Gibt es so etwas wie Merkmale der Untergangsszenarien?
Grüter: Also eigentlich doch recht wenig. Die Untergangsszenarien früherer Zeiten waren eigentlich wesentlich, sagen wir mal, großartiger aufgebaut. Da waren dann schon die Kometen, da war dann schon das Herabfallen der Sterne, und da waren dann gewaltige Vulkanausbrüche, die apokalyptischen Reiter, die also die Verheerung über das Land brachten. Da ist Trump, würde ich sagen, noch, sagen wir mal, einer der kleineren Figuren.
Frenzel: Man kann ja auch sagen, all das, was religiös oder mythisch zusammengeschustert wurde, um die Apokalypse kommen zu sehen, das war ja immer im höchsten Maße irrational. Ist es jetzt nicht genau andersrum: Die, wenn auch nicht gleich das Ende der Welt, aber doch das Ende einer liberalen Weltordnung sehen, haben ja sehr rationale nachvollziehbare Begründungen, und der Irre, mit Verlaub, der sitzt im Weißen Haus.
Die Welt geht unter, und eine neue entsteht
Grüter: Ja, in gewisser Weise könnte man das so sehen, und zwar wenn man einfach mal berücksichtigt, dass die eigentliche, die ursprüngliche Apokalypse, das ist die Offenbarung des Johannes in der Bibel, ja davon ausgeht, dass zwar die alte Welt untergeht, aber eine neue Welt erschaffen wird, denn wenn man die Apokalypse des Johannes mal liest, dann haben wir also Vulkanausbrüche, wir haben Hungersnöte, wir haben eben die berühmten apokalyptischen Reiter, und danach aber wird das himmlische Jerusalem auf die Erde herabgelassen, und es beginnt ein neues wunderbares Zeitalter.
Also genau das, was ja eigentlich jetzt die Anhänger von Trump für sich in Anspruch nehmen, dass nämlich jetzt ein wunderbares Zeitalter beginnt, in dem, sagen wir mal, alle Ressourcen neu verteilt werden, und zwar im Wesentlichen in ihre Richtung.
Frenzel: Das heißt, es war eigentlich das Trump-Lager und Donald Trump, der diese Erzählung bemüht hat: Wir sind dem Untergang geweiht, und ich bringe euch die neue, die rettende Erzählung.
Grüter: Nicht wir sind dem Untergang geweiht, sondern die anderen, die Ungläubigen. Das ist eigentlich auch die Erzählung der Apokalyptiker immer schon gewesen. Das heißt, wir, die Gläubigen, wir werden den Untergang überleben, und wir beherrschen dann die Welt.
Untergehen tut nur die alte Welt, nämlich die ungerechte, die alte Welt, in der wir unterdrückt wurden, und wir, die wahren Gläubigen, und jetzt aber, wenn die Umwälzung stattgefunden hat, dann gehört uns die Welt. Das ist ziemlich genau das, was Donald Trump ja auch in seiner Einführungsrede schon gesagt hat.
Frenzel: Gibt es denn Beispiele aus der Geschichte, Untergangsszenarien und wie sie politisch in diesem Sinne instrumentalisiert wurden?
Münster als das neue Jerusalem
Grüter: Ja, ich meine, ich bin in Münster, und in Münster hat es im 16. Jahrhundert, also 1534/35, die Wiedertäufer gegeben, und die Wiedertäufer waren eine apokalyptische christliche Sekte, die fest davon überzeugt war, dass Münster das neue Jerusalem ist, und eben dieses neue Jerusalem sollte genau in diesem Jahr in Münster installiert werden.
Warum ausgerechnet in Münster – das lag daran, dass das echte Jerusalem zu dieser Zeit absolut unerreichbar war, und die Sekte hat dann halt gesagt, da, wo die meisten Gläubigen sich versammeln, da kommt das neue Jerusalem. Das war zufällig in Münster.
Dann haben sie den Fürst-Bischof ausgesperrt und haben hier mehr oder weniger eine Schreckensherrschaft angefangen, weil sie auf dem Standpunkt standen, entweder die Menschen sind für uns oder sie sind gegen uns.
Frenzel: Wie das mit den Wiedertäufern ausging, das ist ja bekannt, nämlich nicht so gut für sie. Das müssen wir Donald Trump nicht wünschen, aber die Frage ist, wie geht man denn um mit denen, die diese Erzählung bemühen von der alten Welt, die untergeht und der neuen, die geschaffen werden muss?
Grüter: Ja, das ist ein bisschen problematisch. Wenn Sie sich das genau überlegen, haben Sie bei den marxistischen Bewegungen ja eigentlich eine ähnliche Erzählung, nämlich die Erzählung, wenn erst die ganze Welt den Sozialismus erreicht hat, dann ist das Endziel, das paradiesische Endziel, also der Kommunismus, erreichbar.
Mit Feuer und Schwert
Man muss also erst sozusagen mit Feuer und Schwert die gesamte Welt zum Sozialismus bekehren, und dann wird der Staat von selber absterben, und alle Menschen werden freiwillig zusammenarbeiten, und dann erreichen wir eben die ideale Welt, den Kommunismus.
Das heißt, diese Sachen hat es tatsächlich schon öfter gegeben, jetzt beim Kommunismus eben in weltlicher Form, und man muss schon ein bisschen aufpassen, weil diese Bewegungen, die das für sich in Anspruch nehmen, die sind eben absolut. Das heißt, es gibt nur sie und die anderen.
Die anderen haben noch Gelegenheit, sich ihnen anzuschließen, aber wenn sie das nicht tun, werden sie bekämpft, und das ist schon eine Gefahr. Auch aus Donald Trumps Reden kann man entnehmen, dass er keine Kompromisse machen möchte, sondern er bietet seinen Gegner nur an, sich ihm anzuschließen oder sie werden bekämpft.
Frenzel: Es fühlt sich so an, aber er ist noch nicht eingetreten, der Weltuntergang. Apokalyptische Gedanken an diesem Morgen mit dem Autor Thomas Grüter. Vielen Dank für Ihre Zeit!
Grüter: Ja, bitte, bitte! Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.