Programmtipp: Zu wenig Wasser - Das langsame Sterben des Toten Meers, heute Abend in "Weltzeit" (Deutschlandradio Kultur, 22.3.2016, 18.30 Uhr)
"Die Knappheit wird zunehmen"
Der Umgang mit der Ressource Wasser spielt nach Angaben der UNESCO eine entscheidende Rolle für Arbeit und Wachstum. Es gibt kaum eine produzierende Branche, die ohne auskäme. Anlässlich des Weltwassertages erläutert UNESCO-Expertin Uta Wehn, wie wir Wasser sparen könnten, wenn wir unseren Konsum ändern.
40 Prozent der Weltbevölkerung sind von Wasserknappheit betroffen. Nicht nur unsere Ökosysteme, unsere Landwirtschaft und Haushalte, sondern die gesamte wirtschaftliche Entwicklung - drei Viertel aller Arbeitsplätze - weltweit ist vom Wasser abhängig. Das erklärte kürzlich Walter Hirche, Vorstandsmitglied der Deutschen UNESCO-Kommission, in Bonn. Der am Dienstag in Genf veröffentlichte UNESCO-Weltwasserbericht "Wasser und Arbeit" zeigt, dass es vielerorts möglich wäre, durch kluge Maßnahmen Wasser zu sparen. Dafür müsste allerdings investiert werden.
"Die Knappheit wird zunehmen - durch das rasante Bevölkerungswachstum und durch die zunehmenden Lebensstandarde und auch dadurch, wie wir konsumieren, welche Produkte wir konsumieren", sagt Uta Wehn, Professorin für Water Innovation Studies des UNESCO-Institute for Water Education in Delft. Wie gegensteuern?
Intelligent bewässern
Da weltweit nur zwei Prozent des Wasservorkommens Süßwasser seien, Meerwasserentsalzungsanlagen aber viel Energie verbrauchten, müsse man "auf Lösungen zuarbeiten, die mit erneuerbaren Energiequellen arbeiten, sodass Entsalzungsanlagen tragbar sind." Auch in der Landwirtschaft, dem größten Wasserverbraucher, müsse umgedacht werden. Das beginne mit der Auswahl der Pflanzen, die angebaut würden und reiche bis zum "precision farming", das Bewässerungsanlagen, dank präziserer Wettervorhersagen, gezielter und somit wassersparender einsetze.
Den Konsum verändern
Auch in unseren nördlichen Gefilden - noch ohne Wassermangel - könne viel getan werden, um der Wasserknappheit anderenorts gegenzusteuern - nicht nur, indem man weniger dusche, "sondern man kann viel mehr tun, indem man seine Ernährung und seinen Konsum anpasst. Denn vor allem Fleisch ist der größte Wasserverbraucher, wenn es um Ernährungsprodukte gehe. Nur so könne der "water foot print" der Industrieländer verändert werden. So erfordere etwa "die Produktion eines Kilos Rindfleich 15.000 Liter Wasser".
Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Es gibt eine Flüssigkeit, mit deren Hilfe wir Welt- und Wirtschaftspolitik durchdeklinieren: das Öl. Wie weit reichen die Ressourcen, was bedeuten steigende Preise, was bedeuten sinkende, wie viele Arbeitsplätze hängen im Zweifel daran? Es gibt eine viel alltäglichere Flüssigkeit, die diese prominente Betrachtung nicht erfährt: das Wasser. Das ändern wir jetzt und heute, heute ist der Weltwassertag der Vereinten Nationen. Und dass Wasser für mehr als Waschen und Zähneputzen da ist, das zeigt der Schwerpunkt, die Schwerpunktsitzung der UNO: Der liegt in diesem Jahr auf den Arbeitsplätzen und der Bedeutung des Wassers für menschenwürdige Arbeit. Am dazugehörigen diesjährigen Wasserbericht der UNO hat unser Gesprächsgast mitgeschrieben, Uta Wehn vom Institut für Wasserbildung in Delft in den Niederlanden, einer der UNESCO angegliederten Einrichtungen. Einen schönen guten Morgen nach Delft!
Uta Wehn: Guten Morgen!
Frenzel: Der Wassermangel nimmt weltweit zu, schreiben Sie in Ihrem Bericht. Inwieweit gefährdet das Arbeitsplätze?
Wehn: Ja, das ist in der Tat ein Zusammenhang, der nicht immer direkt offensichtlich ist. Natürlich denken wir an Arbeitsplätze im Zusammenhang mit Wasser primär an die Wasserwirtschaft, also an die Gewinnung, Aufbereitung, Verteilung von Wasser. Aber in diesem Bericht hat die UNESCO versucht herauszuarbeiten, wie viele andere Sektoren, Wirtschaftszweige in der Tat abhängig sind von ausreichend Wasser.
Frenzel: Und das sind viele?
Wehn: Das sind in der Tat viele. Da gibt es natürlich Unterschiede zu machen, es gibt Sektoren, die sehr stark wasserabhängig sind, das heißt, die brauchen große Mengen Wasser, zum Beispiel der Energiesektor, aber auch die Nahrungsmittelindustrie, der Bergbau; und dann gibt es Sektoren, die moderat wasserabhängig sind, die brauchen nicht so große Mengen Wasser, aber sie brauchen Wasser für sehr konkrete Arbeitsschritte, zum Beispiel im Bauwesen und auch in der Holz-, Metallverarbeitung.
Frenzel: Wenn wir diesen Wassermangel nun als Problem ansehen und als Problem begreifen, ist das vor allem ein Problem für Entwicklungsländer oder auch in Europa?
Wehn: Nein, das gilt weltweit. Man muss es auch als globales Problem betrachten, denn insgesamt sind sowieso 40 Prozent der Weltbevölkerung von Wasserknappheit betroffen, das ist ein Problem, das zugenommen hat seit den 80er-Jahren. Natürlich vor allem in den Entwicklungsländern, etwas stabilisierter halt im Westen, aber die Knappheit wird zunehmen durch das rasante Bevölkerungswachstum und durch den zunehmenden Lebensstandard und auch dadurch, wie wir konsumieren, welche Produkte wir konsumieren.
Frenzel: Können Sie uns auf der Weltkarte mal ein, zwei Beispiele nennen, wo Wasserknappheit zu einer echten Belastung für die Wirtschaft wird?
Wehn: Ja, natürlich sicherlich im mittleren Osten und im Norden Afrikas, aber vor allem auch im Afrika südlich der Sahara, wo natürlich die Infrastruktur noch gar nicht besteht. In Teilen Europas wie Spanien ist es schon lange bekannt.
Frenzel: Was sind denn Modelle, mit denen man gegensteuern kann? Ich meine, Wasser ist eine Ressource, die endlich ist. Wie machen wir das, wie kriegen wir das hin, dass der Wassermangel eben nicht die Lebensgrundlage von vielen Menschen untergräbt?
Wehn: Ja, da brauchen wir in der Tat intelligente Lösungen dafür und die sind nicht einfach, die sind in der Tat sehr komplex. Einerseits muss man mehr Wasser gewinnen. Wir haben eine begrenzte Süßwasserquantität auf dieser Welt, nur zwei Prozent des Wasservolumens ist Süßwasser, obwohl wir der blaue Planet sind. Dadurch gibt es immer mehr Entsalzungsanlagen, die aber sehr energieintensiv sind. Deshalb muss man auf Lösungen zuarbeiten, die eben mit erneuerbaren Energiequellen arbeiten, sodass Entsalzungsanlagen tragbar sind. Man muss aber auch das Wasser viel effizienter benutzen. Und da guckt man in erster Instanz natürlich auf die Landwirtschaft, die derzeit der absolut größte Wasserverbraucher ist. Da fängt es dann an mit der schlauen Anzahl der Pflanzen, die angebaut werden, die müssen an die Klimaumstände angepasst sein, aber eben auch resistenter werden gegen Trockenzeiten und gegen niederere Wasserqualität. Und …
Frenzel: Fehlen denn die … Ja, bitte, machen Sie weiter, es gibt offenbar noch weitere Gründe!
Wehn: Na ja, es gibt noch weitere Lösungen, es gibt nämlich … Die Lösung vor allem in der Landwirtschaft ist eben das sogenannte Precision Farming, also der Präzisionslandbau, der aufgrund verbesserter Wettervorhersagesysteme es ermöglicht, dass Bewässerungsanlagen eben viel gezielter und vermindert einsetzbar sind, weil man sich auf den Regen besser verlassen kann. Das ist eine Lösung, die ist nicht nur für große landwirtschaftliche Betriebe interessant, sondern eben auch für die kleinen Bauern, für die kleineren Anlagen in diversen Örtlichkeiten dieser Welt dadurch, dass die Nutzung der Handys so stark zugenommen hat und die gekoppelt werden mit innovativen Geschäftsmodellen, sodass das machbar ist.
Frenzel: Würden Sie denn sagen, dass bisher die Anreize fehlen, Wasser zu sparen? Oder anders gefragt: Ist Wasser zu billig?
Wehn: Das ist es sicherlich. Andererseits muss man auch sagen, Wasser ist ein Menschenrecht. Es ist verankert im internationalen Menschenrecht und man hat ein Recht auf den Zugang zu Wasser. Deshalb wird natürlich vor allem für den häuslichen Bereich Wasser oft subventioniert, um es bezahlbar zu machen.
Frenzel: Gibt es denn beim Wasser so was wie eine Art globale Gerechtigkeit oder vielmehr auch eine Verpflichtung, die wir haben? Oder ist es in Europa – Sie wohnen in den Niederlanden, wir hier in Deutschland haben eine ähnliche Situation, viel Wasser –, würde es irgendwas bringen, wenn wir hier sparsamer mit Wasser umgingen, für andere Weltregionen, die das nicht haben?
Wehn: Sicherlich. Da denkt man meistens im häuslichen Bereich zuerst daran, weniger zu duschen. Aber man kann viel mehr erzielen, indem man seine Ernährung und seinen Konsum anpasst. Denn vor allem das Fleisch ist der absolut größte Wasserverbraucher, wenn es um Ernährungsprodukte geht. Da muss man sich also mehr Gedanken machen, was ist eigentlich der Water Footprint, also der Wasserfußabdruck dessen, was ich konsumiere, und vor allem eben an Ernährungsmitteln.
Frenzel: Können Sie das quantifizieren, also der Water Footprint, also der Fußabdruck der Europäer und wie wir ihn idealerweise reduzieren müssten?
Wehn: Ja, das wird normalerweise auf Produktniveau gemacht. Das heißt, da wird immer das Beispiel natürlich des Kilos Rindfleisch herbeigeholt, was für ein Kilo Rindfleisch 15.000 Liter Wasser erfordert, um es auf den Tisch zu bringen. Und das sind natürlich enorme Quantitäten.
Frenzel: Das ist eine Menge. Daran sollten wir denken, wenn wir das nächste Mal in ein Stück Rindfleisch beißen. Heute ist der Weltwassertag der Vereinten Nationen, im Interview dazu Uta Wehn vom Institut für Wasserbildung in Delft in den Niederlanden. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Wehn: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.