Weltwirtschaftsforum in Davos

Elite ohne Verantwortungsbewusstsein

Teuer gekleidete Besucher des Weltwirtschaftsforums in Davos/Schweiz sitzen in einem Golf Trolley und werden durch den Schnee gefahren, im Hintergrund sind Berge zu sehen.
Jedes Jahr treffen sich in den Schweizer Bergen Hunderte von „Entscheidern“, um über die Probleme der Welt zu beratschlagen. So auch in diesem Jahr. © imago / YAY Images / Palinchak
Ein Kommentar von Stephan Kaufmann |
Blockbildung, Armut, Klimawandel: In Zeiten globaler Krisen wirbt das Weltwirtschaftsforum in Davos für Kooperation und um Vertrauen. Verantwortlichkeiten für die Missstände werden dabei ignoriert, kritisiert Wirtschaftsjournalist Stephan Kaufmann.
Das Weltwirtschaftsforum in Davos gilt als eine Art Kaminzimmer für die globale Elite aus Politik und Wirtschaft. Jedes Jahr treffen sich in den Schweizer Bergen Hunderte von „Entscheidern“, um über die Probleme der Welt zu beratschlagen. So auch in diesem Jahr.
Allerdings ist die Situation dieses Mal etwas ernster als sonst. Unsicher ist nicht nur die Schneelage in den Schweizer Bergen, sondern das ganze globale Umfeld. Besprach man früher in Davos, wie die Konflikte auf dem Weltmarkt bearbeitet werden sollten, so stellt sich dieses Jahr eher die Frage, wie lange es diesen Weltmarkt überhaupt noch gibt. 

Warnung vor Zerfall des Weltmarkts

„Kooperation in einer fragmentierten Welt“, unter diesem Titel läuft das diesjährige Weltwirtschaftsforum – und tatsächlich ist die Warnung vor einer „Fragmentierung“ allgegenwärtig, also vor einem Zerfall des Weltmarkts in geopolitische Blöcke. 
Noch vor Kurzem wurde der wachsende internationale Güter- und Geldverkehr als Erfolg gefeiert. Inzwischen aber bezeichnen die USA, China und Europa ihre internationalen Handelsbeziehungen als „Abhängigkeit“. Damit geben sie einerseits zu, dass sie die Partner als Lieferanten, Investitions- und Absatzmärkte brauchen. Gleichzeitig wird dies als Schwäche beklagt – man habe sich „erpressbar“ gemacht, heißt es. Die Ziele heißen heute daher nicht mehr „Liberalisierung“ und „Globalisierung“. Sondern „Autonomie“ und „strategische Souveränität“. 

Weltwirtschaftsforum möchte vermitteln

„Der geopolitische Wind hat sich gedreht – von der Kooperation zur Konkurrenz“, stellen auch die Veranstalter des Weltwirtschaftsforums fest und präsentieren dafür eine schlichte Lösung: Dann muss einfach wieder mehr kooperiert werden! Um das zu erreichen, stellt sich das Forum auf den Standpunkt eines Paartherapeuten, der eine Beziehungskrise heilen will.
Es hält den zerstrittenen Parteien erstens vor, sie wollten doch im Prinzip alle das Gleiche, nämlich eine bessere, gemeinsame Zukunft. Um das Miteinander zu stärken, wirbt das Forum zweitens für mehr Vertrauen, denn das sei die Voraussetzung für Kooperation. Und um dieses Vertrauen zu schaffen, bietet sich das Forum drittens als Gesprächskreis an. 
Die Veranstalter von Davos tun damit so, als gäbe es die Ursache der Streitigkeiten nicht, nämlich den zunehmend erbitterten Kampf der globalen Mächte um die Besetzung der Märkte. Bei dem können nicht alle gewinnen. Das Weltwirtschaftsforum plädiert für mehr Vertrauen, als würden dadurch die gegensätzlichen Interessen der Streitparteien verschwinden, auf denen ihr Misstrauen beruht – und als handele es sich bei der geopolitischen Blockbildung bloß um ein großes Missverständnis. Dieses Missverständnis will das Forum durch „Dialog“ beheben, so als hätte den Mächtigen der Welt bloß die Gelegenheit zum entspannten Austausch gefehlt. 

Das Ziel: Vertrauen stiften

So wird das Weltwirtschaftsforum zwar voraussichtlich nichts dazu beitragen, die globalen Gegensätze zu heilen. Aber vielleicht liegt der eigentliche Zweck dieses Treffen ohnehin woanders. Es will Vertrauen bei der Bevölkerung stiften, und zwar doppelt:
Erstens Vertrauen in das herrschende System, dessen Missstände – geopolitische Blockbildung, Armut, Klimakatastrophe und so weiter - nicht mehr als Ergebnisse der geltenden Ordnung behandelt werden, sondern als Mangel an Ordnung. Im Prinzip, so die Botschaft, ist alles zum Besten bestellt, das Wirtschaftssystem selbst ist tadellos, es funktioniert nur gerade nicht so richtig. 
Zweitens soll das Weltwirtschaftsforum Vertrauen in die Entscheider stiften. Elite-Runden wie die in Davos senden die Botschaft aus, die Mächtigen seien sich prinzipiell einig bei der Bewältigung globaler Probleme, mit deren Entstehung sie natürlich nichts zu tun haben... Indem sie Verantwortung für eine Behebung der Missstände übernimmt, Verantwortung für deren Zustandekommen aber zurückweist, wirbt die Elite beim Publikum um Vertrauen. Das sollte man ihnen nicht schenken.

Stephan Kaufmann hat Ökonomie studiert und arbeitet als Wirtschaftsjournalist in Berlin. Er arbeitet für die „Frankfurter Rundschau“, den „Freitag“, das „Neue Deutschland“ und andere Zeitungen.

Porträt des Wirtschaftsjournalisten Stephan Kaufmann
© privat
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