Wem gehört das Internet?
In Berlin treffen sich über 3000 Blogger, Internetunternehmer, Journalisten und Wissenschaftler auf der re:publica, um über das Internet und Netzpolitik zu sprechen. Vorbei sind die Zeiten, als das Netz ein Thema für eine Minderheit war, die nun von Gentrifizierung bedroht ist.
Die fünfte re:publica platzt aus allen Nähten: Viele Veranstaltungen sind überfüllt – und in allen Sälen und Räumen des Friedrichstadtpalastes und der angrenzenden Kalkscheune wird in der drangvollen Enge obendrein noch getwittert, auf Laptops geschrieben oder SMS per Handy verschickt. Noch immer sind die meisten Besucher männlich und zwischen 30 und 40, aber stärker als in den Vorjahren sind mehr Frauen und auch Ältere unter den Teilnehmern.
Das Netz verändert sich, passend dazu kursiert derzeit eine Metapher, ein Bild: Das Internet gleiche zunehmend einem Stadtviertel, das von Gentrifizierung bedroht ist. Nachdem am Anfang die jungen Wilden das Viertel bewohnt haben, werden diese nun verdrängt durch potente Neubewohner, die das Geld mitbringen, aber das Viertel auch verändern.
Das Bild stimmt zwar nicht ganz, denn im Netz ist ja für alle Platz. Aber dennoch: Zunehmend wird das virtuelle Stadtviertel Internet bewohnt von Konzernen wie Google oder Facebook, bestätigt Jörg Heidrich, Justitiar beim Heise Verlag, der unter anderem die Computerzeitschrift "c't" herausgibt:
"Jeder versucht, der im Moment eine wichtige Position im Internet hält, diese zu halten oder auszubauen. Dazu gehört natürlich auch, wenn man es sich leisten kann, wenn man groß genug ist, massiver Einfluss auf die Politik, Lobbyarbeit, um dann zu versuchen die eigene rechtliche Position durch die Politik zu verbessern und sich in diesem Stadtviertel weiter aufzubauen."
Eine der zentralen Fragen, um die es in den Debatten geht, lautet: Wem gehört das Netz eigentlich? Eine Frage, die interessanterweise stark an die Diskussionen um die Einführung des Privatfernsehens erinnert. Denn schon damals, in den 80er-Jahren stellte sich die Frage, warum die Bürger eigentlich das Kabelnetz erneut bezahlen müssen, wenn sie den Ausbau schon vorher über Steuern finanziert haben. Heute ist der große Player im Internet noch immer die Deutsche Telekom, mit der alle Anbieter in der einen oder anderen Form zusammenarbeiten müssen.
Diese Situation ist nicht unproblematisch, meint Sebastian Sooth, Netzaktivist, Blogger und Internetunternehmer:
"Ich sehe die Gefahr da drin, wenn etwas für uns so selbstverständlich sein sollte wie Luft und Wasser, nämlich der Zugang zum Netz, wenn der monopolisiert in einer Hand liegt bei einem Anbieter, wenn einem einzigen Anbieter ein Großteil der Grundinfrastruktur gehört, wenn er selber Entscheidungen trifft, welche Regionen erschließt er, welche nicht, da ist der Zugang zum Netz einfach zu stark in einer Hand, und da wünsche ich mir, dass das dezentralisiert wird"
Teil des Problems ist auch die Frage nach der sogenannten Netzneutralität, also: Welche Inhalteanbieter werden bevorzugt durch die Netze geleitet? Google etwa will den Providern mehr Geld dafür zahlen, wenn diese die Inhalte schneller an die Kunden weiterleiten – doch bedroht das nicht die demokratische Struktur des Netzes? Diese Frage sorgt immer wieder für Debatten.
Aber nicht nur die Unternehmen wollen sich ihren Platz in der virtuellen Welt sichern, auch die Politik greift in schöner Regelmäßigkeit nach dem Netz und will es unter ihre Kontrolle bringen oder versucht es zumindest. Neuestes Beispiel ist eine Diskussion um Netzsperren gegen ausländische Glückspielanbieter.
Dabei geht es nicht, wie bei der Debatte um die Kinderpornografie, um den Schutz Minderjähriger, sondern um wirtschaftliche Interessen – man will sich das staatlich sanktionierte Geschäft mit dem Glücksspiel nicht kaputtmachen lassen und fordert daher die Sperrung der entsprechenden Seiten.
Für Jörg Heidrich ist der neuerliche Ruf nach Netzsperren erschreckend:
"Ich frage mich auch, warum die Politik das tut, das Einzige, was ich mir erklären kann, ist dass es eine gewisse Angst ist vorm Netz, und den Möglichkeiten, die es bietet, die bei zumindest nicht so netzaffinen Politikern ausgeprägt ist und man das Gefühl hat, mit solchen Blockademaßnahmen eine scheinbare Kontrolle über das Netz auszuüben, die aber in der Realität nur eine Scheinkontrolle ist, die eher schadet, als dass sie irgendwem nutzt."
Ein weiterer roter Faden der re:publica sind rund ein Dutzend Veranstaltungen, bei denen es um "Open Government", und "Open Data" geht – also um das Thema offene Regierung. In den USA oder in England ist es schon viel öfter üblich, Verwaltungsvorgänge, Gesetzesinitiativen online zu stellen, die Bürger mitdiskutieren zu lassen.
Das gibt es zum Teil bei uns auch, etwa beim Bundesinnenministerium oder beim Familienministerium mit dem Projekt "Dialog Internet" – aber insgesamt ist die Bürgerbeteiligung im Netz doch noch sehr rudimentär, meint auch Christian Scholz, er ist Blogger und Experte beim Thema Partizipation im Netz:
"Es sind halt sehr vereinzelte Aktionen, die so Inseln sind, bei denen für mich auch nicht so richtig viel rauskommt, weil die andere Seite da nicht wirklich mitmacht. Der Bürger ist meist unter sich, die Politiker diskutieren in geschlossen Räumen irgendwo unter sich. Und wie das nachher zusammenkommt, ist nachher eine schwarze Box.
Von daher sind wir da noch ziemlich am Anfang, auch im Bereich Open Data, was eigentlich für mich die Grundvoraussetzung ist, dass man weiß, was abgeht, dass man sich informieren kann. Von daher stehen wir da noch ziemlich am Anfang, es gibt so einen Dreijahresplan beim Innenministerium, so was zu machen, aber das ist alles viel zu lang."
Ein weiteres Negativbeispiel, bei dem man es versäumt hat, die Bürger rechtzeitig einzubinden, ist Stuttgart 21, auch darüber wird bei der re:publica diskutiert. Tendenziell gilt: Je jünger die Politiker sind, desto eher setzen sie sich mit Internetthemen auseinander und desto eher sind sie bereit zu echtem Dialog mit den Bürgern. Politiker sah man kurioserweise kaum bei der re:publica, dabei wäre die Konferenz doch ideal, um mit der Netzgemeinde ins Gespräch zu kommen.
Markus Beckedahl mit seinem Blog netzpolitik.org, einer der bekanntesten Blogger und Mitorganisator der re:publica, sieht das Problem ähnlich:
"Politik wird von weißen Männern über 50 gemacht, die das Internet noch nicht so in ihr Leben integriert haben, die noch aus einer anderen Welt kommen, die noch sehr hierarchisch denken. Dann wollen sie jetzt nicht in Netzwerken denken, dass sich jeder jetzt partizipativ engagieren kann. Gleichzeitig hat die Politik generell Angst vor Kontrollverlust – und diese Veränderung bedeutet natürlich auch mehr zeitliche Ressourcen, wenn halt wenige Leute irgendwas abdealen, ist es weniger komplex, als wenn viele Leute irgendwo mitreden wollen."
Um die Rechte der Internetnutzer gegenüber der Politik künftig besser vertreten zu können, wurde am Mittwoch bei der re:publica die "Digitale Gesellschaft" gegründet – als Interessenvertretung aller Internetnutzer.
Beckedahl und seine Mitstreiter erhoffen sich von der Plattform neue Impulse von den Usern, um so über Netzpolitik auf einer breiteren Basis diskutieren zu können. Auf dass die Gentrifizierung des Internets gestoppt, oder zumindest verlangsamt wird.
Linktipp:
DRadio Wissen - Tagesthema: Startschuss für die "Digitale Gesellschaft"
Das Netz verändert sich, passend dazu kursiert derzeit eine Metapher, ein Bild: Das Internet gleiche zunehmend einem Stadtviertel, das von Gentrifizierung bedroht ist. Nachdem am Anfang die jungen Wilden das Viertel bewohnt haben, werden diese nun verdrängt durch potente Neubewohner, die das Geld mitbringen, aber das Viertel auch verändern.
Das Bild stimmt zwar nicht ganz, denn im Netz ist ja für alle Platz. Aber dennoch: Zunehmend wird das virtuelle Stadtviertel Internet bewohnt von Konzernen wie Google oder Facebook, bestätigt Jörg Heidrich, Justitiar beim Heise Verlag, der unter anderem die Computerzeitschrift "c't" herausgibt:
"Jeder versucht, der im Moment eine wichtige Position im Internet hält, diese zu halten oder auszubauen. Dazu gehört natürlich auch, wenn man es sich leisten kann, wenn man groß genug ist, massiver Einfluss auf die Politik, Lobbyarbeit, um dann zu versuchen die eigene rechtliche Position durch die Politik zu verbessern und sich in diesem Stadtviertel weiter aufzubauen."
Eine der zentralen Fragen, um die es in den Debatten geht, lautet: Wem gehört das Netz eigentlich? Eine Frage, die interessanterweise stark an die Diskussionen um die Einführung des Privatfernsehens erinnert. Denn schon damals, in den 80er-Jahren stellte sich die Frage, warum die Bürger eigentlich das Kabelnetz erneut bezahlen müssen, wenn sie den Ausbau schon vorher über Steuern finanziert haben. Heute ist der große Player im Internet noch immer die Deutsche Telekom, mit der alle Anbieter in der einen oder anderen Form zusammenarbeiten müssen.
Diese Situation ist nicht unproblematisch, meint Sebastian Sooth, Netzaktivist, Blogger und Internetunternehmer:
"Ich sehe die Gefahr da drin, wenn etwas für uns so selbstverständlich sein sollte wie Luft und Wasser, nämlich der Zugang zum Netz, wenn der monopolisiert in einer Hand liegt bei einem Anbieter, wenn einem einzigen Anbieter ein Großteil der Grundinfrastruktur gehört, wenn er selber Entscheidungen trifft, welche Regionen erschließt er, welche nicht, da ist der Zugang zum Netz einfach zu stark in einer Hand, und da wünsche ich mir, dass das dezentralisiert wird"
Teil des Problems ist auch die Frage nach der sogenannten Netzneutralität, also: Welche Inhalteanbieter werden bevorzugt durch die Netze geleitet? Google etwa will den Providern mehr Geld dafür zahlen, wenn diese die Inhalte schneller an die Kunden weiterleiten – doch bedroht das nicht die demokratische Struktur des Netzes? Diese Frage sorgt immer wieder für Debatten.
Aber nicht nur die Unternehmen wollen sich ihren Platz in der virtuellen Welt sichern, auch die Politik greift in schöner Regelmäßigkeit nach dem Netz und will es unter ihre Kontrolle bringen oder versucht es zumindest. Neuestes Beispiel ist eine Diskussion um Netzsperren gegen ausländische Glückspielanbieter.
Dabei geht es nicht, wie bei der Debatte um die Kinderpornografie, um den Schutz Minderjähriger, sondern um wirtschaftliche Interessen – man will sich das staatlich sanktionierte Geschäft mit dem Glücksspiel nicht kaputtmachen lassen und fordert daher die Sperrung der entsprechenden Seiten.
Für Jörg Heidrich ist der neuerliche Ruf nach Netzsperren erschreckend:
"Ich frage mich auch, warum die Politik das tut, das Einzige, was ich mir erklären kann, ist dass es eine gewisse Angst ist vorm Netz, und den Möglichkeiten, die es bietet, die bei zumindest nicht so netzaffinen Politikern ausgeprägt ist und man das Gefühl hat, mit solchen Blockademaßnahmen eine scheinbare Kontrolle über das Netz auszuüben, die aber in der Realität nur eine Scheinkontrolle ist, die eher schadet, als dass sie irgendwem nutzt."
Ein weiterer roter Faden der re:publica sind rund ein Dutzend Veranstaltungen, bei denen es um "Open Government", und "Open Data" geht – also um das Thema offene Regierung. In den USA oder in England ist es schon viel öfter üblich, Verwaltungsvorgänge, Gesetzesinitiativen online zu stellen, die Bürger mitdiskutieren zu lassen.
Das gibt es zum Teil bei uns auch, etwa beim Bundesinnenministerium oder beim Familienministerium mit dem Projekt "Dialog Internet" – aber insgesamt ist die Bürgerbeteiligung im Netz doch noch sehr rudimentär, meint auch Christian Scholz, er ist Blogger und Experte beim Thema Partizipation im Netz:
"Es sind halt sehr vereinzelte Aktionen, die so Inseln sind, bei denen für mich auch nicht so richtig viel rauskommt, weil die andere Seite da nicht wirklich mitmacht. Der Bürger ist meist unter sich, die Politiker diskutieren in geschlossen Räumen irgendwo unter sich. Und wie das nachher zusammenkommt, ist nachher eine schwarze Box.
Von daher sind wir da noch ziemlich am Anfang, auch im Bereich Open Data, was eigentlich für mich die Grundvoraussetzung ist, dass man weiß, was abgeht, dass man sich informieren kann. Von daher stehen wir da noch ziemlich am Anfang, es gibt so einen Dreijahresplan beim Innenministerium, so was zu machen, aber das ist alles viel zu lang."
Ein weiteres Negativbeispiel, bei dem man es versäumt hat, die Bürger rechtzeitig einzubinden, ist Stuttgart 21, auch darüber wird bei der re:publica diskutiert. Tendenziell gilt: Je jünger die Politiker sind, desto eher setzen sie sich mit Internetthemen auseinander und desto eher sind sie bereit zu echtem Dialog mit den Bürgern. Politiker sah man kurioserweise kaum bei der re:publica, dabei wäre die Konferenz doch ideal, um mit der Netzgemeinde ins Gespräch zu kommen.
Markus Beckedahl mit seinem Blog netzpolitik.org, einer der bekanntesten Blogger und Mitorganisator der re:publica, sieht das Problem ähnlich:
"Politik wird von weißen Männern über 50 gemacht, die das Internet noch nicht so in ihr Leben integriert haben, die noch aus einer anderen Welt kommen, die noch sehr hierarchisch denken. Dann wollen sie jetzt nicht in Netzwerken denken, dass sich jeder jetzt partizipativ engagieren kann. Gleichzeitig hat die Politik generell Angst vor Kontrollverlust – und diese Veränderung bedeutet natürlich auch mehr zeitliche Ressourcen, wenn halt wenige Leute irgendwas abdealen, ist es weniger komplex, als wenn viele Leute irgendwo mitreden wollen."
Um die Rechte der Internetnutzer gegenüber der Politik künftig besser vertreten zu können, wurde am Mittwoch bei der re:publica die "Digitale Gesellschaft" gegründet – als Interessenvertretung aller Internetnutzer.
Beckedahl und seine Mitstreiter erhoffen sich von der Plattform neue Impulse von den Usern, um so über Netzpolitik auf einer breiteren Basis diskutieren zu können. Auf dass die Gentrifizierung des Internets gestoppt, oder zumindest verlangsamt wird.
Linktipp:
DRadio Wissen - Tagesthema: Startschuss für die "Digitale Gesellschaft"