Ein See für jedermann
Viele Seen in Ostdeutschland sind an Privatleute und Investoren verkauft worden - oft zum Ärger der Bevölkerung. Deshalb will das Land Brandenburg nun die übrigen zum Verkauf stehenden Gewässer vom Bund übernehmen und an die Kommunen übergeben.
An diesem Morgen ist der Caputher See noch ruhig und glatt wie ein Spiegel. Mit zwei Ruderriemen und einem großen Kescher bepackt läuft Frank Plücken die Uferböschung hinab. Der stämmige Mitvierziger steigt in sein kleines Boot. Seit 2010 engagiert sich der Geograph mit einem Dutzend Mitstreitern für den Caputher See.
"Und wir wollten hier für die Gemeinde im Sinne des Gewässerschutzes und Naturschutzes diesen See nicht in Privathand sehen. Im Moment ist der See in Verwaltung des Landes Brandenburg und wir hoffen, dass das in diesem Jahr dann vollzogen wird und der See übertragen wird an die Gemeinde Schwielowsee."
Mit der Wiedervereinigung gingen die einst volkseigenen Gewässer in den Besitz des Bundes über. In den alten Bundesländern gehören die meisten großen Seen schon lange den Ländern und Kommunen. In den neuen Ländern galt die Devise: Alles wird privatisiert. Deshalb begann der Bund, die Seen über eine Tochtergesellschaft Stück für Stück zu verkaufen - meistbietend. So, wie auch Acker- und Waldflächen, gingen die Seen in das Eigentum von Privatleuten und Investoren über. Besonders in Brandenburg wurde viel verkauft. Hier kamen viermal so viele Seen für einen Verkauf in Frage wie im wasserreichen Mecklenburg-Vorpommern. Bis es mit dem Verkauf des Wandlitzsees einen Aufschrei gab. Denn den beliebten Badesee, der ja scheinbar allen gehört, wollten die Bürger weiter kostenlos nutzen dürfen.
Nun will das Land Brandenburg alles besser machen und hat die Gewässer vom Bund gekauft, die noch privatisiert werden sollen. Die Kommunen sollen sich in Zukunft um die Seen kümmern. Insgesamt 45 Seen will das Land in das Eigentum der örtlichen Kommunen übergeben, 20 weitere Seen erhalten die brandenburgischen Naturschutz- und Forstbehörden.
Der Verein Caputher See e.V. hat die Gemeinde Schwielowsee davon überzeugt, das Gewässer vom Land zu übernehmen - kostenlos. Frank Plücken setzt sich dafür ein, die ökologischen Probleme des kleinen Sees zu lösen. Bei der Fahrt ans andere Ufer werden die offensichtlich.
"Eines der Probleme hier am See: diese braune Trübung. Ab einem halben Meter kann man nichts mehr sehen. Eine recht handfeste Geschichte ist, dass ab den 80er-Jahren hier zu tausenden Silberkarpfen besetzt worden sind. Die kommen eigentlich aus Asien."
Und sie fühlen sich hier pudelwohl. Bis zu einem Meter lang und 13 Kilogramm schwer werden die Karpfen. Plücken rechnet mit etwa 1000 Exemplaren der großen Fische.
"Diese Menge an Fischbiomasse ist schon ein Problem aufgrund der Ausscheidungen der Fische. Und die haben eine Besonderheit, diese Silberkarpfen: Die ernähren sich ausschließlich von Plankton. Das ist vor allem das Zooplankton, also Wasserflöhe und ähnliche Arten."
Damit verschieben die Fische das natürliche Gleichgewicht im See. Blaualgen, die nicht gefressen werden, reichern sich an. Die Angler mag der reiche Fischbestand freuen. Für die Caputher, die gerne im See baden, sind die Blaualgen hingegen ein Problem, denn bei vielen Menschen können sie allergische Reaktionen hervorrufen. Deshalb sollen so viele Silberkarpfen wie möglich gefangen werden. Denn der Bund - als Vorbesitzer - hat sich jahrelang nicht um den See gekümmert.
Mit kräftigen Zügen rudert Frank Plücken zum anderen Ufer. Dort angekommen nimmt er sein Basecap ab und wischt sich den Schweiß von der Stirn.
Hier wartet schon Fischer Mirko Mannheim. Seit zehn Jahren arbeitet der junge Mann im Betrieb seines Vaters und fängt im Caputher See Fische.
"Schleien sind noch, Brasche, ein paar Aale, und Weißfisch: Bleie, Rotfedern, Plötzen, solche Sachen."
Heute will er wieder versuchen, ein paar dicke Silberkarpfen zu fangen. Über Hundert davon sind Plücken und Mannheim schon ins Netz gegangen.
Mit dem Motorboot des Fischers geht es auf die Jagd. Mit dabei: ein Stellnetz, in dem sich die Karpfen verfangen sollen.
Stück für Stück lässt Mirko Mannheim das Netz ins Wasser. Sollte ein Silberkarpfen drin sein, wird daraus allerdings kein Filet.
Bulette statt Filet
"Aus der Masse machen wir Fischbuletten. Der Fisch ist sehr fettig, das spricht nicht jeden an. In der Pfanne schwimmt der förmlich davon. Also geschmacklich ... ist halt kein wertvoller Fisch. Deswegen nur Buletten draus."
Heute gibt es aber keine Buletten, das Netz ist leer geblieben. Für einen großen Fang ist das wohl die falsche Jahreszeit, so das Urteil des Fachmannes. Mirko Mannheim wird weiter auf die Jagd nach Silberkarpfen gehen. Derweil will sich der Caputher See e.V. darum kümmern, dass Wasserexperten die Qualität des Sees beurteilen, erklärt Frank Plücken.
"Und wenn man dann eine genaue Diagnose hat, kann man sagen: 'Die und die Sanierungsmaßnahmen sind für diesen See genau die richtigen und muss dann noch mal schauen, dass man dafür entsprechende Fördermittel beantragt, die es zum Beispiel im Land Brandenburg auch durchaus gibt für solche Seesanierungsmaßnahmen.'"
Zunächst muss der See aber erst offiziell an die Gemeinde übertragen werden. Erst dann können sich Frank Plücken und seine Mitstreiter um Fördermittel bemühen, um den See ökologisch zu sanieren. Und dann können die Caputher irgendwann auch wieder ohne Sorgen Baden gehen.
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