Wendefrust eines DDR-Genies
Er ist inzwischen 60 und nur noch halb so sexy, wie damals in der Ost-Bohème. Auch sein Stern als Dichter ist nach der Wende krass gesunken. Mit süffiger Komik zeichnet Petra Morsbach ihre Hauptfigur, einen DDR-Lyriker, einst hoch dekoriert im Arbeiter- und Bauernstaat, der seine Liebe zum Wort noch einmal neu entdecken muss.
Taufrisch ist der Stoff dieses Wenderomans nicht gerade: "Dichterliebe" erzählt von einem sechzigjährigen DDR-Lyriker, der nach dem Mauerfall sein Publikum verloren hat und sich in einem ostfriesischen Künstlerhof unglücklich in eine junge Westkollegin verliebt. Die kennt den einstmals mit allen Literaturpreisen des Arbeiter- und Bauernstaates dekorierten Mann – es ist Mitte der 90er Jahre - noch nicht mal mehr dem Namen nach.
Während die Debütantin sich im Erfolg ihres Romanerstlings sonnt, hadert er, das Ost-Fossil, mit seinem Schicksal: Mehr schlecht als recht hält er sich mit Stipendien über Wasser, weist seinen Verleger in die Schranken, der ihm statt zu schwer verkäuflichen Gedichten zu einem Roman "über die Liebe in der Zone" rät. Prosa ist unter seiner Würde. Lieber bringt er gegen kleines Honorar Hermann Hesses östliche Weisheiten für ein Musical in Verse im Dreivierteltakt, mokiert sich über die "Idioten" von marktgängigen Performance-Künstlern, mit denen er dennoch allabendlich Rotweinflaschen leert oder hängt Erinnerungen nach, als er noch reihenweise verehrungsvolle Leserinnen mit One-Night-Stands beglückte.
Es gibt also viel zu jammern für diesen Trauerkloß von Ich-Erzähler. Dass man sich trotzdem für ihn interessiert, liegt an der süffigen Komik, mit der ihn Petra Morsbach im Kampf gegen den Bedeutungsverlust gnadenlos durch das Unterholz der Selbstverliebtheit treibt. Lange merkt er nicht, dass er selbst Teil des Spießertums ist, gegen das er sich in ranzigem Protest auflehnt.
Bis er am Ende, um manche Erkenntnis reicher - die begehrte Westkollegin ist längst mit seinem schärfsten Rivalen über alle Berge - wieder zu dichten beginnt. Durch das Dunkel zum Licht, die Sinnkrise als Motor für literarische Produktivität - insofern variiert der Roman einmal mehr das im Titel schon anklingende Motiv vom romantischen Künstlerideal.
Es ist zu spüren, dass die Autorin jahrelang als Dramaturgin für das Theater arbeitete. Ihre Sprache ist so lebendig wie konzentriert, die Dialoge sind prägnant, viele Szenen tragen satirische Züge: Wenn allabendlich vor dem Kamin um Status und Bettgenossen gerangelt wird, wenn die muntere Westautorin dem zerstreuten, auf seiner Weltferne beharrenden Ostgenie das Ausfüllen der Steuererklärung beibringt oder wie er, um ein bisschen flüssig zu sein, endlich seinen alten Porsche versilbert.
Wie in ihren bisherigen fünf Romanen, die zum Beispiel hinter die Kulissen der Bühnenwelt (Opernroman, 1998) oder in eine bayrische Landpfarrei (Gottesdiener, 2004) führen, lotet Morsbach auch in "Dichterliebe" präzise das Milieu ihrer Figuren aus. Wendeschicksale, DDR-Bohème, Debatten über Kunst und Literatur, über Markt und Macht - schnell zappt sich die Autorin von einem Leben ins nächste. Dabei geraten einige Figuren allzu schemenhaft und typisiert, der Zyniker als Rivale, der vertrottelte Herbergsvater, die bildungsmäßig unterbelichteten Videokünstler.
Dennoch: ein amüsanter Künstlerroman ohne jede Ostalgie.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Während die Debütantin sich im Erfolg ihres Romanerstlings sonnt, hadert er, das Ost-Fossil, mit seinem Schicksal: Mehr schlecht als recht hält er sich mit Stipendien über Wasser, weist seinen Verleger in die Schranken, der ihm statt zu schwer verkäuflichen Gedichten zu einem Roman "über die Liebe in der Zone" rät. Prosa ist unter seiner Würde. Lieber bringt er gegen kleines Honorar Hermann Hesses östliche Weisheiten für ein Musical in Verse im Dreivierteltakt, mokiert sich über die "Idioten" von marktgängigen Performance-Künstlern, mit denen er dennoch allabendlich Rotweinflaschen leert oder hängt Erinnerungen nach, als er noch reihenweise verehrungsvolle Leserinnen mit One-Night-Stands beglückte.
Es gibt also viel zu jammern für diesen Trauerkloß von Ich-Erzähler. Dass man sich trotzdem für ihn interessiert, liegt an der süffigen Komik, mit der ihn Petra Morsbach im Kampf gegen den Bedeutungsverlust gnadenlos durch das Unterholz der Selbstverliebtheit treibt. Lange merkt er nicht, dass er selbst Teil des Spießertums ist, gegen das er sich in ranzigem Protest auflehnt.
Bis er am Ende, um manche Erkenntnis reicher - die begehrte Westkollegin ist längst mit seinem schärfsten Rivalen über alle Berge - wieder zu dichten beginnt. Durch das Dunkel zum Licht, die Sinnkrise als Motor für literarische Produktivität - insofern variiert der Roman einmal mehr das im Titel schon anklingende Motiv vom romantischen Künstlerideal.
Es ist zu spüren, dass die Autorin jahrelang als Dramaturgin für das Theater arbeitete. Ihre Sprache ist so lebendig wie konzentriert, die Dialoge sind prägnant, viele Szenen tragen satirische Züge: Wenn allabendlich vor dem Kamin um Status und Bettgenossen gerangelt wird, wenn die muntere Westautorin dem zerstreuten, auf seiner Weltferne beharrenden Ostgenie das Ausfüllen der Steuererklärung beibringt oder wie er, um ein bisschen flüssig zu sein, endlich seinen alten Porsche versilbert.
Wie in ihren bisherigen fünf Romanen, die zum Beispiel hinter die Kulissen der Bühnenwelt (Opernroman, 1998) oder in eine bayrische Landpfarrei (Gottesdiener, 2004) führen, lotet Morsbach auch in "Dichterliebe" präzise das Milieu ihrer Figuren aus. Wendeschicksale, DDR-Bohème, Debatten über Kunst und Literatur, über Markt und Macht - schnell zappt sich die Autorin von einem Leben ins nächste. Dabei geraten einige Figuren allzu schemenhaft und typisiert, der Zyniker als Rivale, der vertrottelte Herbergsvater, die bildungsmäßig unterbelichteten Videokünstler.
Dennoch: ein amüsanter Künstlerroman ohne jede Ostalgie.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Petra Morsbach: Dichterliebe
Albrecht Knaus Verlag, München 2013
288 Seiten, 19,99 Euro
Albrecht Knaus Verlag, München 2013
288 Seiten, 19,99 Euro