"Weniger stachelig als sein Ruf"
Er hat großen Anteil daran, dass es 40 Jahre nach dem Erscheinen von Arno Schmidts "Zettels Traum" eine neue Ausgabe des Buches gibt. Publizist Jan Philipp Reemtsma, Gründer der Arno Schmidt Stiftung, spricht über Werk und Autor.
Diane von Billerbeck: Jetzt, nach 40 Jahren, gibt es eine neue Ausgabe, vier voluminöse Bände im Suhrkamp Verlag, herausgegeben von der Arno Schmidt Stiftung, und diese Stiftung und diese aktuelle Edition von "Zettels Traum", die hätten es vermutlich weitaus schwerer gehabt, wenn es Jan Philipp Reemtsma nicht gäbe: Der Literaturwissenschaftler und Publizist hat die Arno Schmidt Stiftung ins Leben gerufen und auch den Dichter in seinen letzten Lebensjahren finanziell unterstützt. Er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Reemtsma!
Jan Philipp Reemtsma: Guten Morgen!
von Billerbeck: Sie setzen sich ja nun seit über 30 Jahren für Arno Schmidt und seine Literatur ein mit der Stiftung. Sie geben die Bargfelder Ausgabe seiner Werke mit heraus und veranstalten die erwähnten Lesungen. Ist dieser neue "Zettels Traum", der ja jetzt gedruckt ist und nicht so, wie er damals erschienen ist, ist das auch der Höhepunkt für Sie?
Reemtsma: Es wird sich zeigen durch den Satz, dass also dieses Buch "Zettels Traum" viel weniger stachelig ist als sein Ruf. Die damalige Faksimile-Edition hat die Lektüre unglaublich erschwert. Man hat die ja gemacht, weil es dem Verlag zu teuer war, es zu setzen, und man hatte damals auch noch nicht den modernen Computersatz, mit dem das einfacher zu machen ist. Deshalb hatte das so etwas Erratisches. Jetzt ist das passiert, was eigentlich Schmidt vorhatte, nämlich ein ganz normales, gesetztes Buch zu publizieren. Und es wird sich zeigen, dass es wesentlich leichter lesbar ist, wenn man einen ganz normalen Buchsatz hat, als wenn man dieses Faksimile vor sich hat.
von Billerbeck: Trotzdem ist es ein ganz schön schwergewichtiges Buch. Ich hatte das heute morgen im Fahrradkorb und habe das in der S-Bahn transportiert, habe einige interessierte Blicke auf mich gezogen damit. Was meinen Sie denn: Damals, vor Jahrzehnten, gab es sofort Raubdrucker. Wird es jetzt auch Raubdrucker geben, die das Buch eben versuchen, noch billiger herzustellen?
Reemtsma: Das denke ich nicht, und es war damals natürlich schon ein großes Problem, weil es Schmidt die zweite Auflage von "Zettels Traum" gekostet hat. Dadurch, dass es als billiger Raubdruck rauskam, lohnte es sich für den Verlag nicht mehr, eine zweite Auflage zu machen. Und die Raubdrucker haben zwar Schmidt Honorar angeboten, aber das hat Schmidt natürlich zurückgewiesen, weil er gesagt hat: Ich kann ja nicht mein Buch zwei Mal verkaufen – an den Verlag und an die Raubdrucker.
von Billerbeck: Sie waren 18 Jahre alt, als "Zettels Traum" damals erschien. Haben Sie es gleich gelesen?
Reemtsma: Nein, das habe ich nicht, ich habe es viel später gelesen, aber dann eben doch. Und wie das mit einem solchen Buch ist: Man liest das nicht am Stück durch, sondern man liest in ihm und erkundet es, sagen wir mal, peu à peu.
von Billerbeck: Wie war denn Ihr Eindruck damals von diesem doch auch für Arno Schmidts Verhältnisse extrem anspruchsvollen Buch?
Reemtsma: Nun, es gehört nicht zu meinen Lieblingsbüchern von Arno Schmidt, das sind andere. Es ist ein nicht nur anspruchsvolles, sondern ein in gewissem Sinne auch schmerzliches Buch, weil da ein Autor eine Überanstrengung vollbringt; und die Bücher, die dann darauf gefolgt sind, "Schule der Atheisten" und "Abend mit Goldrand", die haben dann eine ganz andere Leichtigkeit gewonnen, nachdem er sich das gewissermaßen von der Seele und vom Geist geschrieben hat.
von Billerbeck: Es gibt ja Berichte von seiner Frau, die schildert, wie schrecklich diese Zeit war, als Arno Schmidt an diesem Buch gesessen hat.
Reemtsma: Das ist wohl richtig, also Schmidts Außenkontakte sind in der Zeit völlig abgebrochen worden, und er hat sich eigentlich nur noch diesem Buch gewidmet, was auch der Ehe der beiden nicht besonders gut bekommen ist.
von Billerbeck: Erprobte Arno-Schmidt-Leser, die kennen ja seinen Stil der sogenannten phonetischen Rechtschreibung, phonetisch mit "f" und Rechtschreibung hinten mit "k", seinen Umgang mit Satzzeichen, mit Doppelpunkten und Klammern, und jetzt kommen noch die drei Spalten dazu: Jeder ungeübte Leser fällt da erst mal hinten über. Ist "Zettels Traum" überhaupt ohne Anleitung lesbar?
Reemtsma: Ja, zweifellos, und ich habe ja mit Kollegen der Arno Schmidt Stiftung zusammen auch Lesungen von "Zettels Traum" gemacht. Und dabei kann man dann feststellen, dass das passagenweise sehr leicht eingängig ist.
von Billerbeck: Aber da hat man drei Stimmen, die sich unterscheiden und die die drei Spalten spielen.
Reemtsma: Ja, das macht ja nichts. Also wie Arno Schmidt selber sagte, man lässt einem Komponisten ja auch seine Sextette durchgehen.
von Billerbeck: Wir haben ja vorhin schon kurz vom Inhalt gehört. Sie kennen das Buch gut. Wie würden Sie denn erzählen, was ist das für eine Geschichte in "Zettels Traum"?
Reemtsma: Ja, ich fand die Einführung, die Sie gemacht haben, sehr gut und sehr einleuchtend. Es ist tatsächlich weniger ein klassischer Roman als ein Romanessay, also der doch über sehr lange Strecken in den Diskussionen der Hauptpersonen über das Werk Edgar Allan Poes und seine Deutung handelt. Und in diesen Passagen passiert relativ wenig, sehen wir mal von der Liebesgeschichte zwischen dem alternden Schriftsteller und dem jungen Mädchen ab. Es besteht dann dahin, dass Schmidt versucht, in dem Roman das abzubilden, was er bei Poe vorfindet, also die Verzauberung der Wirklichkeit. Die machen dann Spaziergänge durch das ländliche Bargfeld, und dann passiert allerlei, da gibt es Verwandlungen, da gibt es Überblendungen von Fantasien und Realität. Aber all das sind, sagen wir mal, weniger Handlungen als Impressionen.
von Billerbeck: Der Titel "Zettels Traum", der ist ja doppeldeutig: Einmal geht es um die 120.000 Zettel, die Arno Schmidt für sein Epos verwertet hat, und dann gibt es da noch jene Figur in Shakespeares "Sommernachtstraum", ...
Reemtsma: So ist es.
von Billerbeck: ... und überhaupt hagelt es ja Zitate und Anspielungen in diesem Buch. Sind da mittlerweile eigentlich alle Rätsel entschlüsselt, oder wird sich die Literaturwissenschaft da noch in den nächsten Jahrzehnten dran abarbeiten?
Reemtsma: Das wird so sein. Also es ist sehr vieles entschlüsselt worden, wobei ich mit dem Entschlüsseln gar nicht so glücklich bin, weil Literatur ist kein Kreuzworträtsel. Und das ist bei Schmidt genauso wenig ungewöhnlich, wie es bei Thomas Mann war: Wenn Sie also den "Dr. Faustus" lesen, dann haben Sie ebenfalls einen ganzen Sack gelehrter Anspielungen auf Mittelalter und frühe Neuzeit und so weiter und so weiter. Und das müssen Sie nicht dauernd mit einem Handbuch in der Hand lesen, sondern ich empfehle immer, das ganz unmittelbar zu tun.
von Billerbeck: Und auf sich wirken zu lassen?
Reemtsma: Und auf sich wirken zu lassen, ja.
von Billerbeck: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Jan Philipp Reemtsma über die neue Ausgabe von Arno Schmidts "Zettels Traum". Diese neue Ausgabe, die wird ja von der Arno Schmidt Stiftung herausgegeben. Sie haben 1981 die Gründung dieser Stiftung ermöglicht, haben Arno Schmidt auch selbst kennengelernt und ihn unterstützt, und es heißt immer, dass Sie ihn in dem Dörfchen Bargfeld bei Celle, wo er mit seiner Frau Alice wohnte, einfach beim Spazierengehen abgepasst haben. Stimmt das eigentlich?
Reemtsma: Das ist richtig, das ist genau so richtig.
von Billerbeck: Arno Schmidt galt ja als ausgesprochener Hagestolz, so als kauziger Typ, menschenscheu, wenn nicht sogar feindlich gegenüber seiner Umwelt eingestellt. Wie war Ihr Verhältnis? Kam es überhaupt zu einem solchen?
Reemtsma: Ja. ich habe Schmidt als einen sehr zugewandten, feinfühligen Menschen erlebt, auch einen sehr würdigen Menschen, der alles andere war als kauzig und menschenfeindlich.
von Billerbeck: So wird er aber immer dargestellt und beschrieben.
Reemtsma: Ja, das kann man nicht ändern, dass solche Legenden entstehen und dann weitergesponnen werden. Aber sie entsprechen nicht meinen Erfahrungen.
von Billerbeck: Man vergleicht ja dieses Buch oder diese Bücher "Zettels Traum" immer mit "Finnegans Wake" von James Joyce. Der ist nun Weltstar geworden, Arno Schmidt hingegen nicht. Fuchst Sie das?
Reemtsma: Nein, das kann man nicht sagen. Übrigens war Schmidts Programm, gerade in "Zettels Traum", ein viel lesbareres Buch als "Finnegans Wake" zu schreiben. Er hat mal gesagt, also Joyce hat in "Finnegans Wake" alles munter zusammengedruckt, wohingegen er das in diesen drei Textkolumnen auseinandergezogen hat.
von Billerbeck: Er hat es dem Leser also einfacher gemacht.
Reemtsma: Er hat es ihm im Grunde einfacher gemacht, ja.
von Billerbeck: Jan Philipp Reemtsma über die neue gedruckte Ausgabe von Arno Schmidts "Zettels Traum", soeben bei Suhrkamp erschienen, herausgegeben von der Arno-Schmidt-Stiftung. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch!
Reemtsma: Ich danke Ihnen!
Homepage Arno Schmidt Stiftung
Jan Philipp Reemtsma: Guten Morgen!
von Billerbeck: Sie setzen sich ja nun seit über 30 Jahren für Arno Schmidt und seine Literatur ein mit der Stiftung. Sie geben die Bargfelder Ausgabe seiner Werke mit heraus und veranstalten die erwähnten Lesungen. Ist dieser neue "Zettels Traum", der ja jetzt gedruckt ist und nicht so, wie er damals erschienen ist, ist das auch der Höhepunkt für Sie?
Reemtsma: Es wird sich zeigen durch den Satz, dass also dieses Buch "Zettels Traum" viel weniger stachelig ist als sein Ruf. Die damalige Faksimile-Edition hat die Lektüre unglaublich erschwert. Man hat die ja gemacht, weil es dem Verlag zu teuer war, es zu setzen, und man hatte damals auch noch nicht den modernen Computersatz, mit dem das einfacher zu machen ist. Deshalb hatte das so etwas Erratisches. Jetzt ist das passiert, was eigentlich Schmidt vorhatte, nämlich ein ganz normales, gesetztes Buch zu publizieren. Und es wird sich zeigen, dass es wesentlich leichter lesbar ist, wenn man einen ganz normalen Buchsatz hat, als wenn man dieses Faksimile vor sich hat.
von Billerbeck: Trotzdem ist es ein ganz schön schwergewichtiges Buch. Ich hatte das heute morgen im Fahrradkorb und habe das in der S-Bahn transportiert, habe einige interessierte Blicke auf mich gezogen damit. Was meinen Sie denn: Damals, vor Jahrzehnten, gab es sofort Raubdrucker. Wird es jetzt auch Raubdrucker geben, die das Buch eben versuchen, noch billiger herzustellen?
Reemtsma: Das denke ich nicht, und es war damals natürlich schon ein großes Problem, weil es Schmidt die zweite Auflage von "Zettels Traum" gekostet hat. Dadurch, dass es als billiger Raubdruck rauskam, lohnte es sich für den Verlag nicht mehr, eine zweite Auflage zu machen. Und die Raubdrucker haben zwar Schmidt Honorar angeboten, aber das hat Schmidt natürlich zurückgewiesen, weil er gesagt hat: Ich kann ja nicht mein Buch zwei Mal verkaufen – an den Verlag und an die Raubdrucker.
von Billerbeck: Sie waren 18 Jahre alt, als "Zettels Traum" damals erschien. Haben Sie es gleich gelesen?
Reemtsma: Nein, das habe ich nicht, ich habe es viel später gelesen, aber dann eben doch. Und wie das mit einem solchen Buch ist: Man liest das nicht am Stück durch, sondern man liest in ihm und erkundet es, sagen wir mal, peu à peu.
von Billerbeck: Wie war denn Ihr Eindruck damals von diesem doch auch für Arno Schmidts Verhältnisse extrem anspruchsvollen Buch?
Reemtsma: Nun, es gehört nicht zu meinen Lieblingsbüchern von Arno Schmidt, das sind andere. Es ist ein nicht nur anspruchsvolles, sondern ein in gewissem Sinne auch schmerzliches Buch, weil da ein Autor eine Überanstrengung vollbringt; und die Bücher, die dann darauf gefolgt sind, "Schule der Atheisten" und "Abend mit Goldrand", die haben dann eine ganz andere Leichtigkeit gewonnen, nachdem er sich das gewissermaßen von der Seele und vom Geist geschrieben hat.
von Billerbeck: Es gibt ja Berichte von seiner Frau, die schildert, wie schrecklich diese Zeit war, als Arno Schmidt an diesem Buch gesessen hat.
Reemtsma: Das ist wohl richtig, also Schmidts Außenkontakte sind in der Zeit völlig abgebrochen worden, und er hat sich eigentlich nur noch diesem Buch gewidmet, was auch der Ehe der beiden nicht besonders gut bekommen ist.
von Billerbeck: Erprobte Arno-Schmidt-Leser, die kennen ja seinen Stil der sogenannten phonetischen Rechtschreibung, phonetisch mit "f" und Rechtschreibung hinten mit "k", seinen Umgang mit Satzzeichen, mit Doppelpunkten und Klammern, und jetzt kommen noch die drei Spalten dazu: Jeder ungeübte Leser fällt da erst mal hinten über. Ist "Zettels Traum" überhaupt ohne Anleitung lesbar?
Reemtsma: Ja, zweifellos, und ich habe ja mit Kollegen der Arno Schmidt Stiftung zusammen auch Lesungen von "Zettels Traum" gemacht. Und dabei kann man dann feststellen, dass das passagenweise sehr leicht eingängig ist.
von Billerbeck: Aber da hat man drei Stimmen, die sich unterscheiden und die die drei Spalten spielen.
Reemtsma: Ja, das macht ja nichts. Also wie Arno Schmidt selber sagte, man lässt einem Komponisten ja auch seine Sextette durchgehen.
von Billerbeck: Wir haben ja vorhin schon kurz vom Inhalt gehört. Sie kennen das Buch gut. Wie würden Sie denn erzählen, was ist das für eine Geschichte in "Zettels Traum"?
Reemtsma: Ja, ich fand die Einführung, die Sie gemacht haben, sehr gut und sehr einleuchtend. Es ist tatsächlich weniger ein klassischer Roman als ein Romanessay, also der doch über sehr lange Strecken in den Diskussionen der Hauptpersonen über das Werk Edgar Allan Poes und seine Deutung handelt. Und in diesen Passagen passiert relativ wenig, sehen wir mal von der Liebesgeschichte zwischen dem alternden Schriftsteller und dem jungen Mädchen ab. Es besteht dann dahin, dass Schmidt versucht, in dem Roman das abzubilden, was er bei Poe vorfindet, also die Verzauberung der Wirklichkeit. Die machen dann Spaziergänge durch das ländliche Bargfeld, und dann passiert allerlei, da gibt es Verwandlungen, da gibt es Überblendungen von Fantasien und Realität. Aber all das sind, sagen wir mal, weniger Handlungen als Impressionen.
von Billerbeck: Der Titel "Zettels Traum", der ist ja doppeldeutig: Einmal geht es um die 120.000 Zettel, die Arno Schmidt für sein Epos verwertet hat, und dann gibt es da noch jene Figur in Shakespeares "Sommernachtstraum", ...
Reemtsma: So ist es.
von Billerbeck: ... und überhaupt hagelt es ja Zitate und Anspielungen in diesem Buch. Sind da mittlerweile eigentlich alle Rätsel entschlüsselt, oder wird sich die Literaturwissenschaft da noch in den nächsten Jahrzehnten dran abarbeiten?
Reemtsma: Das wird so sein. Also es ist sehr vieles entschlüsselt worden, wobei ich mit dem Entschlüsseln gar nicht so glücklich bin, weil Literatur ist kein Kreuzworträtsel. Und das ist bei Schmidt genauso wenig ungewöhnlich, wie es bei Thomas Mann war: Wenn Sie also den "Dr. Faustus" lesen, dann haben Sie ebenfalls einen ganzen Sack gelehrter Anspielungen auf Mittelalter und frühe Neuzeit und so weiter und so weiter. Und das müssen Sie nicht dauernd mit einem Handbuch in der Hand lesen, sondern ich empfehle immer, das ganz unmittelbar zu tun.
von Billerbeck: Und auf sich wirken zu lassen?
Reemtsma: Und auf sich wirken zu lassen, ja.
von Billerbeck: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Jan Philipp Reemtsma über die neue Ausgabe von Arno Schmidts "Zettels Traum". Diese neue Ausgabe, die wird ja von der Arno Schmidt Stiftung herausgegeben. Sie haben 1981 die Gründung dieser Stiftung ermöglicht, haben Arno Schmidt auch selbst kennengelernt und ihn unterstützt, und es heißt immer, dass Sie ihn in dem Dörfchen Bargfeld bei Celle, wo er mit seiner Frau Alice wohnte, einfach beim Spazierengehen abgepasst haben. Stimmt das eigentlich?
Reemtsma: Das ist richtig, das ist genau so richtig.
von Billerbeck: Arno Schmidt galt ja als ausgesprochener Hagestolz, so als kauziger Typ, menschenscheu, wenn nicht sogar feindlich gegenüber seiner Umwelt eingestellt. Wie war Ihr Verhältnis? Kam es überhaupt zu einem solchen?
Reemtsma: Ja. ich habe Schmidt als einen sehr zugewandten, feinfühligen Menschen erlebt, auch einen sehr würdigen Menschen, der alles andere war als kauzig und menschenfeindlich.
von Billerbeck: So wird er aber immer dargestellt und beschrieben.
Reemtsma: Ja, das kann man nicht ändern, dass solche Legenden entstehen und dann weitergesponnen werden. Aber sie entsprechen nicht meinen Erfahrungen.
von Billerbeck: Man vergleicht ja dieses Buch oder diese Bücher "Zettels Traum" immer mit "Finnegans Wake" von James Joyce. Der ist nun Weltstar geworden, Arno Schmidt hingegen nicht. Fuchst Sie das?
Reemtsma: Nein, das kann man nicht sagen. Übrigens war Schmidts Programm, gerade in "Zettels Traum", ein viel lesbareres Buch als "Finnegans Wake" zu schreiben. Er hat mal gesagt, also Joyce hat in "Finnegans Wake" alles munter zusammengedruckt, wohingegen er das in diesen drei Textkolumnen auseinandergezogen hat.
von Billerbeck: Er hat es dem Leser also einfacher gemacht.
Reemtsma: Er hat es ihm im Grunde einfacher gemacht, ja.
von Billerbeck: Jan Philipp Reemtsma über die neue gedruckte Ausgabe von Arno Schmidts "Zettels Traum", soeben bei Suhrkamp erschienen, herausgegeben von der Arno-Schmidt-Stiftung. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch!
Reemtsma: Ich danke Ihnen!
Homepage Arno Schmidt Stiftung