"Wenn alle heulen, war es eine gute Episode"

Von Monika Müller · 30.05.2006
Ghost Whisperer heißt eine neue amerikanische Serie, in der Schauspielerin Jennifer Love Hewitt die Gabe besitzt, mit Toten zu sprechen. Eine der Drehbuchautorinnen ist Lois Johnson. Die Amerikanerin erholte sich nach der erfolgreichen ersten Staffel für ein paar Tage in Deutschland. Im Sommer sollen die emotionsgeladenen Geistergeschichten auch über deutsche Bildschirme flimmern.
Lachend sitzt Lois Johnson im ICE von Leipzig nach Berlin. In Urlaubsstimmung eben.

"Gewöhnlich schreibe ich jeden Tag. Ich habe versucht, etwas über die Leute zu schreiben, die mir hier in Deutschland begegnet sind, einfach nur kurze Porträts."

Mit Interesse stellt die 41-Jährige fest: Das viele Deutsche "genau" sagen und ungeniert Bier trinken, auch im Zug. Vor ein paar Wochen saß Lois Johnson noch vor ihrem Computer in LA und schrieb an möglichen Geisterszenarios. Geschichten über Tote, die nicht zu Ruhe kommen und Jennifer Love Hewitt, den Star der Serie Ghost Whisperer, um Hilfe bitten. Ein Vietnam-Soldat zum Beispiel, der noch eine Botschaft für seine Hinterbliebenen hat.

"Entweder sagt jemand 'Ich liebe Dich', oder 'Es tut mir leid', oder jemand sagt 'Ich verzeih’ Dir.' Normalerweise sind das die drei ungelösten Situationen."

Wenn alle heulen, war es eine gute Episode, meint die Amerikanerin. Begehrt und ungewiss ist der Job von Lois Johnson. Gut bezahlt, aber man weiß nie wie lange man einem Autorenteam angehört, wie lange die Serie läuft. Im Fall von Ghost Whisperer bekamen alle Autoren grünes Licht. Ab Mai stehen die nächsten 22 Folgen an.

"Wir treffen uns alle im 'Room'. Es ist der Autorenraum, ein ganz besonderer Ort, wo wir jeden Tag Ideen austauschen. Wir sprechen über mögliche Plots, wir sprechen darüber was in der Welt los ist und wir sprechen über uns. Im Autorenraum lernt man sich extrem gut kennen. Wir kennen alle unsere Geheimnisse, weil wir versuchen, eine gute Geschichte zu schreiben. Wir versuchen etwas Wahres und Ehrliches zu finden."

Die 41-Jährige zieht viele Blicke auf sich. Eine große, attraktive Frau, die pures Selbstbewusstsein ausstrahlt. Aufgewachsen in Hollis-Queens, genauso wie die Hip-Hop-Legende RUN DMC - ein New Yorker Stadtteil, in dem vor allem Afro-Amerikaner leben. Lois Johnson studierte Kunstgeschichte an der Elite-Uni Harvard und lebte ein Jahr als Austauschstudentin in Ägypten. Sie wusste nicht genau, welche Karriere sie einschlagen sollte, bis sich eine Kommilitonin das Leben nahm.

"Eines Tages sprang sie vom Turm des Studentenwohnheims und beging Selbstmord. Dann fand man heraus, dass sie alle ihre Angelegenheiten geregelt hatte. Sie hat ihre Kreditkarten bezahlt, Ihre Studiengebühr fürs ganze Jahr, ihr Zimmer aufgeräumt und sie hat sogar den Leichensack bestellt, um ihren Leichnam an ihre Eltern zu überführen."

Über den Selbstmord schrieb Lois Johnson ihre erste Kurzgeschichte. Mitte der 90er zog die New Yorkerin nach Los Angeles und fing an, Drehbücher zu schreiben. Geschichten aus dem Polizeialltag.

Erlebnisse ihres Vaters, der 30 Jahre lang, als Bewährungshelfer in New York arbeitete.

"Mit meinem Vater aufzuwachsen, fühlte sich oft so an, wie auf Bewährung zu leben. Er war sehr streng und kontrollierend, aber trotzdem ein faszinierender Typ. Er sagte oft, dass er 30 Jahre seines Lebens verschwendet hätte, aber ich habe versucht ihn daran zu erinnern, dass es jedenfalls für mich keine Verschwendung war, weil viele seiner Geschichten im Fernsehen landeten."

In Serien wie: CSI Miami, Homicide, und besonders stolz machte es ihren Vater, dass sie für seine Lieblingssendung Law&Order schrieb. Über 30 Fernsehstunden hat Lois Johnson mit ihren Charakteren gefüllt. Im Moment ist ihr das Schreiben am Wichtigsten, zuhause wartet nach ihrer Scheidung nur eine Katze. Sie vergleicht ihre Arbeit mit einem Marathon, für den sie täglich beim Joggen in LA trainiert. Die Kondition muss für eine lange Strecke reichen, nicht nur für einen Sprint. Und auf der anderen Seite, meint die Amerikanerin lächelnd, sei es befreiend einfach.

"Niemand muss einem eine Erlaubnis geben. Wenn man Schreiben möchte, sollte man sich einfach hinsetzen und schreiben. Man kann das ganz für sich alleine machen."