Wenn aus der Realität großes Kino wird

Von Christian Berndt · 31.05.2007
Der Dokumentarfilm "Prinzessinnenbad", der heute in den Kinos startet, war auf der diesjährigen Berlinale der Überraschungserfolg. Er zeichnet realitätsnah das Porträt einer Großstadtjugend. Die Regisseurin Bettina Blümner zeigt in dem Film ihr Talent für authentisches wie atmosphärisches Erzählen.
Filmausschnitt "Prinzessinnenbad": ""Beziehungen? – 29. (Lachen) Scheiße, warum so viel? - Ich bin in jeder Beziehung fremdgegangen, also wenn wir besoffen sind, machen wir rum. Keine Ahnung warum. Wenn ich erwachsen bin, werd’ ich bi. Dann bin ich nicht von Jungs abhängig, wenn kein Junge da ist, nehm’ ich mir ’n Mädchen. (Lachen)"

Drei Mädchen, fünfzehn Jahre alt und nicht auf den Mund gefallen, kämpfen sich durch in Berlin-Kreuzberg. Es ist ein Leben zwischen Telefonchats, Partys, Jungs und Schule, aber auch intimer Freundschaft und Vertrauen. Jugend ist kein romantisches Abenteuer in Bettina Blümners Dokumentarfilm "Prinzessinnenbad". Nah bis auf die Haut filmt die junge Regisseurin die Welt dieser drei Mädchen, die sie über ein Jahr lang begleitet hat.

Blümner: "Im mag das gerne, wenn Schauspieler so eine gewisse Offenheit und Direktheit haben, und das habe ich jetzt bei "Prinzesssinnenbad" gefunden. Die Mädchen sind sehr selbstbewusst, offen und direkt. Man kann sich dran reiben, die tun das nicht versteckt, sondern das ist schon offensichtlich. Und das finde ich spannend."

Bettina Blümner forscht gerne in fremden Welten. Ihre Filme spielen in der brandenburgischen Provinz, auf Kuba oder in Berlin, wo sie heute lebt. Die Welt, aus der sie selbst kommt, ist eine andere als die ihrer Filmhelden. Sie stammt aus Düsseldorf, aus einer Lehrerfamilie. Zuhause gibt es oft Dia-Abende, erzählt sie, das weckt ihre Leidenschaft für Bilder. Blümner macht eine Fotografenausbildung, arbeitet zeitweise als Porträt- und Modefotografin.

Bettina Blümner: "”Mich haben hauptsächlich die Menschen gereizt, und das reizt mich auch immer noch an der Fotografie. Die Menschen, die Ausdrücke auf den Gesichtern, die Stimmung und die Geschichten, die man auch mit einzelnen Bildern transportieren kann. Ich habe aber gemerkt, dass das sehr begrenzt ist in der Fotografie und wollte noch mehr auf die Inhalte hinaus und bin dann von der Fotografie zum bewegten Bild gekommen, auch um Geschichten erzählen zu können und noch tiefer zu gehen.""

Man nimmt ihr das Interesse an den Menschen ab, das zugleich Anteilnahme und Distanz zu sein scheint. So einfühlsam, wie sie in die Welt der Kreuzberger Mädchen eintaucht, so geschickt beobachtet sie die drei auch von außen. Aus einem gewissen Abstand, so, wie sie auch im Gespräch wirkt. Groß und schlank, unauffällig schick gekleidet mit Rock und Stiefeln, ist die 31-Jährige im Umgang freundlich und zurückhaltend. Alles andere als eine Selbstdarstellerin. Und niemand, der unbedingt viel von sich selbst erzählt. Dafür um so leidenschaftlicher von der Arbeit:

Blümner: "Das ist ja auch das Tolle am Regieführen, die Menschen, die Geschichten und die Bilder, und dass da viele Leute zusammenkommen und an einer Idee arbeiten. Das ist toll."

So zurückhaltend, fast schüchtern Bettina Blümner zunächst wirkt, im Gespräch ist sie sehr klar und direkt. Kein Zweifel, sie ist zielstrebig und gilt unter Kollegen als sehr beharrlich. Auch gegenüber den Produzenten, denen sie während der Filmarbeit hartnäckig zusätzliche Drehtage abtrotzt. Und durchsetzen kann sie sich auch gegenüber den drei selbstbewussten Berliner Gören:
Blümner: "Der Dreh hat großen Spaß gemacht, aber es war natürlich auch immer sehr anstrengend, weil sie fünfzehn sind und nicht immer die zuverlässigsten waren. Und ich hab mit ihnen geredet und gesagt: Wenn ihr nicht wollt, dann suche ich mir halt andere Teenager, und dann haben sie gesagt, ne bloß nicht, und dann hat das ganz gut funktioniert. Also, ich bin da schon sehr fordernd, und direkt. Also, anders geht’s ja auch gar nicht."

Die Regisseurin wirkt unabhängig. Sie hat viel Zeit im Ausland verbracht, enge Freundschaften aber sind ihr sehr wichtig sagt sie. Sie studiert Mediengestaltung in Weimar, dann Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg. Nach dem Diplom erhält sie ein Stipendium für einige Monate an der Filmhochschule Kuba.

Bettina Blümner: "”Man kann sehr leicht Menschen kennenlernen auf der Straße, die Geschichten passieren auf der Straße und man muss nur die Augen offen halten. Das ist auch anders als hier in Deutschland. Nichts funktioniert so richtig, und dadurch ergeben sich ständig Probleme im Alltag, und durch diese Probleme, die man bewältigen muss, wird man ständig mit Geschichten konfrontiert. Und das macht auch großen Spaß.""

Auf Kuba hält Blümner tatsächlich die Augen offen. In einem Dokumentarfilm über Muttertagstorten zeigt sie, wie sich aus dem Kucheneinkauf ein halber Volksaufstand entwickelt. Wie sie es schafft, in zwei Kurzfilmen ebenso lebensprall wie kritisch kubanische Wirklichkeit einzufangen, ist ein echtes Kunststück. Schon in ihren Diplomfilm "Die Kette", der lakonisch eine Geschichte aus der brandenburgischen Provinz erzählt, zeigt sich Blümners Talent, authentische Atmosphäre zu erzeugen. Ihre Filme wirken, weil sie nackte Realität darstellen, und trotzdem mitreißendes Lebensgefühl vermitteln. So, wie "Prinzessinnenbad" keine Brennpunkt-Dokumentation ist, sondern ein spannender Großstadtfilm.

Blümner: "Sicherlich zeigt der Film auch gesellschaftliche Probleme auf, aber es war nicht mein Ansatz einen gesellschaftspolitischen Film zu machen, sondern es ging mir wirklich um das Leben von diesen drei Mädchen. Also, es ist kein Milieufilm und kein Problemfilm."

Problemfilme sind Blümners Filme wirklich nicht. Aber sie zeigen die heikelsten gesellschaftlichen Missstände - von politischer Gehirnwäsche auf Kuba bis zur Bildungsmisere in Deutschland. Bettina Blümner zeigt die Wirklichkeit so, als wäre diese selbst ein Film, und damit macht sie aus der Realität großes Kino.
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