Wenn aus Fernsehen Literatur wird
Schwer, finster, spannend: David Hewson hat die erfolgreiche dänische TV-Serie "Kommissarin Lund" als Kriminalroman neu geschrieben. Dabei hat man nie das Gefühl, ein aus kommerziellen Gründen rasch gestricktes Buch zum Film zu lesen. Dafür beherrscht der Autor sein Handwerk einfach zu gut.
Irgendwann wird Sarah Lund von ihrem Polizeipartner gefragt, was sie eigentlich gemacht hätte, wenn sie nicht zur Polizei gegangen wäre. Ihre Antwort: Ich hätte nichts gemacht. Und sie meint es genauso, wie sie es sagt: Lund ist Polizistin. Alles andere ist egal. In Kopenhagen ist eine junge Frau umgebracht worden. Vom Täter erst missbraucht, dann in einen Kofferraum gesperrt und bei lebendigem Leib im Wasser versenkt worden. In Kopenhagen ist zugleich Bürgermeisterwahl – und vom ersten Augenblick an scheint das ganze Rathaus in den Mord verstrickt zu sein.
Es ist, so auch der Untertitel des Buches, Kommissarin Lunds erster Fall. Zumindest der erste Fall, an dem wir als Leser teilhaben können. Und zwar sehr umfassend: Die Geschichte eines Mordes, der die Ermittlerin tief hinein in die Abgründe der dänischen Politik führt, wird auf 800 Seiten erzählt. Der Brite David Hewson schafft es dabei trotz des immensen Umfangs, die Spannung bis zur letzten Seite zu halten. Vor allem, weil es Kommissarin Lund gibt, eine Polizistin, die viele bereits aus dem Fernsehen kennen – und eine düstere Figur, die an sich nicht besonders sympathisch ist. Kommissarin Lund ist manisch. Sie ist gestört. Sie ist unnahbar. Einzig und allein der Fall interessiert sie, und es ist ihr egal, dass sie dabei die Liebe ihrer Mutter, ihres Sohnes und ihres Lebenspartners verliert. Ein Privatleben existiert irgendwann nicht mehr.
Auch die anderen Charaktere des Buches sind subtil und vielschichtig gezeichnet: Es gibt nicht die Guten und die Bösen, und jeder hat, mitunter wortwörtlich, noch eine Leiche im Keller, mindestens. Wenn die Figuren etwas vereint, dann ist es eine tiefe Melancholie, die wie ein feiner Regen auf ihre Leben fällt, der nicht mehr aufhören wird: "Man konnte sich überall abreagieren. Im Suff. In hektischer Aktivität. Im Sinnesrausch der Liebe. Doch das Ergebnis war immer dasselbe: ein Absturz ins Bodenlose, ins Nichts." Die Schwere und Finsternis des Buches ist mitunter kaum zu ertragen – dennoch kann man es, hat man erst angefangen, nicht mehr zur Seite legen: Schnelle Schnitte und rasante Entwicklungen in der Handlung tragen dazu bei, außerdem ist der Roman literarisch solide gearbeitet.
Besonders bemerkenswert ist die Entstehungsgeschichte des Krimis: Kommissarin Lund existierte nämlich schon lange vor der Buchveröffentlichung. David Hewson hat die überaus erfolgreiche dänische Fernsehserie "Kommissarin Lund – Das Verbrechen" als Kriminalroman neu geschrieben. Dabei hat man allerdings nicht das Gefühl, ein aus kommerziellen Gründen rasch gestricktes Buch zum Film zu lesen: Dafür beherrscht der Autor sein Handwerk einfach zu gut. Der karge und präzise Stil schafft es, die Fernsehbilder für die Literatur zu gewinnen. Und er erzählt eine Geschichte, die weit über einen simplen Kriminalfall hinausgeht und ohne moralischen Zeigefinger vom zutiefst menschlichen Makel erzählt.
Besprochen von Martin Becker
David Hewson / Søren Sveistrup: Das Verbrechen
Kommissarin Lunds 1. Fall
Aus dem Englischen von Barbara Heller und Rudolf Hermstein
Zsolnay Verlag, München / Wien 2013
800 Seiten, 21,90 Euro
Es ist, so auch der Untertitel des Buches, Kommissarin Lunds erster Fall. Zumindest der erste Fall, an dem wir als Leser teilhaben können. Und zwar sehr umfassend: Die Geschichte eines Mordes, der die Ermittlerin tief hinein in die Abgründe der dänischen Politik führt, wird auf 800 Seiten erzählt. Der Brite David Hewson schafft es dabei trotz des immensen Umfangs, die Spannung bis zur letzten Seite zu halten. Vor allem, weil es Kommissarin Lund gibt, eine Polizistin, die viele bereits aus dem Fernsehen kennen – und eine düstere Figur, die an sich nicht besonders sympathisch ist. Kommissarin Lund ist manisch. Sie ist gestört. Sie ist unnahbar. Einzig und allein der Fall interessiert sie, und es ist ihr egal, dass sie dabei die Liebe ihrer Mutter, ihres Sohnes und ihres Lebenspartners verliert. Ein Privatleben existiert irgendwann nicht mehr.
Auch die anderen Charaktere des Buches sind subtil und vielschichtig gezeichnet: Es gibt nicht die Guten und die Bösen, und jeder hat, mitunter wortwörtlich, noch eine Leiche im Keller, mindestens. Wenn die Figuren etwas vereint, dann ist es eine tiefe Melancholie, die wie ein feiner Regen auf ihre Leben fällt, der nicht mehr aufhören wird: "Man konnte sich überall abreagieren. Im Suff. In hektischer Aktivität. Im Sinnesrausch der Liebe. Doch das Ergebnis war immer dasselbe: ein Absturz ins Bodenlose, ins Nichts." Die Schwere und Finsternis des Buches ist mitunter kaum zu ertragen – dennoch kann man es, hat man erst angefangen, nicht mehr zur Seite legen: Schnelle Schnitte und rasante Entwicklungen in der Handlung tragen dazu bei, außerdem ist der Roman literarisch solide gearbeitet.
Besonders bemerkenswert ist die Entstehungsgeschichte des Krimis: Kommissarin Lund existierte nämlich schon lange vor der Buchveröffentlichung. David Hewson hat die überaus erfolgreiche dänische Fernsehserie "Kommissarin Lund – Das Verbrechen" als Kriminalroman neu geschrieben. Dabei hat man allerdings nicht das Gefühl, ein aus kommerziellen Gründen rasch gestricktes Buch zum Film zu lesen: Dafür beherrscht der Autor sein Handwerk einfach zu gut. Der karge und präzise Stil schafft es, die Fernsehbilder für die Literatur zu gewinnen. Und er erzählt eine Geschichte, die weit über einen simplen Kriminalfall hinausgeht und ohne moralischen Zeigefinger vom zutiefst menschlichen Makel erzählt.
Besprochen von Martin Becker
David Hewson / Søren Sveistrup: Das Verbrechen
Kommissarin Lunds 1. Fall
Aus dem Englischen von Barbara Heller und Rudolf Hermstein
Zsolnay Verlag, München / Wien 2013
800 Seiten, 21,90 Euro